Schülerautoren des Projektes „Schulhausroman“ gesucht
v.l.n.r: Fedor Ehser, Prof`in Dr. Kirsten Schindler, Dr. Matthias Rürup, Laudris Dinger, Anna-Laura Viethen/ Germanistik
Foto: UniService Transfer

Bergische Uni sucht Schülerautoren des Projektes ´Schulhausroman`

Die Germanistin Prof. Dr. Kirsten Schindler und der Schulforscher Dr. Matthias Rürup suchen ehemalige Schüler*innen der Realschule Neue Friedrichstraße sowie der Gesamtschule Erich-Fried für eine Studie zum Literaturhausprojekt „Wuppertaler Schulhausroman“

2016 endete nach knapp sieben Jahren ein ambitioniertes Projekt des Wuppertaler Literaturhauses, welches unter dem Titel „Wuppertaler Schulhausroman“ von der damaligen Leiterin des Literaturhauses, der Kulturjournalistin Anne Linsel, ins Leben gerufen wurde und mit Schüler*innen unter Leitung von Wuppertaler Autorinnen und Autoren mehr als 16 Geschichten erstellte. „Die Idee und Initiative zum ´Schulhausroman` kommt eigentlich aus der Schweiz von Richard Reich“, erläutert Matthias Rürup, Schulforscher an der Bergischen Universität und in Nachfolge von Anne Linsel, Leiter des Literaturhauses Wuppertal, „und ist dort, in Österreich und in Deutschland, beispielsweise in Hamburg und Bremen, weiterhin sehr lebendig.“ Erst 2021 zum Beuys-Jahr wurde das Projekt „Schulhausroman“ mit dem Social Sculptur Award ausgezeichnet. Der Wuppertaler Schulhausroman sei so etwas wie ein Ableger mit einer begrenzten Laufzeit.
2023 bieten die Sprachdidaktikerin Kirsten Schindler und Matthias Rürup, der zugleich Mitarbeiter im Institut für Bildungsforschung an der Bergischen Universität ist, ein Seminar an, welches sich mit den zwei letzten Wuppertaler Schulhausromanen auseinandersetzt.

Was ist ein Schulhausroman überhaupt?

„Die Grundidee war“, erklärt Rürup, „an Schulen heranzutreten und ihnen ein Schreibangebot für Schulklassen zu unterbreiten. Begleitet durch einen oder mehrere Autoren sollte ein gemeinsamer Text erarbeitet werden. Ein Roman also, der im Schulhaus gemeinsam verfasst wird.“ Das Projekt erstreckte sich über zwölf Wochen, in denen die Schüler*innen mit der Lehrkraft in jeweils zwei Doppelstunden pro Woche an ihren Texten arbeiteten. „Die begleitenden Autoren hatten dann immer in der Zeit dazwischen den Auftrag, alles das, was geschrieben wurde, zu lesen, zu sortieren, zu überarbeiten und daraus das nächste Kapitel vorzubereiten, bevor die Jugendlichen weiterschrieben“, erklärt Rürup.

Renommierte Autoren stellten sich zur Verfügung

Im Laufe des Projektes unterstützten acht Autorinnen und Autoren die Arbeit der jungen Erzähler. „Hervorheben möchte ich die letzten zwei Autoren, Michael Zeller und Dorothea Müller, die renommierte Wuppertaler Autoren mit überregionaler Strahlkraft sind“, sagt Rürup, „die dann die Aufgabe hatten, dieses Buchprojekt zu intensivieren.“ Sie gaben Tipps zum Vorgehen und erklärten, worum es eigentlich gehen sollte. Zwischen den Schreibphasen bildeten sie dann aus den Einzeltexten eine kohärente Geschichte, die man dann in einem Fluss lesen konnte, erläutert Rürup das Vorgehen. „Dieser wurde dann jeweils in den Unterricht mitgebracht und vorgelesen, um den jeweiligen Stand anzuzeigen.“

Titelbild: Flammen über der Stadt

Geschichten aus dem eigenen Leben

Die beteiligten Jugendlichen waren damals in der achten und neunten Klasse. Die Altersgruppe der 14- bis 16-jährigen wurde bewusst ausgewählt, denn allen Geschichten gemein war die Aufgabe der Schüler, aus ihrem eigenen Leben zu berichten, und in dieser Zeit passiert erfahrungsgemäß sehr viel. Dabei wählten die beiden Autoren unterschiedliche Herangehensweisen, die Rürup so erklärt. „Dorothea Müller schlug bei ihrer Schreibgruppe vor, zwei Protagonisten in den Mittelpunkt zu stellen, einen Jungen und ein Mädchen, die sich auf einer Klassenfahrt kennen- und lieben gelernt haben, nun heimkommen und dass mit ihrer Familie, ihren Freunden und mit ihrem ganzen Umfeld klären.“ Michael Zeller ging anders vor und gab den Auftrag, mit einer individuellen Geschichte zu beginnen. Er kombinierte dann die Erzählstränge zu einer mehrperspektivischen Geschichte. „So wurden praktisch parallele Geschichten erzählt, die zwar in derselben Stadt spielen, aber auch sehr starke eigene Elemente enthalten, wie z.B. Fantasyelemente, die die Kinder auch in ihrer eigenen Fantasiewelt zeigen.“

Kreativ-literarisches Schreiben wird Forschungsprojekt

Das Projekt ´Wuppertaler Schulhausroman` ist acht Jahre nach seiner Beendigung nun wieder Thema eines Seminars in der Lehrer*innenbildung.  Kirsten Schindler begeistert sich vor allem an dem, wie sie sagt „sehr gelungenen Projekt kreativ-literarischen Schreibens an Schulen, weil das wirklich funktioniert.“ Es habe sich dabei gezeigt, dass alle gemeinsam schreiben konnten, auch Schülerinnen und Schüler, die vielleicht gar nicht so einen Zugang zum literarischen und kreativen Schreiben hatten. Ein interessanter Forschungsansatz ist für die Wissenschaftlerin zudem die Tatsache, dass dieses Projekt sowohl an Haupt- und Realschulen, als auch an Gesamtschulen durchgeführt wurde. „Eine Zielsetzung von uns ist es ja auch, Studierende des Lehramtes mit solchen gelingenden Konzepten vertraut zu machen“, berichtet sie. Außerdem möchte sie erfahren, was eine kreative Auseinandersetzung mit Texten möglicherweise bei den Jugendlichen ausgelöst habe und fragt sich: „Haben sie sich damit noch länger beschäftigt? Ist das für sie bedeutsam gewesen? Darüber wissen wir gar nichts. Auch in der Forschung wissen wir nicht, wie nachhaltig bestimmte Formen von Schreibarrangements sind.“ Das Seminar soll die jungen Lehramtsstudierenden in die Lage versetzen, mit Forschungsmethoden diesen Fragen nachzugehen.

Titelbild:
Freundschaft, Frust und viele Fragen
Geschichten von Anna und Tim

Die Romane

Das Seminar konzentriert sich auf die letzten zwei Wuppertaler Schulhausromane „Flammen über der Stadt“ und „Freundschaft, Frust und viele Fragen. Geschichten von Anne und Tim“. Das habe vor allem den Grund, erklärt Schindler, dass über diese beiden Bücher eine umfangreiche Dokumentation vorhanden sei. Darüber hinaus sei der beteiligte Autor Michael Zeller bereits im Seminar gewesen und als ´Zeuge` sozusagen immer ansprechbar. Von der leider verstorbenen Autorin Dorothea Müller lägen zudem Materialien vor, so dass umfangreiche Kenntnisse über die Entstehung des Projektes vorhanden seien.

Gesucht - Ehemalige Schüler*innen werden für Forschungsprojekt gesucht

Neben dem vorliegenden umfangreichen Material sucht das Seminar nun Zeitzeugen. Die Seminarteilnehmer sind dabei aktiv beteiligt und haben ihrerseits Fragen an die damaligen Schülerautoren. So möchte z.B. die Studentin Anna-Laura Viethen gerne wissen, ob sich die Schüler durch ihre Arbeit an den Texten verändert hätten. „Ich würde mir eine Auskunft darüber wünschen, ob das die Gruppendynamik in der Klasse geändert hat, ob vielleicht zurückhaltende Schüler sich dann mehr eingebracht haben und sich neue Gruppenkonstellationen ergeben haben.“ Auch sei die Frage sehr interessant, ob die Autoren vielleicht eine Figur entwickelt hätten, die eine ganz andere Lebenssituation und damit auch andere Emotionen zeige. Laurids Dinger, ein weiteres Mitglied der Recherchetruppe fragt: „Mit welcher Motivation haben die Schüler wohl mitgemacht?“, denn anders als bei Sachtextanalysen oder Gedichtinterpretationen wurde dieses Projekt nicht benotet. Und was geschieht, wenn sich die Beteiligten heute wiedersehen? Fedor Ehser, ein weiterer Studierender im Team, möchte wissen, was die ehemaligen Schüler noch erinnern und ob sie damals zusammengearbeitet oder eher als Einzelautoren geschrieben hätten.

Das Ergebnis des Projektes wurde auch seinerzeit mit einer Lesung im Schauspielhaus präsentiert. „Für die Initiatoren war es ein großes Projekt“, erklärt Rürup, „und wir würden gerne herausfinden, ob es vielleicht biographisch prägend war, oder doch nur ein Moment im Schulalltag mit einem abschließenden Produkt.“

Hilfe durch Soziale Medien

Die Studierenden haben die beiden Romane gelesen und die Namen der ehemaligen Schüler notiert. „Die Schwierigkeit besteht darin, dass sie vielleicht schon umgezogen sind“, sagt Dinger und sein Kommilitone Ehser ergänzt: „Es ist sehr schwer, den ersten Kontakt herzustellen, denn wir können ja nicht einfach klingeln. Deshalb versuchen wir über Soziale Medien (Facebook und Instagram) den Kontakt aufzubauen und haben auch schon kleine Erfolge gehabt.“ Man brauche einen öffentlichen Anker, erklärt Rürup, damit die Ehemaligen Kontakt aufnehmen könnten und Schindler ergänzt: „Und das andere ist, dass sie, wenn wir sie gefunden haben, sie dann so viel Vertrauen haben, um uns zu helfen.“ Im Seminar wurde dazu bereits eine Strategie entwickelt, in der die Herangehensweise über Lehrkräfte, Aushänge und auch evtl. noch schulpflichtige Geschwisterkinder diskutieret wurde. Zwar ist offiziell eine neue EMAIL-Adresse an der Universität beantragt, doch Schindler bietet auch einen direkten Zugang an: „Die Ehemaligen können gerne direkt an mich schreiben, da kann man dann sehen, da steckt eine reale Person dahinter.“

Teilnehmer*innen des Wuppertaler Schulhausromans 2016 werden gebeten, sich mit Frau Prof. Dr. Kirsten Schindler unter kschindler[at]uni-wuppertal.de in Verbindung zu setzen.

Uwe Blass

Prof. Dr. Kirsten Schindler leitet den Bereich Didaktik der deutschen Sprache und Literatur mit Schwerpunkt Sprachdidaktik in der Fakultät für Geistes- und Kulturwissenschaften. Dr. Matthias Rürup arbeitet im Team der Empirischen Schulforschung am Institut für Bildungsforschung (IfB) der Bergischen Universität. Die Studierenden Anna-Laura Viethen, Laudris Dinger und Fedor Ehser sind über das Seminar „Kreatives Schreiben an Schulen“ in das Forschungsvorhaben zum „Wuppertaler Schulhausroman“ eingebunden.

Weitere Infos über #UniWuppertal: