Datenerhebung abgeschlossen: Forschungsprojekt „SicherImSport“ berichtet über erste Befunde

04.11.2021|11:00 Uhr

Wissenschaftler*innen der Bergischen Universität Wuppertal und des Universitätsklinikums Ulm untersuchen aktuell im Forschungsprojekt „SicherImSport“ die Häufigkeiten und Formen von sexualisierten Grenzverletzungen, Belästigung und Gewalt im Vereinssport sowie den Umsetzungsstand von Schutzmaßnahmen in Sportverbänden. An dem vom Landessportbund Nordrhein-Westfalen geförderten Projekt beteiligen sich zehn weitere Landessportbünde, sodass deutschlandweit Daten erhoben wurden. Die Erhebungen wurden im Sommer dieses Jahres abgeschlossen, nun liegen die ersten Ergebnisse vor. Die Studie zeigt, dass sexualisierte Grenzverletzungen, Belästigung und Gewalt im Vereinssport vorkommen. Ein großer Teil der Sportverbände hat dieses Problem erkannt und Maßnahmen zur Prävention eingeführt.

Foto Colourbox

An der Onlinebefragung nahmen 4367 Vereinsmitglieder aus Deutschland teil. Damit ist die Befragung die größte Studie zu diesem Thema in Deutschland. Nach den Ergebnissen der „Safe Sport“-Studie aus dem Jahr 2016 können die Forscher*innen nun auch Daten zum Breitensport vorlegen.

Erste Zwischenergebnisse

Ein Viertel der befragten Vereinsmitglieder (26%) erfuhr mindestens einmal sexualisierte Grenzverletzungen oder Belästigungen (ohne Körperkontakt) im Kontext des Vereinssports, z. B. in Form von anzüglichen Bemerkungen oder unerwünschten Text-/ Bildnachrichten mit sexuellen Inhalten. Knapp ein Fünftel der Befragten (19%) erfuhr mindestens einmal sexualisierte Belästigung oder Gewalt mit Körperkontakt, z. B. sexuelle Berührungen oder sexuelle Handlungen gegen den Willen. Auch weitere Formen der Verletzung oder Gewalt wurden in der Studie erhoben. So gaben sechs von zehn Personen (64%) an, mindestens einmal emotionale Verletzungen oder Gewalt im Vereinssport erlebt zu haben, also z. B. beschimpft, bedroht oder ausgeschlossen worden zu sein. Vier von zehn Personen (37%) erfuhren mindestens einmal körperliche Verletzungen oder Gewalt, z. B. in Form von geschüttelt oder geschlagen werden und eine von zehn Personen (15%) erfuhr mindestens einmal Vernachlässigung im Vereinssport, z. B. trotz Bedarf, keine angemessene medizinische Versorgung erhalten zu haben.

Unterschiede zwischen Leistungs- und Breitensport

Zusammengefasst gaben gut zwei Drittel (69%) der Befragten an, mindestens einmal irgendeine Form dieser negativen Erfahrungen im Zusammenhang mit dem Vereinssport gemacht zu haben. Insgesamt wurde in der Hälfte der Fälle von wiederholten negativen Erfahrungen berichtet, vor allem bei emotionaler und körperlicher Gewalt.

Zugleich gab die Mehrheit der Befragten an, mit dem Vereinssport insgesamt allgemein gute bis sehr gute Erfahrungen gemacht zu haben. Bei den meisten Vereinsmitgliedern scheint somit der Vereinssport mit überwiegend positiven Erfahrungen verbunden zu sein.

Je höher das sportliche Leistungsniveau ist, desto größer scheint das Risiko zu sein, von Belästigung oder Gewalt betroffen zu sein. So berichten beispielsweise 84 Prozent der Befragten, die auf internationaler Ebene im Leistungssport aktiv waren, mindestens eine Erfahrung von Belästigung oder Gewalt. Dies trifft im Vergleich auf 53 Prozent derjenigen zu, die im Freizeit- oder Breitensport aktiv waren.

Maßnahmen zur Prävention und Intervention

In einer weiteren Teilstudie des Forschungsprojektes nahmen 92 Stadt- und Kreissportbünde sowie 215 Sport-Fachverbände in fünf Bundesländern teil und gaben mittels eines Fragebogens Auskunft über den Stand der Prävention und Intervention in ihrer Organisation. Fast alle befragten Verbände bestätigen, dass die Prävention von Gewalt allgemein und insbesondere der Schutz vor sexualisierter Gewalt ein relevantes Thema für sie ist. 63 Prozent der Stadt- und Kreissportbünde und 56 Prozent der Fachverbände gaben an, über fundierte Kenntnisse zur Vorbeugung von sexualisierter Gewalt zu verfügen. Allgemeine Präventionsmaßnahmen wie z. B. Ansprechpersonen zu benennen, Schulungsmaßnahmen durchzuführen und Führungszeugnisse einzusehen, sind in den Verbänden weit verbreitet. Risikoanalysen oder Konzepte zur Aufarbeitung von Vorfällen sind lediglich in gut einem Zehntel der Verbände vorhanden. Den größten Unterstützungsbedarf haben die Verbände bei der Beratung zum Umgang mit Verdachtsfällen oder Vorfällen.

Die Leiter*innen des Forschungsprojektes – PD Dr. Marc Allroggen und Dr. Thea Rau vom Universitätsklinikum Ulm sowie Prof. Dr. Bettina Rulofs von der Bergischen Universität Wuppertal – resümieren: Die Befunde der Studie bestätigen, dass sexualisierte Grenzverletzungen, Belästigung und Gewalt auch im Vereinssport vorkommen. Der Ausbau von Maßnahmen zum Schutz vor Belästigung und Gewalt sowie Anlaufstellen und Unterstützungsangebote für Betroffene im Sport sind wichtig.

Eine Zusammenfassung der Ergebnisse gibt es in diesem Factsheet.

Kontakt:
Prof. Dr. Bettina Rulofs
Arbeitsbereich Sportsoziologie
Telefon 0202/439-3818, -2303
E-Mail rulofs[at]uni-wuppertal.de, wahnschaffe[at]uni-wuppertal.de

PD Dr. Marc Allroggen
Universitätsklinikum Ulm
Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie
Telefon 0731/500-61636
E-Mail marc.allroggen[at]uniklinik-ulm.de

 

Hilfsangebote für Beratung oder Unterstützung

Wenn Sie selbst oder Personen in Ihrem Umfeld belastende Erfahrungen gemacht haben und Sie Unterstützung oder Beratung suchen, können Sie sich an folgende Hilfsangebote wenden, die alle kostenfrei und anonym sind:

Hilfe-Telefon Sexueller Missbrauch:Telefon 0800/2255530; www.hilfe-telefon-missbrauch.de

Bundesweites Opfer-Telefon des Weißen Rings: Telefon 116 006; https://weisser-ring.de

Infotelefon der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs: Telefon 0800/4030040; https://www.aufarbeitungskommission.de/ihre-geschichte/infotelefon-aufarbeitung/

Aufruf der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs an Betroffene aus dem Sport: https://www.aufarbeitungskommission.de/themen-erkenntnisse/sport/aufruf-sport/

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