Nachgewiesene Wirkung
Der Erklärer der Farben: „Wir brauchen Evidenz, nicht nur ein Bauchgefühl“

Farbforscher Prof. Dr. Axel Buether // Foto Martin Jepp
Was macht ein Farbforscher?
Axel Buether taucht in die Geschichte ein und erklärt, wie Farben, einst als schöner Schein abgetan, mehr und mehr in Wissenschaft und Kunst Eingang gefunden haben. Farben gehörten lange Zeit in das Wissenschaftsfeld der Physik. Goethe habe im ersten Teil seiner Farbenlehre mit Spektren experimentiert und die Physik auch als Leitwissenschaft genannt, was diese aber vehement ablehnte. Erst im zweiten Teil des Buches widmete Goethe sich der sinnlich-sittlichen Wirkung der Farben, der Psychologie der Farben. „Er hat angefangen, die Wahrnehmung von Farben zu beschreiben, also den Einsatz von Farben in der Kunst, in der Umweltgestaltung und hat dann gesehen, es gibt Bedeutungen in den Kulturen, die sich auch ändern.“ Und das, so Buether, sei der Kern dessen, was ein Farbforscher mache.
Als solcher beschäftige er sich mit den empirischen Grundlagen und der Frage, woher die Farbwahrnehmung eigentlich komme, denn Farben seien ja nicht einfach da. Im Gegensatz zu Goethe beschäftigt sich der 200 Jahre später geborene Wissenschaftler auch mit der Biologie und fragt: Warum nehmen wir Farben wahr? Wie hat sich die Farbwahrnehmung entwickelt? Warum gibt es so viele Farben in der Welt? Warum gibt es 300.000 Blütenpflanzen, die unterschiedliche Farben und Früchte haben? Warum ist die ganze Natur von Farben geprägt?
Buethers Buch Die geheimnisvolle Macht der Farben geht diesen Fragen intensiv nach, denn Farben sind Bestandteil des Lebens, der Evolution und Diversität. „Das ist ein wichtiges Tätigkeitsfeld für mich, als Begründer der evidenzbasierten Farbpsychologie zu sagen, es gibt Evidenz, und zwar in der Biologie. Es gibt tausende von Experimenten, wie ich ja auch in meinem Buch zusammengetragen habe, warum Tiere Farben wahrnehmen und wie sie ihr Verhalten an der Farbe orientieren.“
Aufgrund dieser Grundlage müsse man nun in nahezu allen Disziplinen, also im Design, in der Kommunikation, in der Architektur, in der Kultur oder in der Kunst, über Farben sprechen. „Wir brauchen eine Evidenz, nicht mehr das Bauchgefühl des Farbschaffenden, sondern wir brauchen in den Wissenschaften jemanden, der Farben erklärt. Und ich bin momentan im gesamten deutschsprachigen Raum und oft auch bereits darüber hinaus, der, der die Wirkungen von Farben auf das menschliche Erleben und Verhalten auf empirischer Grundlage erklärt.“
Eine farblich gestaltete Umwelt
Farben spielen in unserem Leben eine wichtige Rolle und bestimmen auch unser Gemüt. In den dunklen Monaten, wenn es draußen trist, grau und nass ist, freuen sich alle auf den Frühling mit all seinen bunten, blühenden Farben. Und dann liest man, die Pantone Farbe des Jahres 2025 heißt Mocca Mousse, also braun. „Brauntöne, also gedeckte Naturfarben, die heute sehr stark in der Mode verbreitet sind, haben was mit Nachhaltigkeit zu tun. Unsere Zeit, wenn man die später bewertet, hatte das Schwerpunktthema Nachhaltigkeit und Umweltschutz.“
Buether fährt fort: „Farben, die gesund aussehen, wird man dann sagen, waren ein großes Thema. Ich bekomme am Tag ein oder zwei Anrufe von Journalisten, die genau solche Fragen erklärt haben wollen, also lebensnahe Fragen, die uns alle beschäftigen. Was haben Farben für einen Einfluss auf unser Gemüt, auf unsere Stimmung? Und dann bin ich wieder der Erklärer.
Man merkt dann, die Farben des Sonnenlichtes, also nicht nur die Intensität des Lichtes, sondern auch die Farbtemperatur zum Beispiel, hat Einfluss auf unseren Hormonhaushalt, auf unser vegetatives Nervensystem und auf unsere Motivation. Und dann kann man sich ganz gut vorstellen, wenn es gar nicht so richtig hell wird, der Himmel grau ist, dass auch die Motivationskurve sinkt. Man kommt nicht so richtig aus dem Bett, ist müde und zerschlagen. Und bestimmte Glückshormone, wie das Dopamin, werden nicht genügend gebildet. Dann ist es wichtig, Menschen mit einer bestimmten Beleuchtung und auch mit einer farbgestalteten Umwelt diese Energie zurückzugeben. Und das geht!“
Man müsse optimale Umgebungen schaffen, die gut für die Gesundheit seien. Die Menschen fühlten sich dann gesünder, motivierter und wertgeschätzter. Wie das geht? Zwar könne man keine Blumenwiese in einem Innenraum säen, aber man könne versuchen, die Natur des Menschen zu erkennen und diese für jeden entsprechenden Raum in Umgebungen zu übersetzen.
„Das fängt beim Kunstlicht an, oder dem Zugang zum Tageslicht und geht dann weiter zur Gestaltung aller Oberflächen im Raum: Fußboden, Wände, Decke, aber auch das ganze Interieur. Und dann fragt man, wo schlafe oder frühstücke ich denn gerne? Wo ruhe ich mich aus? Wo bin ich sehr aktiv? Und auf einmal merkt man, in so einer Landschaft gibt es bestimmte Orte, wo wir Dinge lieber tun, besser tun.“ Wenn man diese Atmosphäre in Innenräumen übersetzt, dann stellt man fest, ein Badezimmer sieht anders aus als ein Wohnzimmer, Schlafzimmer oder ein Arbeitsraum, oder auch ein Lernraum in der Schule. „Ich kann für jede Situation Atmosphären schaffen, die das fördern. Und wenn ich das richtig mache, habe ich tatsächlich gesündere, motiviertere, lebensfreudigere, arbeitswilligere Menschen als vorher.“
Farbcodierungen ändern sich
In seinem neuen Buch Die geheimnisvolle Welt der Farben geht Buether den alten Farbcodierungen nach, die sich langsam verlieren, wobei neue Codierungen an ihre Stelle treten. „Wenn man sich das Bild von Venedig anguckt, kann man sofort sehen, wer in welchem Haus wohnte, was für Berufe die Menschen hatten und in welchen sozialen Kontexten sie zu Hause waren.“ Alte Innenstädte seien ein Lesebuch.
Heutige Codierungen zielen dagegen auf das Design unsere Gebrauchsgegenstände ab. „Da kann man genau sehen, wer benutzt welche Gegenstände, aus welchem soziokulturellen Milieu kommt die Person, ist sie alt oder jung, arm oder reich, et cetera. Es gibt ganz komplexe Codierungen im Design, jeder Gebrauchsgegenstand ist praktisch für eine Zielgruppe codiert und in der visuellen Kommunikation merken wir, ich kann Produkte über Werbung, aber auch bestimmte Webseiten und Blogs, die alle ihre Zielgruppen haben, farblich kommunizieren. Man sagt beim Produktdesign, der Verkauf von ähnlichen Produkten ist zu 70 Prozent vom Farbdesign abhängig.“
Teure Produkte werden dabei farbneutraler. Das könne man beispielsweise bei Autos beobachten. Bei preiswerteren Produkten hingegen spiele auch die Modefarbe eine Rolle, die sich dann auch wieder ändere. „Jedes Jahrzehnt hat eine Stilrichtung, aber auch ihre Farbcodierung, an der man zum Beispiel Filme und Interieurs den 20er, 50er oder 70er Jahren zuordnen kann. Man nimmt die farblich codierte Atmosphäre des Filmraums wahr und weiß sofort, in welcher Zeit man sich befindet.“
Die manipulative Nutzung von Farben in der Lebensmittelbranche
Axel Buether sagt: „Bis zu 70 Prozent unserer Hirnkapazität ist mit der Erkennung und Dekodierung von Farben beschäftigt, wobei es nicht primär um Farben geht, sondern die hierüber mitgeteilten Inhalte.“
Der berühmte Philosoph Marshal McLuhan sagte einst dazu treffend: „The Medium is the Message.“ Eine solche Erkenntnis wird daher auch in Politik und Wirtschaft gerne manipulativ benutzt. Das funktioniere zum Beispiel mit dem Bild vom leckeren Essen und auch von Getränken, indem ich die Verpackungsfarben manipuliere, denn 90 Prozent unserer Waren sind verpackt. „Das perfekte Aussehen lässt uns zugreifen. Und da ist es wieder meine Aufgabe, die Absicht und Wirkung dieser Manipulationen zu erklären“, so Buether.
Was sagen Farben über den Charakter aus?
In seinem ersten Buch wollte Buether aufklären und wissenschaftliche Erkenntnisse für die Gesellschaft nutzbar machen. Das habe in Teilen auch funktioniert, jedoch sei das noch sehr theoretisch gewesen. „Ich habe viele Meldungen erhalten von Personen und Institutionen, die sich praktische Hilfe bei der Produkt- oder Raumgestaltung oder beim Marketing und der Öffentlichkeitsarbeit wünschten. Ein Großteil des Konsums funktioniert ja auch, weil Leute Modefarben kaufen, die schon im nächsten Jahr wieder unmodern sind, aber auch ständig Dinge kaufen, die sie eigentlich nicht brauchen und nicht zu ihnen passen oder nicht nachhaltig sind.“
Viele würden auch das kennen: Man steht vor dem Kleiderschrank und sagt ,Ich habe nichts anzuziehen‘. Hintergrund ist dann eher, dass die meisten Farben nicht zur eigenen Persönlichkeit und den alltäglichen Situationen passen.
Der Wissenschaftler arbeitet in seinem neuen Buch mit einem erweiterten Farbspektrum von insgesamt 2000 Farben. „Ich habe mich gefragt, wie kann man von dem einzelnen Menschen ausgehen? Was beschreibt denn auch das, was ein einzelner Mensch an Farben braucht? Das hat sehr stark mit einem selbst zu tun, also mit dem Charakter, der Eigenart einer Person.“
So definiert Buether nun Farbvorlieben von verschiedenen Personen und schaut, ob er anhand der Farben messen kann, welche Persönlichkeitsstruktur die Person hat. In Tests ließ er dazu die Kleiderschränke von hundert Proband*innen ausräumen und zu Farbkreisen arrangieren, bei der Form und Label nicht erkennbar waren, seine Teilnehmenden konnten allein anhand der Farbvorlieben der Person die wesentlichen Persönlichkeitsmerkmale bestimmen. „Ich kann sagen, wie offen oder verschlossen, wie extravertiert oder introvertiert eine Person ist. Ist sie gewissenhaft oder spontan.“
Zwar nähme jeder Mensch Einordnungen und Bewertungen bei jeder Begegnung oder dem Besuch eines Raumes vor, aber man wisse nicht, warum man das tue. „Wenn man darüber mehr weiß, kann jede und jeder für sich auch Farben für die eigene Wohnung, die Kleidung und Gebrauchsgegenstände aussuchen, die mehr zu ihm oder ihr passen oder einen bestimmten kommunikativen Zweck bei wichtigen Anlässen wie Bewerbungsgesprächen oder öffentlichen Auftritten erfüllen. Diese ganzen praktischen Fragen versuche ich durch evidenzbasierte Forschung und einen Persönlichkeitstest, der im Buch inkludiert sein wird und der auch zu den Farbvorlieben der Person führen wird, zu beantworten.“
Transfergeschichten
Dieser Beitrag wird von der Universitätskommunikation der Bergischen Universität zusätzlich veröffentlicht. Die „Bergischen Transfergeschichten“ zeigen an vielen Beispielen, wie Forschende mit ihren Ergebnissen Gesellschaft, Wirtschaft, Region und Alltag aktiv mitgestalten.
Sie finden den gesamten Beitrag auf der Internetseite des UniService Third Mission.