Affenpocken in Deutschland
Dr. Jean Baptist du Prel / Sicherheitstzechnik/Arbeitswissenschaft
Foto: UniService Transfer

Affenpocken in Deutschland

Der Epidemiologe Priv-Doz. Dr. Jean Baptist du Prel über eine nicht zu unterschätzende Virusinfektion

„Man muss immer wachsam sein“, sagt Priv.-Doz. Dr. Jean Baptist du Prel, Epidemiologe an der Bergischen Universität, denn „man sieht den Leuten manchmal nicht an, dass sie infiziert sind.“ Erste Fälle von Affenpocken, die ursprünglich 1970 in Zaire, der heutigen Demokratischen Republik Kongo, festgestellt wurden, konnten im Mai letzten Jahres in Deutschland identifiziert werden. Etwa 3700 Fälle wurden seither dem Robert Koch Institut (RKI) gemeldet. Nach einem ersten Anstieg der Fallzahlen gingen diese im Herbst bereits wieder zurück. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte eine Gesundheitsnotlage ausgerufen. Diese hatte sie im Mai diesen Jahres auf Grund der gesunkenen Fallzahlen wieder zurückgenommen, mit dem Hinweis, dass aufgrund der Wichtigkeit weitere Präventionsmaßnahmen ergriffen und intensive Forschung betrieben werden sollten.
„Bei den Affenpocken, heute als Mpox bezeichnet, handelt es sich um eine sogenannte Zoonose, d.h. die Erkrankung wird von Tieren auf den Menschen übertragen. In diesem Fall sind es Säugetiere, also Nagetiere, oder eben auch Affen.“ Daher komme auch der Name, erklärt der Fachmann. „Mpox steht für Monkeypox, also Affenpocken, aber man vermeidet heute diese Bezeichnung.“ Das Virus wurde 1958 erstmalig in Affen entdeckt, mit den Ausbrüchen heute haben sie meist aber nichts zu tun. Die WHO entschied sich im November 22 für die Namensänderung, da sie generell bei Krankheiten jegliche Hinweise auf Länder, Regionen oder Tiere vermeiden will.

Lange Inkubationszeit

Affenpocken sind eine Verwandte der seit 40 Jahren ausgerotteten Pocken. Ihre Inkubationszeit ist sehr lang und Menschen sind auch schon vorher ansteckend. „Das ist wie bei vielen anderen Infektionserkrankungen tatsächlich ein Problem“, erklärt du Prel, „weil man ein wenig im Dunkeln agiert, denn man sieht den Leuten vor Auftreten der ersten Krankheitssymptome nicht an, dass sie infiziert sind. Sie können aber schon ansteckend sein. Die Inkubationszeit beträgt fünf bis einundzwanzig Tage und das ist ein relativ langer Zeitraum.“ Erschwerend komme hinzu, dass es auch Fälle gebe, die nie die klassischen Krankheitssymptome entwickelten, aber trotzdem ansteckend seien, weil ein Teil bei engem Kontakt auch über den Atemtrakt verbreitet werden kann. Typische Symptome einer Mpox-Infektion sind Bläschen und Pusteln, die mit der Zeit verkrusten und abfallen, auch im Genital- und Analbereich.

Erste erfolgreiche Pockenimpfung
Der Landarzt Edward Jenner infiziert am 14. Mai 1796 den Sohn seines Gärtners mit Kuhpocken, um ihn gegen Menschenpocken zu immunisieren
Foto: wikipedia / gemeinfrei

Ansteckung über Hautkontakt

Der Hauptübertragungsweg ist der enge Hautkontakt“ erläutert du Prel, „insbesondere diese klassischen Ausschläge haben die höchsten Viruskonzentrationen. Eine klassische Situation entsteht beim Sexualkontakt, weil da eben der Hautkontakt besonders eng ist und auch im Genital- und Analbereich diese Ausschläge auftreten können. Da ist die Gefahr der Kontamination besonders hoch.“
Erschwerend komme hinzu, dass die Infektion nicht immer leicht zu erkennen sei. Da die Symptome variabel seien, könne Mpox auch mit Windpocken verwechselt werden. Und Scham spielt natürlich auch eine Rolle, wodurch Infizierte zu spät zum Arzt gehen und ggfls. bereits andere angesteckt haben.

Mehr Männer als Frauen betroffen

In der Regel sind unter den Infizierten mehr Männer als Frauen betroffen. Insbesondere unter Männern, die sexuelle Kontakte mit anderen Männern haben, werden die Infektionen häufiger beobachtet, sagt du Prel, wobei Mpox nicht ausdrücklich als Geschlechtskrankheit gewertet werden dürfe. „Klassischerweise wird Geschlechtskrankheit ja so definiert, dass die Übertragung durch Samenflüssigkeit oder Vaginalsekret erfolgt. Aber das weiß man bei Mpox noch nicht so genau. Hier ist es so, dass durch den Sexualkontakt eben vor allem dieser Hautkontakt die entscheidende Rolle spielt, insofern ist es keine Geschlechtserkrankung nach klassischer Definition.“
Der geschilderte Übertragungsmechanismus weise auch direkt auf die Schutzmaßnahmen hin, die man ergreifen könne. „Man sollte engen Hautkontakt vor allem dann vermeiden, wenn Personen einen Ausschlag haben, denn dann ist die Ansteckungsgefahr am größten. Es gibt aber auch die Möglichkeit, sich impfen zu lassen. Die STIKO (Ständige Impfkommission Anm. d. Red.) hat eine Empfehlung einer Indikationsimpfung für Risikogruppen aufgestellt. Der Impfstoff heißt Imvanex. Das ist ein Pockenimpfstoff der dritten Generation, der für den Fall eines Ausbruchs mit 85%er Wahrscheinlichkeit schützt.“

Gefahr gebannt?

Die WHO hat die ausgerufene Gesundheitsnotlage im Mai zurückgenommen. Trotzdem betont die Direktorin der WHO-Abteilung für Epidemie- und Pandemievorbereitung, Sylvie Briand: „Das Virus könnte sich verändern, ansteckender werden oder eine anfällige Bevölkerungsgruppe infizieren, die bisher verschont geblieben ist“, und meint damit Schwangere und Kleinkinder.
Der Erreger gehört nach wie vor zu den drei gefährlichsten Virengruppen aus der Tierwelt. Daher empfehlen Experten auch die konsequente Überwachung. Rosamund Lewis, Affenpockenexpertin der WHO sagt sogar: „Wir könnten in drei Jahren eine Virusvariante haben, die deutlich weniger gut einzudämmen ist – das ist ein echtes Risiko.“ Und auch du Prel erklärt abschließend: „Marginal ist das Problem nie in Europa, es kann immer wieder ein neuer Ausbruch auftreten. Ich denke, Ärzte sollten auch bei unklarem pockenähnlichen Ausschlag immer an die Mpox-Viren denken.“

Uwe Blass

Jean-Baptist du Prel studierte Humanmedizin an der Universität Würzburg, wo er 2000 auch promovierte, und Public Health an der Universität Düsseldorf. Er war Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Epidemiologie am Deutschen Diabetes-Zentrum mit Lehrtätigkeit in der Epidemiologie und medizinischen Biometrie an den Universitäten Mainz und Ulm. Seit 2015 ist er Mitarbeiter in der wissenschaftlichen Leitung des Lehrstuhls für Arbeitswissenschaft an der Bergischen Universität, wo er u.a. Präventivmedizin lehrt.

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