Prof. Dr. Peter Witt / Technologie- und Innovationsmanagement
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„Wir sind nicht nur theoretisch, denn wir beschäftigen uns mit der wirtschaftlichen Führung von Unternehmen.“

Professor Dr. Peter Witt und die Aufgaben des Lehrstuhls für Technologie- und Innovationsmanagement an der Bergischen Universität

Wie bringt man die Wirtschaft und die Wissenschaft besser zusammen, und was macht eigentlich einen erfolgreichen Gründer aus? Diese Fragen beschäftigen u.a. den Lehrstuhlinhaber für Technologie- und Innovationsmanagement, Professor Dr. Peter Witt, der seit 2010 an der Bergischen Universität forscht und lehrt.
„Der Wissenstransfer ist ein wichtiges Thema für uns“, sagt Peter Witt direkt zu Anfang und erklärt, dass sein Lehrstuhl zunächst durch eine Art Kundensicht herauszufinden suchte, was die Universität für die Wirtschaft tun könne, um eine sinnvolle Zusammenarbeit dauerhaft zu gewährleisten. „Man versucht sich näher zu kommen. Das ist bei manchen Unternehmen relativ leicht, da sie offen sind für Hochschulkontakte. Andere, mittelständische Unternehmen, legen aber eine gewisse Zurückhaltung an den Tag, weil sie oft nicht genau wissen, was wir machen.“ Daher wendet sich Witt direkt an die Unternehmen und lädt diese in seine Veranstaltungen ein. „Wir laden Firmenvertreter ein, die entweder von innovativen Unternehmen kommen oder sich mit Innovationsmanagement und Technologiemanagement beschäftigen. Das hat für unsere Studierenden den Vorteil, dass sie diese Firmen schon mal kennen lernen.“

Von Knipex bis EON

Und die Bandbreite der hiesigen Firmenkontakte kann sich sehen lassen. Angefangen von den Wuppertaler Stadtwerken - im Master Energie der Wirtschaftsingenieure der Fakultät Elektrotechnik, Informationstechnik und Medientechnik kooperieren die Wirtschaftswissenschaftler eng zusammen - über die Energieriesen EON und RWE bis hin zu weltweit vernetzten Bergischen Firmen wie Vaillant, Knipex, Schmersal, EDE und Vorwerk bestehen gute, regelmäßige Kontakte. Offenheit ist das Stichwort und da tastet man sich langsam aneinander heran. Eine hilfreiche und sinnvolle wechselseitige Beziehung sieht der gebürtige Bonner in der Vermittlung von Praktika sowie der gemeinsamen Betreuung von Abschlussarbeiten. „Die Firmen brauchen gut ausgebildete Leute und unsere Studierenden können das Unternehmen einmal kennenlernen, im Praktikum mal schauen, ob es ihnen gefällt, und lernen so potentielle Arbeitgeber kennen“, erklärt der Wissenschaftler. „Aus unserer Sicht ist das etwas sehr Positives. Abschlussarbeiten in Zusammenarbeit mit Unternehmen nutzen beiden Seiten.“

Forschungsschwerpunkt Familienunternehmen

In den letzten Monaten standen bedeutende Familienunternehmen im Fokus der Presse. Die Schlecker-Pleite sowie der Adoptionsstreit des Kaffeepatriarchen Darboven sind Beispiele, die auch von der Forschung verfolgt werden. „Es gibt eine ganz intensive Forschung, die zeigt, diese Familienunternehmen haben Vor- und Nachteile im Vergleich zu Nicht-Familienunternehmen“, sagt Witt. „Eines der Hauptprobleme ist die Nachfolge“, denn natürlich sollte alles in der Hand der Familie bleiben. Doch das Nachdenken darüber, weiß Witt aus Erfahrung, setzt oft erst kurz vor dem Ruhestand ein. Und das ist in den Augen des Wissenschaftlers der größte Fehler.
„Es gibt da so einen Witz“, schmunzelt der 52-Jährige, „der sagt, mit 50 merkt man selber, dass die Kräfte nachlassen, mit 60 merken es auch die anderen und mit 70 merken es nur noch die anderen.“ Beobachtungen zeigen, dass die Übergabe oft zu spät erfolgt. Eine Nachfolge an die eigenen Kinder scheitert häufig an deren Unwillen oder an der schlichten Tatsache, dass der Nachwuchs ungeeignet ist. „Und dann müssen diese Familienunternehmen sich doch für das öffnen, was wir externes Management nennen. Vaillant z. B. wird vollkommen von Fremdmanagern geleitet, die Familie ist da nur noch im Gesellschafterausschuss und Beirat vertreten. Herr Putsch von der Firma Knipex ist wiederum ein Beispiel für ein eigentümergeleitetes Familienunternehmen. Er ist Eigentümer in der vierten Generation, Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer. Das Management liegt in den Händen der Familie.“

Corporate Venturing-Aktivitäten

Ein weiterer Bereich seines Lehrstuhls beschäftigt sich mit der Unterstützung von internationalen Unternehmen in Corporate Venturing-Aktivitäten. Das sind Kooperationen mit Start-ups, von denen beide Seiten profitieren. „Das ist für ein großes Unternehmen erst mal ungewöhnlich, weil sie eigene Geschäfte haben. Aber der typische Fall ist, ich will neue Produkte entwickeln, stelle jedoch fest, ich kann das nicht alles mit eigener Forschung und Entwicklung machen und ich suche dann nach externen Partnern“, erklärt Witt. „So ein typischer Fall des Corporate Venturing (Risikokapital) wäre, ich beteilige mich an Start-ups.“ Eine weitere Form bildet die direkte Kooperation mit einer Hochschule. „Und da sind wir wieder voll bei unserem Thema. Ich kooperiere mit einer Hochschule und entwickele wirklich gemeinsam Verfahren oder Produkte. Aus Hochschulsicht sind das Drittmittelprojekte, aus Unternehmersicht ist das Corporate Venturing.“ Und auch eine dritte, sehr viel modernere Variante gibt es. Unter dem Stichwort Inkubator oder Accelerator bilden manche Firmen kleine, separate Einheiten. „Da holt man die kreativen Leute rein und sagt, jetzt entwickelt ihr mal was, abseits unseres regulären Geschäfts.“ Als Beispiel nennt er das Unternehmen Vaillant, das in der Forschung und Entwicklung lange Zeit eigentlich immer nur Vorhandenes verbesserte. „Und die überlegen jetzt, eine separate Einheit zu bilden, um mehr Kreativität freizusetzen.“ Durch mehr innovative Ideen, ohne das ständige Controlling, den klassischen Innovationsreport, entstehen so neue Firmenideen.

Was macht eine erfolgreiche Führungskraft aus?

In der Führungskräfteentwicklung sieht Professor Witt ein wichtiges, aber auch schwieriges Thema, dem sich manche Hochschulen jedoch bereits widmen. „Der größte Anbieter in dem Feld ist die ESMT (European School of Management and Technology), sagt Witt. Von Unternehmen gegründet, ist sie ein wesentliches Standbein in der Führungskräfteausbildung. Ein anderes Beispiel - bei Banken - ist die Frankfurt School of Finance and Management, die ebenfalls sehr stark gewachsen ist und neben klassischen Studiengängen auch Führungskräfteentwicklung anbietet.
Auf die Frage nach der Beschreibung einer guten Führungskraft sagt der Wissenschaftler: „Die klassische Aufgabe ist das, was man Leadership nennt, also die Leute motivieren, inspirieren, Visionen setzen, delegieren und managen im eigentlichen Sinne!“ Das allein reicht heute aber nicht mehr aus. „Mittlerweile wird von Führungskräften erwartet, dass sie auch innovativ, agil und disruptiv sind“, fährt Witt fort und sieht da auch die Schwierigkeiten. „Von ihrem klassischen Verständnis als Manager machen die das, was in der Arbeitsbeschreibung steht. Die sind nicht darauf ausgebildet, nebenbei noch eine Stunde am Tag ein ganz neues Geschäft zu entwickeln.“ Und da setzen Führungsentwicklungsthemen an, die sich mit Innovationskultur beschäftigen. Da werden Seminare zum Thema Change-Management angeboten, die die Idee einer schnelleren, unbürokratischeren und sich verändernden Vorgehensweise behandeln. „Der dritte große Klassiker ist immer Strategie“, erläutert der Fachmann, „da sind die McKinseys der Welt unterwegs, aber auch die Business Schools wie die London Business School, die Harvard Business School oder die WHU – Otto Beisheim School oft Management. Die machen Führungskräfteentwicklung vor allem im Bereich Strategie.“

Scheitern ist kein Stigma: Gründungserfahrungen helfen immer

Eine ganz andere Zielgruppe universitärer Ausbildung sind junge Gründer, die eine gute Idee auf den Markt bringen wollen.
Dazu Witt: „Es gab ja mal die Vermutung, dass man jahrelang Managementerfahrung sammeln muss, um erfolgreich ein Unternehmen zu führen. Das ist nach den Ergebnissen unserer Untersuchung nicht nötig.“ Allerdings helfen Technologieerfahrungen. „Wenn man sich schon mit der Technologie beschäftigt hat, hilft das bei der Gründung eines Unternehmens.“ Ebenso wichtig sind die Erfahrungen aus vielleicht vergangenen Gründungen. „Es gibt Seriengründer“, weiß Witt zu berichten, „da stellt man fest, wer das schon einmal gemacht hat, schneidet bei weiteren Gründungen signifikant besser ab. Sie können praktisch aus den Fehlern, die sie gemacht haben, etwas lernen. Sie haben schon Netzwerke geknüpft, sie kennen Finanziers, sie haben mehr erlebt.“ Und im möglichen Scheitern sieht der Wissenschaftler auch kein gesellschaftliches Stigma. „Große Gründer haben immer schon mal ein, zwei, oder sogar drei Unternehmen völlig in den Sand gesetzt, und dann hat es erst geklappt“, versichert er.

Kunden in Vermarktung einbinden

Um ein gutes Produkt auch erfolgreich an den Mann und die Frau zu bringen, bedarf es einer geschickten Vermarktung. „Etwas, was die Vermarktung erleichtert, ist, wenn ich im Entwicklungsprozess schon mit den Kunden gesprochen habe“, weiß Witt, „dann habe ich deren Bedürfnisse besser verstanden. Im idealen Fall habe ich sie auch schon an der Entwicklung beteiligt. Dann ist es sehr viel wahrscheinlicher, dass das, was dabei herauskommt, auch von ihnen gekauft wird.“ Der eigentliche Gewinn oder Nutzen des Kunden sollte im Vordergrund stehen. „Wer das sehr schön macht“, erklärt Witt, „ist das Wuppertaler Unternehmen Vorwerk. Die haben ja immer so tolle Produkte wie den Saugwischer, den Thermomix und die neue Teemaschine. Was die gut können, ist der direkte Vertrieb. Die machen ja Personal Selling. Da erklärt ein Verkaufsberater die Innovation bei Ihnen zu Hause, auf Ihrem Teppich.“
Und auch die Marke ist entscheidend. Hat der Kunde erst einmal Vertrauen dazu, ist der Vertrieb eines neuen Produktes sehr viel einfacher. „Da ist Apple ein schönes Beispiel. Wir wissen immer nie genau, was das neue Apple Produkt macht, aber wir kaufen es trotzdem, weil die Marke Apple so stark ist. Wir denken, die werden das schon irgendwie gut gemacht haben.“

Einzelkämpfer oder Gründerteams?

„Teams schneiden erfolgreicher ab als Einzelgründungen“, stellt Witt unmissverständlich fest und erklärt auch warum. „Als Team haben sie einfach mehr Manpower. Wir beobachten im Gründungsprozess immer, Einzelgründer verlieren die Lust, andere stellen fest, dass es doch mehr Arbeit ist, als gedacht. Wenn sie ein Team haben, ist das Unternehmen stabiler. Teams sind besser, weil sie natürlich ein besseres soziales Netzwerk haben. Jeder einzelne kennt drei oder vier andere. Und sie kriegen leichter Kapital.“ Das Zusammenbringen komplementärer Fähigkeiten in einem Team überzeugt Finanziers. „Im Team ist immer einer, der kann ganz gut vermarkten, aber ich muss auch jemand anderen holen, der z. B. die Finanzen im Blick behält. Und dann brauche ich vielleicht noch einen Techniker, der sehr gut Produkte entwickeln kann. Die Wahrscheinlichkeit, dass einer alles drei gut kann ist gering“, argumentiert Witt.

Spaß an der Lehre und Verantwortungsbewusstsein für Studierende

Peter Witt hat selber bereits einige Lehrpreise gewonnen. „Ich finde Lehre ist ein wichtiger Teil unseres Jobs“, sagt er, und die Grundvoraussetzung ist, dass es einem Spaß macht.“ Vor jedem Semester, wenn er im größten Hörsaal der Universität mit einem Fassungsvermögen von 800 Sitzplätzen referiert, motiviert er sich neu. „Ich finde die größte Herausforderung ist Interaktion. Wir haben bei uns ja sehr große Veranstaltungen. Einführung in die Wirtschaftswissenschaft, da sind 600 bis 700 Leute. Da muss man schon aufpassen, dass es nicht so ein Kinoeffekt wird, in der sie nur berieselt werden und keine Interaktion stattfindet. Das muss ich jedes Jahr wieder neu versuchen, hinzukriegen. Was immer hilft ist Aktualität und Praxisbezug. Sie können Studierende leichter für ein Fach begeistern, wenn sie nicht nur theoretisch argumentieren, sondern immer möglichst früh etwas Anschauliches oder ein Beispiel erzählen.“ Und auch auf Altbewährtes greift der Wissenschaftler gerne zurück. „Mein didaktisches Hilfsmittel ist, dass ich gerne etwas aufschreibe, also entweder altmodisch an die Tafel, oder an diese Presenter. Wenn man selber etwas schreibt, können die Studierenden besser folgen, denn ungefähr so schnell wie ich schreibe, können auch sie schreiben.“
Witts Lehre ist praxistauglich. Er bringt Studierende frühzeitig mit Unternehmen zusammen und ermuntert zu Auslandsaufenthalten. „Ich verstehe BWL als eine angewandte Disziplin. Wir sind nicht nur theoretisch, denn wir beschäftigen uns mit der wirtschaftlichen Führung von Unternehmen. Und dann ist es nur vernünftig, wenn ich ab und zu auch was von Unternehmen erzähle.“ Nicht nur Bill Gates hat eine erfolgreiche Gründerstory hinter sich, auch Unternehmen in Wuppertal dienen ihm als Paradebeispiele für erfolgreiches Unternehmertum. „Das zeigt ja die ganze Forschung“, resümiert er, „ich brauche Anschaulichkeit, ein Vorbild, ich muss sensibilisieren und ich muss es als eine berufliche Option vorstellen. Wir geben den Leuten Handwerkszeug mit. BWL, ein bisschen Rechnungswesen und das dritte ist die aktive Unterstützung bei Gründungswilligen. Da ist Wuppertal gut aufgestellt.“

Von Rupert Murdoch stammt der Satz: „Es gibt da draußen immer noch Welten zu erobern.“ Mit dem richtigen Handwerkszeug, einem klugen Dozenten, innovativen Unternehmen und dem entsprechenden Quäntchen Glück wird an der Bergischen Universität daran gearbeitet.

Uwe Blass (Gespräch vom 12.09.2018)

Peter Witt studierte VWL an der Universität Bonn und promovierte 1996 bei Herrn Professor Albach an der WHU mit einer Arbeit zur „Planung betrieblicher Transformationsprozesse“. Nach der Habilitation an der Humboldt-Universität zu Berlin, die ebenfalls Herr Albach betreute und die im Juli 2002 zum Thema „Corporate Governance-Systeme im Wettbewerb“ abgeschlossen wurde, übernahm er zum 1.8.2002 vollamtlich den Lehrstuhl für Unternehmertum und Existenzgründung an der WHU - Otto Beisheim School of Management- in Vallendar. Zum 1.10.2006 wechselte Herr Witt an die Technische Universität Dortmund, wo er den Lehrstuhl für Innovations- und Gründungsmanagement übernahm. Seit dem 01.11.2010 ist er an der Bergischen Universität Wuppertal am Lehrstuhl für Technologie- und Innovationsmanagement als Lehrstuhlinhaber tätig.

 

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