Prof. Dr. Maria Anna Kreienbaum / Human- und Sozialwissenschaften
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„Wenn man nach Sambia fährt, dann tritt man in eine andere Welt ein“

Prof. Dr. Maria Anna Kreienbaum und das Forschungsprojekt Sambia

Internationale Kontakte sind ein Markenzeichen des wissenschaftlichen Engagements von Maria Anna Kreienbaum. Oft ist sie mit Studierenden zu Erkundungsfahrten in andere Länder aufgebrochen, zunächst um die Schulsysteme der europäischen Nachbarstaaten zu erkunden. Darum ging es auch in den EU-geförderten Projekten LinE (2004-2007) und Eule (2007-2009). Die Partnerschaft mit der MidSweden University (seit 2010) liegt ihr am Herzen, und nicht zuletzt die Kooperation mit Sambia im südlichen Afrika. Dorthin ist sie schon mehrmals mit Gruppen von Studierenden gereist, um das Land und seine Menschen und insbesondere das Bildungssystem kennenzulernen.

„Denkt man an Afrika, dann fallen einem zuerst die Tiere ein: Und in Sambia sieht man tatsächlich Elefanten, Giraffen und Affen, die einfach über die Straße laufen. Dann fällt die Weite des Himmels auf. Aber man sieht auch Elend und Armut. Dadurch wird man vor ziemlich viele Herausforderungen gestellt“, sagt Maria Anna Kreienbaum, Professorin für Theorie der Schule und Allgemeine Didaktik in der Fakultät für Human- und Sozialwissenschaften in Wuppertal. Seit 1999 bereist sie zunächst privat, seit 2001 mit Studierenden den Binnenstaat im südlichen Afrika und ist maßgeblich für die Kooperation der Bergischen Universität mit der University of Zambia, kurz UNZA, verantwortlich.

University of Zambia – ein Experiment mit kulturellen Tücken

Die Kontakte zu diesem südafrikanischen Land brachte die Wissenschaftlerin über ihre Hochschultätigkeiten in Gießen und Paderborn 2006 mit nach Wuppertal, als sie hier ihren Lehrstuhl übernahm. Immer wieder lud sie Gastdozenten aus Sambia nach Deutschland ein und reiste 2010 und 2014 mit einer Wuppertaler Studierendengruppe nach Sambia. Zum Programm gehörte auch der Besuch der University of Zambia, kurz UNZA genannt, in der Hauptstadt Lusaka. So wurde die Kooperation angebahnt. Der Wunsch nach einer langfristigen Kooperation habe aber so seine kulturellen Tücken. „Es ist nicht leicht mit den Kollegen der School of Education dort verlässliche Kontakte zu pflegen“, formuliert Kreienbaum vorsichtig. „Man ist nicht so verbindlich in der Kommunikation“, bedauert sie. Emails werden oft nicht beantwortet. Dann hilft es, sich ans dortige Akademische Auslandsamt zu wenden. Im engen Kontakt zu deren Leiterin, die die beteiligten Personen vor Ort persönlich aufsucht, konnte 2016 endlich das Memorandum of Understanding und 2018 das Agreement unterzeichnet werden. Im gleichen Jahr kam die erste Gruppe sambischer Studierender nach Wuppertal. Maria Anna Kreienbaum und ihre Mitarbeiterin Ronja Hahmann organisierten ein Programm, das neben wissenschaftlichem Austausch auch politische und kulturelle Einrichtungen umfasste und so das Leben in Deutschland erfahrbar machte.

Von Entwicklungshilfe, neuen Kolonialmächten und engagierten Initiativen

Die Wuppertaler Pädagogin weiß um die ambivalenten Aspekte der Entwicklungszusammenarbeit. Früher sprach man von „Hilfe“ und dabei ist klar, wer geben und wer nehmen kann. Begegnungen, die auf Augenhöhe erfolgen, sind für ihre Programme das erklärte Ziel. Auf der offiziellen politischen Ebene stimmt sich Deutschland mit rund 20 Staaten ab. Dazu gehören mehrere EU-Länder und Japan. „Deutschland ist zum einen für gutes Wasser (Trinkwasser, Abwasser) zuständig und für die Demokratisierung in Gemeinden, also für so ein dezentrales Demokratisierungsprogramm. Norwegen und Finnland unterstützen in Bildungsfragen, die Niederlande in Sonderpädagogik, Japan baut Schulen und Straßen. So teilt man sich das auf. Nur China macht seine eigene Politik und investiert in Projekte, die ihm zugutekommen, ist im Kupfer- und Kohlebergbau aktiv“ erläutert Kreienbaum. China tritt auf wie eine neue Kolonialmacht. „Die Chinesen investieren und sie fragen auch gar nicht, wie das politische System aussieht, möchten aber natürlich auch selber nicht gefragt werden.“

Neben der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit gibt es in Deutschland zahlreiche christlich und anders geprägte Organisationen, die einzelne Projekte oder Regionen verlässlich unterstützen. Der Verein „Beruf und Zukunft in Sambia“ hat ein Pendant auf sambischer Seite und baut Schulgebäude in ländlichen Regionen. „So wird dafür gesorgt, dass z.B. in einer Gegend, wo es bislang keine Schulen gab, jetzt eine anspruchsvolle Schule steht. Aktuell baut man ein Hostel, weil die Kinder vom Land nicht jeden Tag zu Fuß einpendeln können. Sie haben da einen sicheren Platz, wo sie in der Woche wohnen können“, berichtet Kreienbaum, die selber mit der Gossner-Mission kooperiert. Diese vor 180 Jahren von Johann Evangelista Gossner (deutscher Theologe und Sozialreformer) als Missionsgesellschaft in Berlin gegründete Stiftung betreibt u.a. auch ein Gästehaus in Lusaka, das die Wissenschaftlerin bei ihren Reisen zum Ausgangspunkt wählt. „Zum Liaison Office der Gossner Mission in Lusaka gehört das Gästehaus. Wenn man aus Europa kommt, ist das ein wunderbarer Ort zum Ankommen, sich zu akklimatisieren und von da zu starten“, freut sich die Forscherin. In Sambia hat die Gossner Mission seit den 1960er Jahren Entwicklungshilfe geleistet.

Der lange Weg in die Wirtschaftlichkeit

„Wenn man nach Sambia fährt, dann tritt man in eine andere Welt ein“, sagt Kreienbaum und diese Welt muss man verstehen lernen. Daher stellen sich ihre Studierenden auch den Gegebenheiten vor Ort, besuchen in den traditionellen Dörfern Projekte, die z.B. über Mikrokredite gefördert werden. „Sambia ist ein Land, in dem nur 10 oder 15 Prozent der Fläche, die man landwirtschaftlich nutzen könnte, tatsächlich bestellt wird, und nur 30 Prozent der Menschen arbeiten sozialversicherungspflichtig. Die anderen arbeiten von der Hand in den Mund, bauen etwas an, verkaufen es auf dem lokalen Markt und kriegen ein bisschen Geld, etwa für Schuhe. Mikrokredite helfen da.“ Sie berichtet von einem Projekt, das sich an alleinstehende Frauen richtet. Sie erhalten ein Ziegenpaar, zunächst leihweise. Wenn die Ziegen Junge kriegen, werden die ans Projekt zurückgegeben. Ab dann gehen die geliehenen Ziegen in ihr Eigentum über. Weitere Nachzucht sichert dann einen kleinen Profit, mit dem man z.B. das Schulgeld der Kinder bezahlen kann“, erklärt sie. Bei den Reisenden stelle sich eine Art Demut ein und man lerne zu schätzen, wie privilegiert man aufgewachsen sei.

Wer in Sambia studieren möchte, braucht zumeist ein Stipendium. Die werden oft erst mit Verzögerung ausbezahlt, so entstehen mitunter lange Wartezeiten. „Diese Verschwendung von Lebenszeit und Ressourcen, die ist furchtbar schwer zu ertragen“, bedauert die Wissenschaftlerin. Dabei sei die Lage für Frauen im Beruf eigentlich gut. Kreienbaum weiß, dass viele Positionen an der Universität mit Frauen besetzt sind und auch bei der Polizei und im Lehrberuf seien Frauen beschäftigt.

Forschungskontext Sambia – erster Kongress in Wuppertal

„Es passiert nicht selten, dass jemand nach Afrika fährt und schon beim ersten Besuch direkt die Lösung für die drängendsten Probleme hat“, sagt sie. Solche Schnellschüsse berücksichtigen oft nicht die gesellschaftlichen Bedingungen. „Mit unseren Maßstäben die dortigen Probleme zu bewerten, ist meist stark verkürzt. Auch bei Forschungsprojekten ist es nicht leicht, gültige Erklärungen für beobachtbare Phänomene und Prozesse zu finden.“

Für den 3. und 4. Februar 2020 plant Professor Kreienbaum den ersten bundesweiten Kongress mit dem Arbeitstitel „Forschungskontext Sambia“. Wissenschaftler*innen, die im Kontext Sambia forschen, stellen dabei ihre Projekte vor und ihre Befunde zur Diskussion.
Ich habe schon vor einiger Zeit angefangen auf den Homepages der deutschen Universitäten Menschen mit Sambia-Bezug zu suchen. Und die Liste hatte 60 – 80 Namen. Die habe ich alle angeschrieben“, führt sie aus „und die Reaktionen waren durchweg positiv“. Zu dieser Tagung erwartet sie Wissenschaftler*innen unterschiedlichster Disziplinen. „Es gibt bei diesem Kongress medizinische, geographische, sozialwissenschaftliche, politikwissenschaftliche und historische Projekte“, berichtet sie begeistert. Von dieser ersten deutschen Hochschulzusammenkunft erhofft sich die Wissenschaftlerin den Aufbau eines Netzwerkes mit regelmäßigem Austausch. Die Erfahrungen dieses Kongresses könnten helfen beim interdisziplinären Wissenstranfer. Auch die Universitätspartnerschaft zwischen Wuppertal und Lusaka könnte dadurch gestärkt werden.

Uwe Blass (Gespräch vom 15.11.2019)

 

Maria Anna Kreienbaum studierte Anglistik und Germanistik auf Lehramt und habilitierte sich 2000 in Dortmund. Sie lehrte an der Justus-Liebig-Universität Gießen sowie an der Universität Paderborn. 2006 übernahm sie den Lehrstuhl für Theorie der Schule/ Allgemeine Didaktik an der Bergischen Universität.

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