Nachberichterstattung zum 6. Jugendhilfetag Wuppertal
Schwere Zeiten für Familien
„Corona und steigende Preise haben sich auf Familien ganz unterschiedlich ausgewirkt“, fasste Prof. Dr. Gertrud Oelerich aus der Fakultät für Human- und Sozialwissenschaften an der Bergischen Universität die Situation und Erfahrungen zusammen. „Während viele junge Menschen, gerade aus ökonomisch besser gestellten Familien, die Herausforderungen aus Kita- und Schulschließung und steigenden Energiekosten letztlich einigermaßen gut gemeistert haben, zeigen Studien, dass dies nicht für rund ein Drittel aller Kinder und Jugendlichen in ökonomisch und oft auch sozial prekären Verhältnissen gilt.“ Eine Einschätzung, die auch Christine Roddewig-Oudnia als Leiterin des Jugendamts der Stadt Wuppertal bestätigte: „So etwa verzeichnen die Erziehungsberatungsstellen rund 25 Prozent mehr Anfragen, sind Jugendzentren überlaufen und das Angebot der Tafel absolut notwendig.“ Großen Bedarf sieht die Expertin auch bei aufsuchender Jugendarbeit wie beim sogenannten „aufsuchenden Familiencoaching“, das die Sozialpädog*innen der Jugendhilfe direkt in die Familien führe.
Flexible Lösungen gefragt
Diese und andere wichtige persönliche Besuche vor Ort aufrechtzuerhalten, stellt jedoch alle Institutionen der öffentlichen und freien Jugendhilfe bereits seit Jahren vor enorme Herausforderungen. „Mit der Corona-bedingten Kontaktsperre mussten wir damals völlig unvorbereitet neue Begegnungsformen finden – von Treffen mit Familien im Park, mitgebrachten Essenspaketen bis hin zu den später dann entwickelten digitalen Lösungen“, fasste Klaus Schmidt, Abteilungsleiter der Jugendhilfe Aprath in der Bergischen Diakonie und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Wuppertaler Erziehungshilfeträger die gemeinsamen Bemühungen zusammen. Hinzu käme ein fortschreitender Fachkräftemangel, da angehende Erzieher*innen und auch erfahrene Sozialpädagog*innen immer häufiger den oft zeitlich und psychisch belastenden Arbeitssituationen den Rücken kehrten. Eine Entwicklung, die die bisherigen Arbeitsstrukturen hinterfrage und mit mehr Angeboten zum Austausch die persönliche Identifikation mit der Tätigkeit fördern müsse.
Das Kindswohl als gemeinsame oberste Maxime
Wie funktional sind Hilfe- und Unterstützungssysteme in diesen wechselvollen Zeiten? Eine Frage, die Veranstalter und Teilnehmende der Tagung beschäftigte und umtrieb. Vor allem dort, wo es oft auch einmal um das Kindeswohl bis hin zu Leib und Leben geht. Der Bedarf und Mangel an Jugendschutzplätzen macht erfinderisch. „Im Einzelfall müssen wir oft miteinander kreative Lösungen finden“, resümierte Christine Roddewig-Oudnia dankbar für das gute Miteinander, das einmal mehr auch auf der Tagung an der Bergischen Universität spürbar war. Daneben gelte es, die bestehenden Hilfesysteme noch flexibler, noch resilienter gegen Veränderung und aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen zu gestalten.
Der Jugendhilfetag Wuppertal versteht sich als kommunales Fachforum erzieherischer Hilfen, bietet die Möglichkeit, sich in Vorträgen und Foren mit aktuellen Konzepten, Ideen und Perspektiven auseinander zu setzen, schafft einen Ort der Präsentation der eigenen Jugendhilfearbeit, stellt einen Raum für Kontakte und Kooperationen unter den Professionellen der Jugendhilfe sowie unter den Akteur*innen aus Wissenschaft und Praxis zur Verfügung und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe in Wuppertal.