Unternehmenserfolg
Prof. Dr. Michael Fallgatter / Wirtschaftswissenschaft
Foto: Markus Thomanek

Woran erkennt man ein erfolgreiches Unternehmen?

Ein Gespräch mit dem Wirtschaftswissenschaftler Michael Fallgatter vom Lehrstuhl für Personalmanagement und Organisation über Managementerfolg und dessen Entwicklung

Herr Fallgatter, Sie beschäftigen sich an Ihrem Lehrstuhl u.a. mit dem Thema Unternehmenserfolg. Woran erkennt man denn ein erfolgreiches Unternehmen?

Fallgatter: Die Frage nach Unternehmenserfolg wird in der Betriebswirtschaftslehre meistens mit finanzwirtschaftlichen Kennziffern beantwortet. Umsatz, Gewinn oder Rentabilitäten rücken damit in das Zentrum. Wo aber bleiben die gerade für Familienunternehmen so wichtige Verantwortung für die Belegschaft oder die von vielen Unternehmen verfolgten Nachhaltigkeitsbeiträge? Das heißt, finanzwirtschaftliche Indikatoren zeichnen für sich genommen ein verkürztes Bild unternehmerischer Realität. Sie müssen vor dem Hintergrund anderer Ziele interpretiert werden.

Zudem wird man ein erfolgreiches Unternehmen nicht nur anhand der bisherigen Geschäftstätigkeit bemessen, sondern auch an dessen Erfolgspotenzialen. Analyse, Prognose und Gestaltung der Wertschöpfung sind hier die Stichworte. Wie aber lassen sich positive Zukunftsaussichten bemessen? Dazu trägt die Analyse relevanter und bestandssichernder Ressourcen bei. Solche Ressourcen sind bspw. Human Ressourcen, Kapital oder Vorprodukte. Man erkennt, dass andere Personen und Institutionen den Ressourcenzugang prägen und entziehen können. Entsprechend ist es gerechtfertigt von Anspruchsgruppen oder Stakeholdern zu sprechen. Haben diese positive Erwartungen, dann werden sie auch weiterhin Ressourcen bereitstellen. Zukünftiger Unternehmenserfolg setzt damit die Zufriedenstellung von Anspruchsgruppen voraus.

Dies lässt allerdings noch keine Aussage über Wettbewerbsstärke und künftigen Erfolg zu. Erfolgspotenziale resultieren aus der Kombination verschiedener Ressourcen. Immer bilden Humanressourcen und das damit verbundene Wissen den Ausgangspunkt. Hinzu treten die Entwicklung unternehmensspezifischer Werte, die bspw. Dienstleistungsqualitäten oder Vorstellungen über die Zusammenarbeit zwischen Abteilungen definieren. Auch Erfahrungen, Reputation und bewährte organisatorische Lösungen lassen sich als relevante Ressourcen klassifizieren. Idealerweise entstehen Kernkompetenzen, die eine eigene und im besten Fall eine einzigartige Qualität darstellen. Manche Unternehmen sind besonders schnell bei der Sicherstellung von Servicequalität, andere sind stark bei der Schaffung immer neuer und qualitativ hochwertiger Produkte und andere beherrschen die Optimierung von Abläufen. Der Weg hin zu solchen Kernkompetenzen ist langwierig. Sie lassen sich am besten durch drei Merkmale erfassen. Sie sind historisch gewachsen, sozial komplex und oft auch kausal unverstanden. Das heißt, man kann gar nicht genau sagen, welche Personen, in welcher Art und Weise zu derartigen Kräften beitragen. Entsprechend handelt es sich um Wettbewerbsvorteile, da sie nur schwer und zumindest nicht kurzfristig kopierbar sind.

Man sieht, Unternehmenserfolg und dessen Entwicklung sind nicht einfach bestimmbar.

Sie haben 2020 ein Buch zu diesem Thema unter dem Titel „Management und Managementerfolg“ herausgebracht, in dem Sie sich auch mit Managementfehlern auseinandersetzen. Was kann denn z.B. Unternehmen in die Schieflage bringen?

Fallgatter: Man liest viel über Managementfehler. Im Nachhinein sind solche Aussagen immer einfach. Betrachtet man die Unsicherheit von unternehmerischen Entscheidungen so sind Managementfehler nicht mehr so einfach zu bestimmen. War es vor einigen Jahren ein Fehler, auf die Stabilität von Lieferketten zu vertrauen oder mit einem moderaten Gaspreis zu kalkulieren? Anders sieht es aus, wenn bspw. Unternehmensübernahmen an der schwierigen Vereinbarkeit von Unternehmenskulturen oder an nicht passenden Personalmanagementstrukturen scheitern. Das sind keine seltenen Fälle. Mein Lehrbuch bietet dafür Lösungen an.

Typische Managementfehler sehe ich vielmehr in grundlegenden Haltungen von Führungskräften. Sie führen oft dazu, dass Potenziale von Mitarbeitenden ungenutzt bleiben. Das geht letztendlich nicht nur zu Lasten von Unternehmen, sondern auch der Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Menschliche Grundkonstanten, wie das Streben, sich einzubringen, gehört zu werden und Verantwortung zu übernehmen geraten in den Hintergrund. Werden Individuen als „Low Performer“ klassifiziert, dann stelle ich immer die Frage, sind die Menschen so oder sind sie das Ergebnis einer einengenden Struktur? Sind erst Misstrauensstrukturen in Unternehmen etabliert, so produzieren sie schwache Leistungen und damit das, was sie begrenzen sollen. Derartige Haltungen von Führungskräften sind für mich die eigentlichen Managementfehler.

Sie sagen, "Management richtet sich auf unternehmensspezifische Wertschöpfung“, d.h. die Transformation von Ressourcen in Produkte oder Dienstleistungen. Und das geschehe neben dem Einsatz von Maschinen oder Software maßgeblich durch Führungskräfte und Mitarbeiter. Jetzt lesen wir aber immer häufiger, dass sich Mitarbeiter nicht mehr mit Ihren Betrieben identifizieren und Arbeitgeber umdenken müssen. Hat man das Thema Mitarbeiterpflege zu sehr vernachlässigt?

Fallgatter: Arbeitszufriedenheit und organisatorische Selbstbindung – also, dass was man neudeutsch als Committment bezeichnet - sind sehr gut erforschte Konstrukte. Dass Identifikation und Bindung systematisch sinken, lässt sich nicht feststellen. Allerdings sind diese Themen auch keine Selbstläufer. Die motivierende Gestaltung von Arbeitsplätzen, individuelle Freiheiten und zugewandte Führungsstile haben eine enorme Bedeutung. Auch die sogenannte prozedurale und die distributive Gerechtigkeit prägen die Identifikation stark. Erstere richtet sich auf das konsistente und transparente Zustandekommen von Entscheidungen über Gehälter, interessante Projekte und Entwicklungsperspektiven. Die distributive Gerechtigkeit liegt dann vor, wenn die Verteilung solcher Entscheidungen auf verschiedene Individuen als passend wahrgenommen wird.

Welche Motivationsmöglichkeiten können denn Arbeitgeber den Beschäftigten bieten?

Fallgatter: Motivation beschreibt, mit welcher Intensität und Dauerhaftigkeit unternehmensbezogene Ziele angestrebt werden. Wir unterscheiden zwischen extrinsischer und intrinsischer Motivation. Erstere wird bei Individuen durch andere Personen hinzugefügt. Anerkennung von Vorgesetzten und Kollegen, Vergütung oder kommunizierte Perspektiven sind gute Beispiele dafür. Demgegenüber entstammt die intrinsische Motivation aus der Tätigkeit selbst. Sind Aufgaben vielfältig, abgeschlossen und haben sie eine große Bedeutung für andere, dann ist das eine solide Basis. Sind Tätigkeiten zudem so strukturiert, dass sie den Arbeitsfortschritt rückkoppeln und Autonomie zulassen, dann besteht eine gute Wahrscheinlichkeit, intrinsische Motivation auszulösen. Das lässt sich gut beschreiben und sogar arbeitsplatzspezifisch prognostizieren.
Ein Punkt scheint mir dabei noch sehr wichtig zu sein: Es ist üblich, Mitarbeiterleistung mit Motivation gleichzusetzen. Dies ist aber eine Reduktion. Motivation baut immer auf Haltungen wie Arbeitszufriedenheit, Committment und Vertrauen auf. Sind diese Haltungen nur schwach ausgeprägt, so lässt sich auch allenfalls kurzfristig Motivation auslösen. Man braucht dann immer wieder neue und teure extrinsische Anreize. Genauso wichtig für die Leistung und Produktivität sind geteilte Werte. Diese füllen jene Lücken, die bei Aufgabenstellungen nicht formal geklärt werden können. 

Der Fachkräftemangel ist ein Dauerthema und junge Menschen wollen häufig nur noch eine 30-Stunden-Woche, was für viele Unternehmen schwierig ist. Wie gehen erfolgreiche Unternehmen damit um?

Fallgatter: Es existieren aktuelle Studien aus Großbritannien und Skandinavien, die eine Viertagewoche als vorteilhaft analysieren. Positive Wirkungen resultierten aus einer gestiegen Arbeitszufriedenheit und der besseren Vereinbarkeit mit privaten Belangen. Allerdings wurde dies vornehmlich bei Nischenunternehmen untersucht, die überwiegend im Dienstleistungsbereich aktiv sind und mit neuen Medien zu tun haben. Eine Übertragung auf die Mehrheit von Unternehmen schätze ich als problematisch ein.
Hinter der Forderung nach Arbeitszeitverkürzungen steht die so präsente Diskussion um die Work/Life-Balance. Ich empfinde diese als überzogen, denn ich schätze die Bedeutung von Arbeit für ein erfülltes Leben als hoch ein. Entsprechend erschließt sich mir nicht, warum „Arbeit“ als Gegensatz zum „Leben“ in Stellung gebracht wird und das Ganze auf 30 Stunden hinauslaufen soll.

Sie schildern in Ihrem Buch auch viele Praxisbeispiele.

Fallgatter: Ja, denn, wenn man ein lebendiges und facettenreiches Forschungsfeld hat, dann sind Praxisbeispiele geradezu ein Selbstläufer. Die Welt von Unternehmen besteht nun mal aus den Möglichkeiten individuelles Handeln zu beeinflussen. Entsprechend kann es gar nicht sein, dass die von mir beschriebenen Konfigurationen von Organisationsstrukturen, Personalmanagement, emergenten Phänomenen sowie organisatorischem Wandel nicht beobachtbar sind. Die Welt ist voll davon.

Sie sind nun schon seit 19 Jahren an der Bergische Universität und kennen viele Firmen des Bergischen Landes. Wie erfolgreich arbeiten die Managements der Region?

Fallgatter: Studierenden, die am Ende ihres Bachelor- oder Masterstudiums stehen, empfehle ich regelmäßig mittelständische Unternehmen der Region als Arbeitgeber an erste Stelle zu rücken. Wo kann man eine vergleichbare Vielfalt an spannenden Themen kennenlernen und so rasch Erfahrungen sammeln? Die vielen so gut positionierten Unternehmen unserer Region sind nach meiner Einschätzung hervorragende Arbeitgeber. Viele Absolventen von uns schlagen dann auch diesen Weg ein. Wenn ich höre, dass sie mit Begeisterung und dann auch noch fünf Tage in der Woche arbeiten, so freut mich das sehr.

 

Uwe Blass

Prof. Dr. Michael Fallgatter leitet den Lehrstuhl für Personalmanagement und Organisation an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaft der Bergischen Universität Wuppertal, der Schumpeter School of Business and Economics.

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