„Eine neue, andere, noch nie gesehene Konstellation“ – Ateliergespräch mit Mischa Kuball

Mischa Kuball

Meine erste Frage bezieht sich direkt auf Ihre Kunst und es ist eine Frage, die Sie sicher schon häufig gehört haben. Was macht Licht für Sie zu einem besonderen Medium? Also: warum Licht?

Das ist eine berechtigte Frage. Das Licht gilt für den Beginn des 20. Jahrhunderts, aber auch für das 21. Jahrhundert, als das Medium, das den Blick des Betrachters neu formiert. Mit einem neuen Material, mit der Elektrifizierung der Städte, die in der Mitte des 19. Jahrhunderts beginnt, aber auch der Erfindung der Fotografie und des Films, mit dem Ende des 19. Jahrhunderts und dem kategorialen Durchbruch in den kinematographischen Raum und damit dem Einzug in das, was wir heute als Lichtkunst wahrnehmen, die Experimente von Lászlò Moholy-Nagy beispielsweise. Das alles ist das Ausgangsmaterial, der Ausgangspunkt meiner künstlerischen Arbeit, ein Fundament, auf das ich mich beziehe. Das paart sich aber auch schon sehr früh mit dem Gedanken, in den öffentlichen, urbanen Raum hineinzuwirken. In diesem Raum erscheint das Licht gerade in seiner Ambivalenz zwischen Beleuchtung und Blendung, zwischen Illumination und Fokussierung, einer aufklärerischen Geste – aber vielleicht auch in der Drohung der Folter. Und meine Kunst hat sich in diesem Zusammenhang schließlich auf die Auseinandersetzung mit dem künstlichen, dem artifiziellen Licht konzentriert. Das Licht, das ich einsetze, bewegt sich selbst in sehr unterschiedlichen Räumen und wird immer wieder durch die Räume neu kontextualisiert, bis hin zu der Frage, ob durch Licht nicht auch Umweltschäden entstehen, also das Thema Emissionen, wurden bei MetaLicht viele Kontexte einbezogen. Es gab Rückfragen nach dem energetischen Fluss: Wie wird das künstliche Licht gespeist? Woher kommt eigentlich die Energie? Wir sind weit entfernt von der Euphorie des Verbrauchs im 20. Jahrhunderts, von den Missverständnissen, wie wir sie von Albert Speer kennen, den Lichtdomen, die einer nationalsozialistischen, faschistischen Ideologie folgen. MetaLicht versucht hingegen, eine Schnittstelle zu bieten, Fragen aufzuwerfen, Probleme zu formulieren. Hier wird der universitäre Kontext nicht zufällig die Folie, auf dem das Licht Wirkung entfaltet. Es ist nicht ohne die Universität als Hintergrund denkbar.

Eine andere Frage, die ich mir beim Betrachten von MetaLicht gestellt habe, ist, welche Rolle für diese Art von Kunst das Vorwissen spielt und welche Bedeutung ästhetische Erfahrung hat. Was erwarten Sie vom Betrachter des Kunstwerks?

MetaLicht geht aus von einer Fragestellung, die der Rektor Lambert Koch an mich gerichtet hat. Er fragte: „Kann ein künstlerischer Prozess das Verhältnis von Stadt und Universität in irgendeiner Weise begleiten?“ Das ist erst mal eine Aufgabe vor der man zurückschrecken kann, da sie eine Dimension annimmt, die für die künstlerische Praxis eher unüblich ist. Ich habe jedoch schon eine gewisse Erfahrung darin: im Projekt Megazeichen, 1990, ging es darum, an einem Hochhaus, wie dem Mannesmann-Hochhaus, das in exponierter Lage in Düsseldorf am Rhein steht, die 700 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die bestehende Architektur von Paul Schneider-Esleben von 1956, einzubeziehen. Die Fensterbänder boten an, das vorhandene Bürolicht durch eine einfache Dramaturgie aus einer Zufallssituation zu überführen in eine Setzung, in eine performative Inszenierung, die im Stadtraum plötzlich als Zeichen wahrnehmbar ist. „Megazeichen“ meint ja in dem Fall nicht die Größe der Zeichen – es meint das Konzentrat aus einer Vielzahl von Zeichen. Dass die Leute danach, nach den sechs Wochen, immer noch wieder Zeichen am Gebäude gesehen haben, ist das Ergebnis eines Lernprozesses, der innerhalb kurzer Zeit im urbanen Raum stattgefunden hat, ohne dass ein Künstler nach vorne getreten ist und ein Publikum angesprochen hätte. Das haben Reaktionen, Leserbriefe an die Zeitung, aber auch Briefe an den Vorstand, gezeigt. Sie haben gezeigt, dass es möglich ist.

Die andere Arbeit, die ich in diesem Zusammenhang erwähnen möchte, ist refraction house, 1994, in der Synagoge Stommeln bei Köln, ein säkularisierter Synagogenraum. Es ist so, dass wir ein starkes Licht in eine geschlossene Synagoge gestellt haben. Wir haben damit im Grunde den Prozess umgekehrt. Wir haben nicht das Licht benutzt, um auf den Ort zu verweisen; sondern der Ort verweist aus sich heraus auf andere Orte, auf die unmittelbare Nachbarschaft. Die sogenannten „Besucher“, die sich der Synagoge näherten, wurden, anders als sonst, nicht durch die Tür hineingelassen. Dieses Verwehren des Einlasses war die Fortsetzung der Strategie der Exklusion, wie sie von den Nationalsozialisten gegen die Menschen jüdischen Glaubens ausgeübt wurde. Dieser Rekurs war übrigens abgestimmt mit Ignatz Bubis, Vorsitzender des Zentralrates der Juden. Julius Posener, den ich in den 90er Jahren in Berlin besuchte, sagte: „Das ist eine Arbeit, die musst du machen. Das kannst du nur über eine Erfahrung erleben. Dieses Problem kannst du nicht abstrakt lösen.“ Die Leute standen vor einer verschlossenen Synagoge und waren im gleißenden Licht. Das heißt, dieses Exponierte drehte sich um. Das Werk war eben nicht die Bühne oder der Akteur. Es stellte sozusagen eine Frage nach der Rolle der Täterschaft, der Opfer, der Mitwisser. So entstand also eine völlig ambivalente Situation. Wenn man es sich dann vergegenwärtigt, dass die Scheinwerfer, die in dieser Synagoge diesen Kontext von refraction house erzeugt haben, heute den Parkplatz des kommunalen Sportplatzes erleuchten, dann merkt man, dass es nicht um die Lichtquelle und um die Wattanzahl oder die Lumen-Leistung geht. Es ist auch ein Missverständnis, dass immer mehr Energie auch immer mehr Strahlkraft bedeutet. Der Kontext hat die Strahlkraft entwickelt, die Arbeit bestimmt.

Das entspricht meiner Erfahrung beim Betrachten von MetaLicht. Das oszillierte zwischen der Form eines Blitzschlags, weil das ja eben so ein unerwartetes Aufscheinen am Nachthimmel ist, und der Vorstellung der Flammenschrift, die man als Menetekel kennt. Aber inzwischen sind die elektrisch leuchtenden Buchstaben auch von Computerbildschirmen und Ähnlichem vertraut. Also das waren die beiden Assoziationen, die ich hatte, und es brachte mich in eine solche Situation zwischen meinem Vorwissen, dieser kulturellen Vorstellung von Schrift, und andererseits einer ästhetischen Erfahrung, die man hier in Wuppertal bei dem entsprechenden Wetter häufig macht…

…der Blitzschlag, der ein Hochkonzentrat von Impuls ist. Der so stark ist, dass wir ihn heute immer noch nicht konservieren oder festhalten können in Form von Batterien oder Trafostationen. Wir versuchen das natürlich, weil uns die Energie interessiert. Gleichzeitig ist natürlich auch eine Assoziation zum ASCII-Code denkbar, der in der Computerprogrammierschrift funktioniert. Mir ist aber noch etwas sehr Grundsätzliches aufgefallen. Wenn man bisher auf den Grifflenberg hochschaute aus der Mitte der Stadt, oder auf einen der anderen entlegenen Punkte, dann sah man hier und da ein Fensterband und es war nicht klar, ob es wirklich zur Universität gehört. Jetzt ist es unmissverständlich klar. Das andere Licht, das ja von der Lichtfarbe weißer ist und sich dem Tageslicht mit einer Temperratur von 5000/6000 Calvin nähert, zeigt, dass diese Gebäude konzeptuell zusammengehören. Also eine Trennung und eine Verwechslung sind nicht mehr möglich. Jetzt ist es klar: das ist der Universitäts-Campus. Es ist, wenn man so will, auch ein System der Binnennavigation entstanden und das ist natürlich auch interessant, weil wir uns ja an Punkten und Linien orientieren. Das sind nicht nur geometrische Grundformen, sondern sie sind auch in unser Codesystem eingeführt und mit Bedeutung besetzt. Sie sind zugleich die kürzeste Strecke zwischen zwei Punkten, sie verweisen weiter und bilden ständig neue Konfigurationen. Manchmal hat man das Gefühl, man hätte einzelne Buchstabenfragmente gesehen. Immer wenn man hinschaut, sieht man eine neue, andere, noch nie gesehene Konstellation.

Die Bergische Universität Wuppertal ist ja architektonisch schon an sich interessant. Es ist ein Bau, der entstanden ist, wie viele andere Reformuniversitäten aus den 1970er Jahren: als ein programmatisch fassadenloser Bau mit einer sehr intrikaten, sehr komplizierten, labyrinthischen Architektur. Wenn man sich den Grundriss ansieht, ist es schon sehr schwer, ihn zu memorisieren. Mir scheint, dass durch dieses Lichtkunstwerk MetaLicht die Reformuniversität der 70er-Jahre in die Gegenwart geholt wird. In eine Gegenwart, in der die Universität eben doch wieder ein Gesicht erhält, eine Fassade, mit der sie ins Tal schaut – aber eben eine bewegliche, vielgestaltige Fassade. Zeichen einer neuen, aktuellen Reform der Universität?

Ihre Beobachtung berührt einen konzeptuellen Kern der Installation, denn wir haben uns ja nur da bewegt, wo sich die „Gelenke“ der Universität befinden. Wenn man das anthropologisch vermessen würde, haben wir uns im Knie- und Ellbogen- und Schultergelenkbereich bewegt. Diese sogenannten Reform- und Campusuniversitäten, wie die Bergische Universität Wuppertal oder auch Gießen, Bochum und Düsseldorf, sind Areale, die einen universitären Organismus zu schaffen versuchen. Der entwickelt meistens eine so starke Binnenhaut, dass er zur Außenhaut der Stadt selber weniger Durchlässigkeit zeigt. Das scheint auch ein Problem zu sein. Tatsächlich sind durch die orthogonalen Verankerungspunkte, durch die sechs Gelenke, nicht nur die sechs Vertikalen des universitären Erscheinungsbildes in der Architektur des urbanen Kontexts markiert; daraus werden tatsächlich auch die Punkte, an denen sich auch das Lichtkunstwerk MetaLicht mehr als nur in einer flachen Panoramasituation zeigt. Es wirkt skulptural und das ist tatsächlich ein Wahrnehmungsaspekt, auf den Sie angesprochen haben. Plötzlich sieht man neu. Interessant ist daran, dass man einen Teil davon spürt, auch wenn man ihn nicht direkt sehen kann. Man nimmt auratisch wahr, auf der Rückseite findet auch etwas statt. Das gibt der Universität tatsächlich die Dimension zurück, die sie immer hatte, die sie aber nicht in der Erzählung der Stadt formulieren konnte. Das ist für mich, um an Ihrer Beobachtung oder Überlegung anzuschließen, dann wirklich eine Reform. Insofern ist diese dritte und vierte Dimension gekoppelt mit der inhaltlichen Ausrichtung der Universität. Ich fände es gut, wenn dieses Versprechen auf Dauer belastbar und einlösbar wäre.

Es handelt sich insgesamt um ein ökologisches Projekt, gespeist mit ökologischem, mit verantwortungsvoll gewonnenem Strom. Wie ordnen Sie es selbst in die Ökologie des Bergischen Landes ein? Ich habe gesehen, dass Sie in Ihren anderen Werken viel auf die Region und auf seine Ökosysteme eingegangen sind, zum Beispiel bei dem New Pott-Projekt.

Also zweierlei. Auf der einen Seite ist MetaLicht in die Topografie, das heißt die Landschaftsentwicklung, eingebettet. Eine Stadt, die sich 30 Kilometer im Tal an der Wupper entlangzieht, hat u.a. als eine herausragende Ingenieurleistung die Schwebebahn hervorgebracht. Das ist ja kein Zufall. Vor mehr als 100 Jahren hat man einen Weg gefunden, Technik in die Natur zu integrieren, dem Flusslauf folgend. Auf der anderen Seite ist es so, dass wir natürlich auch die Windregion berücksichtigen. Dadurch, dass es dort eben eine gewisse Modulation in der Landschaftstopografie gibt, entsteht eine bestimmte Art von Windstrukturen. Diese kann man durch Gebäude konzentrieren. So gibt es zum Beispiel am Sparkassen-Gebäude starke Aufwind-Entwicklungen, obwohl es im Tal liegt. Am Berg selbst sorgt das Universitätsgebäude für diese Aufwinde. Wir haben mit einer neuen Windtechnologie den Punkt ausgemacht, an dem der stärkste Aufwind messbar ist. Interessanterweise befindet sich dieser Punkt direkt neben dem Rektoratsgebäude. An dieser Stelle haben wir drei Windkrafträder aufgebaut, die zur Installation gehören. Sie produzieren mehr Strom als wir brauchen, da der reale Verbrauch von fast 800 Metern neuer LED-Technologie für dieses MetaLicht Kunstwerk das Äquivalent zum Verbrauch eines Wäschetrockners und einer Waschmaschine in einem privaten Haushalt ist. Wenn wir im Maximum, in der Spitze sind, produzieren wir die dreifache Menge. Bei einem durchschnittlichen Wind, so wie wir ihn an dieser Stelle annehmen dürfen, liegen wir bei einer doppelten bis zweieinhalbfachen Überdeckung des realen Verbrauchs für das Lichtkunstwerk, denn zum Abend hin, ab 22 Uhr, wenn das städtische Licht tendenziell eher abnimmt und der Fond, mit dem dieses Lichtkunstwerk am Grifflenberg interagiert, dunkel ist, kommen wir mit nur 50 Prozent der Lichtleistung aus, ohne dass das Auge eine Differenz bemerken könnte. Wir können Licht natürlich nur in einer Hell-Dunkel-Kontrastierung wahrnehmen und die Akkommodation des menschlichen Auges und auch des neuronalen Systems wurde beim Projekt von vornherein mit berücksichtigt. Wir sind auch da empirisch und ziemlich akribisch vorgegangen. Wir sind also in mehrfacher Hinsicht ökologisch orientiert. Wir versuchen, die Leistung zu minimieren, und die, die wir wirklich brauchen, erzeugen wir durch regenerative oder fast regenerative Strukturen, wie beispielsweise Windkraft. Das, was wir an realem Stromverbrauch haben, wird in genügender und überdeckender Menge innerhalb des Projekts erzeugt. Übrigens gilt das Gleiche wie für den Energiehaushalt auch für die Finanzierung des Projekts. Alles dies wird ohne universitäre Gelder, nur durch Sponsoren finanziert.

Das Ganze hat auch einen wissenschaftlichen Aspekt. Es steckt Forschung dahinter, möglicherweise entwickelt die Installation auch Forschungspotenzial für die Zukunft. Ich muss gestehen, dass ich überrascht war, dass ein Künstler heutzutage nicht nur als Hochschullehrer an der Kunsthochschule unterrichtet, sondern auch in vielen interdisziplinären Projekten wie zum Beispiel Platon’s Mirror oder aber auch In Progress mit Wissenschaftlern anderer Disziplinen arbeitet.

Das ist ein ganz natürliches Verhältnis, das sich über die letzten 25 Jahre entwickelt hat. Die Felder, die mich interessieren, haben natürlich mit Rezeption und Perzeption zu tun. Das schließt Bildwissenschaften und Kunstwissenschaften ein, aber auch Neurowissenschaften. Ich habe im Bereich des Broca-Areals in der linken Hemisphäre am eigenen Hirn geforscht. Natürlich mit medizinischer und wissenschaftlicher Unterstützung in Krefeld, in Bochum und auch Düsseldorf an den jeweiligen Fakultäten. Ich habe den sogenannten Computertomographen mit rotierenden Röntgenstrahlen als neues Medium Licht für mich entdeckt – aber im für das menschliche Auge nicht sichtbaren Bereich –, habe das Innenleben der fotografischen Apparate zum Gegenstand gemacht. Das ist Teil des Platon’s Mirror-Projekts, eines wahrhaft internationalen Projekts. Eine amerikanische Perspektive, ein Blick aus Australien, der südlichen Hemisphäre, ein Blick aus Japan und natürlich auch aus unserem Kulturraum auf das Höhlengleichnis. Beteiligt waren Hans Belting und Bazon Brock, um eine Wuppertaler Größe zu nennen, Peter Sloterdijk, Duncan White aus London, John Welchman aus Los Angeles und Yokiko Shikata aus Japan. Man merkt, wir reden alle über den gleichen Text von Platon, von der wunderbaren Schleiermacher-Übersetzung ausgehend. Dabei kommen wir alle zu unterschiedlichen Überlegungen, und diese Facettierung ist im Grunde auch ein Prozess, der dem fotografischen Bildentstehungsprozess ähnlich ist. Da sind Ideen, die als Strahlengänge verschiedene Linsenparameter durchdringen und je nach Fokussierung in einer langen Linse, also 220 Millimeter, ein kleines Bild, oder, in 50 Millimetern, ein größeres Bild erzeugen. Es ist natürlich schwer, mit jemanden aus den Neurowissenschaften einen gemeinsamen Sprachraum zu finden, in dem wir uns austauschen können. Aber sie scheint überwindbar, diese alte Anklage an die Wissenschaft, dass sie keine versprachlichte Form findet, um ihre Zusammenhänge einem breiteren Publikum verfügbar zu machen. Ich glaube, dass diese Überlegung für die Projekte, an denen ich arbeite, zentral ist, übrigens auch für meine Lehre an der Kölner Kunsthochschule für Medien. Das ist ja schon bei den Studierenden so: Sie kommen aus den Bereichen der Fotografie, Tanz, Performance, Kunstwissenschaften oder anderen Bereichen und nähern sich sozusagen auf dieser Plattform einander an.

Mir geht es wirklich darum, ein Plateau zu schaffen, und MetaLicht ist für mich auch so etwas: Eine Bühne, die die Universität sich jetzt schafft, für sich und die Stadt Wuppertal. Es gibt ein Spannungsverhältnis zwischen beiden, aber dieses Spannungsverhältnis erzeugt auch Energie. Ich als Künstler sehe es als ein energetisches Feld, in das man etwas hineinsetzen kann. Deswegen sind Metaphern wie Blitz oder Impuls durchaus erwünscht. Auch MetaLicht, der Titel, meint ja auch nicht, dass wir hier über den Dingen stehen, sondern „beyond the facts“, „beyond the material aspects“ schauen wollen. Es macht, wie ich glaube, auch das Geheimnis dieser Arbeit aus, dass ich als Autor wenig Deutung mit auf den Weg geben muss, weil die sich in dem Projekt selber formt. Es enthält ja auch die Idee des Kollaborativen und des Partizipatorischen. Das wird auch letztlich das Geheimnis von MetaLicht sein. Schafft MetaLicht es, die formalen oder konstitutiven Bedingungen der Universität in das städtische Bild hineinzuarbeiten? Lambert Koch und ich sind während einer Lichtprobe einfach mal verschiedene Punkte angefahren. Überraschend war, dass der Naheindruck an der Universität selbst ein ganz anderer ist, als der Panoramablick und die Erzählung, die sich dann im städtischen Raum abzeichnet. Um genau diesen Erfahrungshorizont geht es, wenn das Projekt der Öffentlichkeit übergeben wird. Nicht nur im Sinne eines Stapellaufs, sondern eben auch in diesem multiplen, multiperspektivischen Funktionszusammenhang.

Studieren mit Perspektive. Das ist so etwas wie ein Motto der Bergischen Universität Wuppertal. Steht es auch hinter dieser perspektivischen, auf Perspektive angelegten Installation?

Was mich nachhaltig berührt hat, ist, dass für viele der zahlreichen Studierenden die Wuppertaler Universität eine Pendleruniversität ist. Das heißt, die Wechselwirkung von Stadt und Universität ist keine Selbstverständlichkeit. Sie ist sowohl konstitutiv für die Universität, weil städtisches, urbanes Leben in die Universität hineinwirkt, in Themen, in Impulse, die gesetzt werden, aber eben auch vice versa. Vielleicht ist es gelungen, einige dieser Aspekte miteinzuweben, die in den Vorbereitungen und in den Vorgesprächen deutlich wurden.

Wenn Sie die Gelegenheit hätten, den Studierenden der Bergischen Universität Wuppertal etwas mit auf den Weg zu geben, nicht nur mit auf den Weg hin zu MetaLicht, sondern auch mit auf den Weg durch das Studium, was wäre das?

Eine sehr aktuelle Frage, da ich gerade heute selbst versucht habe, meinen Studierenden so etwas wie einen ersten Zwirn für einen Leitfaden zu geben. Ein Zwirn, der aber kein roter Faden sein will und schon gar kein Leitgedanke, sondern eine Anregung zur Reflexion. Ich glaube, dass ein Missverständnis darin besteht, ein Studium wie einen Setzkasten zu begreifen. Einen Setzkasten, an dem man sich bedient, weil man ein Ziel hat, an dem man arbeitet und das vielleicht in Ökonomie oder gesellschaftlicher Anerkennung oder Ähnliches mündet. Ich will damit sagen, es sollte nicht einem monokausalen Pragmatismus folgen. Ich glaube, das wäre auch ein Appell an die Lehrenden, den ich Ihnen selbst gleich mit auf den Weg gebe. Ich wünsche mir lehrende Studierende und studierende Lehrende, die sich in Wechselwirkung aufeinander zu bewegen, natürlich nicht ihre eigene Biographie und ihren eigenen Schwerpunkt verleugnend, und einfach ein Stück weit helfen, die Gesellschaft weiterzuentwickeln. Also eher weniger repetitives Wissen, abfragendes Wissen fördern, sondern vielleicht Fragestellungen, zu denen es noch gar keine Antwort gibt. Solchen Fragen sollte Raum gelassen werden. Das widerstrebt allerdings, wie man sagen muss, dem Fundament unseres aktuellen Bildungssystems, das ja durch eine gymnasiale Verkürzung von neun auf acht Jahre auch eher ein Hineinschieben von Lernstoffen favorisiert als das Schaffen eines Raums für eigene Ideen. Ich erlebe bei vielen jungen Studierenden ein starkes Phlegma; nicht das Phlegma, was man an Menschen wahrnimmt, die aus sattem Bewusstsein heraus in die Welt schauen und meinen, sie müssen sich nicht bewegen, sondern eine Angst vor Orientierungslosigkeit. Also würde ich mir ein Grundmodell wünschen, so dass in der Lehre Platz ist für Experimente, und dass die Lehrenden das anbieten und die Studierenden es einfordern. Ich glaube, dass die Bergische Universität Wuppertal, so wie ich ihre Veränderung der letzten Jahre ganz besonders wahrnehme, an vielen Stellen genau die Formate unterstützt und geschaffen hat – und in vielfältiger Weise auch in Allianz mit außeruniversitären Strukturen. Ich glaube, das wäre ein ganz guter Wegweiser. Ein pauschaler Rat ist natürlich auch schwierig, weil jede Studierende und jeder Studierende eine ganz persönliche Fragestellung mitbringt. Ich finde es wichtig, dass man einen beschlagenen Spiegel zur Reflexion bereithält. Das deutlich und einfach erkennbare Abbild hilft selten weiter. Die Irritation hilft, die Fähigkeit der Erkenntnis zu trainieren. Keine Angst vor dem Nebel, der die Universität manchmal auch thermisch umringt…

Prof. Dr. Matei Chihaia

 

 


Das Gespräch führte Prof. Dr. Matei Chihaia, Prodekan der Fakultät für Geistes- und Kulturwissenschaften.

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