Transfergespräch spezial:

Die Prorektorin für Transfer, Prof. Dr.-Ing. Anke Kahl, trifft den Essayisten, Literaturkritiker, Schriftsteller und zweiten Inhaber der „Dr. Jörg Mittelsten Scheid-Gastprofessur“ Pankaj Mishra zu einem Transfergespräch am 11.06.2018, im Klingenmuseum in Solingen.

Pankaj Mishra / Human- und Sozialwissenschaften
Foto: ZIM

 

Wir haben vergessen, dass unsere Gesellschaft auf dem Streben nach Idealen wie Gleichheit und Gerechtigkeit aufgebaut worden ist.“ (Pankaj Mishra)

K: Prof. Dr.-Ing. Anke Kahl
M: Pankaj Mishra

 

K: Herr Mishra, fühlen Sie sich als ein „Geschichtsschreiber der Gegenwart“?

M: Um es mit einem Satz zu sagen: Geschichte vertritt die Auffassung, dass die Gegenwart ihren Ursprung in der Vergangenheit hat, weil sie durch besondere Erfahrungen geprägt wurde. Dieses Interesse, geprägt durch unsere eigenen besonderen Erfahrungen in der Gegenwart, wird sich sehr verändern, weil sich auch unsere Erfahrungen verändern werden.

Also muss ein Historiker oder ein Schriftsteller aufmerksam die Veränderungen in unserem eigenen politischen, sozialen und wirtschaftlichen Klima beobachten und versuchen zu verstehen, wie diese entstanden sind um wirklich zu verstehen, warum wir uns mit der Gegenwart beschäftigen müssen.

K: In Ihrem Buch „Aus den Ruinen des Empire“ halten Sie das geeinte Europa für ein Auslaufmodell. Warum?

M: Ich denke, dass die europäische Union in ihrer heutigen Zusammensetzung – mein Buch behandelt ja die Zeit des 19. und 20. Jahrhunderts – eine bemerkenswerte politische Leistung ist, die offensichtlich mit vielen Problemen, wirtschaftlicher und politischer Art zu kämpfen hat. Sehen sie, was in Ungarn und Polen passiert ist und jetzt in Italien, wo antieuropäische Kräfte durch die Wählerschaft an die Macht gehoben wurden. Es gibt also eine Menge Probleme, aber es ist eine politische Leistung in dem Sinne, dass es Frieden für den Kontinent nach jahrhundertelangen kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen seinen beiden wichtigsten Ländern Deutschland und Frankreich gebracht hat. Und heute ist dieser Friede, diese Partnerschaft zwischen den beiden Ländern, noch wichtiger, wenn wir sehen, dass die Vereinigten Staaten von Amerika dabei sind, immer sprunghafter zu werden.

K: Sie zitieren in Ihrem Buch den osmanischen Politiker Ahmed Riza, der Anfang des 20. Jahrhunderts vor dem Einfluss der Europäer warnte und die bessere Entwicklung eines Volkes durch Isolierung propagierte. Halten sie die Erneuerung durch Abschottung heute, im Zeitalter der Digitalisierung, noch für möglich und sinnvoll?

M: Ich denke nicht, dass Isolation eine Chance hat, selbst wenn sie erstrebenswert wäre. Wir leben nun mal nicht in einer Welt, in der man sich einfach vom Rest der Welt abschotten kann. Es gibt sehr wenige Länder, die dies versuchen und es gibt sehr negative Beispiele von Isolation; beispielsweise Nordkorea. Es sind Länder, die sich nur isolieren können, indem sie ihre Bevölkerung auf unterschiedliche Weise unterwerfen und unterdrücken.

Isolation ist also nicht mehr normal heutzutage. Ich denke, wir müssen lernen, in einer hyperdigitalisierten Welt zu leben und das Beste daraus zu machen.

K: Sie beschreiben das Erwachen Asiens im 20. Jahrhundert als das zentrale Ereignis. Und diese Entwicklung führt zu einer fortwährenden Umgestaltung der Welt aus der Vorstellung der einstmals subalternen Völker. In welche Richtung könnte sich diese andere Welt nach Ihrer Einschätzung entwickeln?

M: Wissen sie, es ist zunächst einmal wichtig zu verstehen, was dieses zentrale Ereignis des 20sten Jahrhunderts gewesen ist, und zwar die Trennung großer Teile Asiens und Afrikas vom europäischen Imperialismus, darunter zweier Länder, die zeitweise wirtschaftlich mächtiger waren als jedes andere Land in Europa. Ich spreche hier von Indien und China. Als diese in den 40er Jahren, in den späten 40er Jahren, unabhängig wurden, zu Republiken wurden, war dies ein riesiges Ereignis in der Geschichte und von ungeheurer Bedeutung.

Nun, worin besteht also diese Transformation? Was bedeutet das für uns heutzutage, wenn wir über die Zukunft nachdenken? Das ist momentan eine offene Frage und ich denke wir müssen befürchten, dass sich diese Art von Konflikt, wie wir in Europa und besonders in Deutschland beobachten konnten, in Asien wiederholen könnte.

Konflikte, Spannungen und Gegensätze und der Aufstieg autoritärer Bewegungen ist etwas, was wir zu diesem Zeitpunkt nicht ausschließen können. Also müssen wir uns mit größter Besorgnis dieser Transformation der Welt, dieser Machtverschiebung von West nach Ost widmen, weil sie in keiner Weise die Lebensstabilität und den Wohlstand für die Millionen von Menschen garantiert, die dieses Leben erstreben. Es verspricht vielmehr eine Menge an Konflikten und welcher Art diese Konflikte sein werden und ob sie noch abgewendet werden können, das wird sich zeigen.

K: Napoleon formulierte 1798: Großen Ruhm kann man nur noch im Orient erwerben, Europa ist dafür zu klein. Hat diese Erkenntnis bis heute Bestand?

M: Nun, dies trifft sicherlich auf einen westlichen Markennamen, Luxusmarkennamen, nicht nur Markennamen sondern auch auf andere Konsumenten orientierte Firmen zu, die wissen, dass der größte Absatzmarkt in Ländern wie Indien und China liegt, die offensichtlich große Designer-Outlets in diesen Ländern eröffnet, aber auch ihre Fabriken und ihre Produktionsfirmen in diesen Teil Asiens ausgelagert haben, weil sie gemerkt haben, dass der europäische Markt, der westliche Markt, einfach zu klein ist, um so schnell zu wachsen, wie sie es gerne hätten. Also kann man sagen, dass der Orient immer noch ein Ort ist, wo sich sehr schnell Gewinne erzielen lassen.

K: Der chinesische Philosoph Liang Qichao schrieb 1901: ich befürchte intellektuelle Bildung wird immer wichtiger werden, während die moralische Bildung zerfällt. Wo stehen wir heute in Zeiten von Putin und Trump?

M: Ich denke, das ist richtig, er fürchtete, dass diese Art der technisch instrumentalisierten Erziehung wichtiger werden würde als der Sinn für Moral, der Sinn für was richtig und was falsch ist. Unser Bildungssystem hat in vielerlei Hinsicht einen technischen, einen mechanischen Blickwinkel auf die Tugenden und Werte der Bürger geworfen, Bürger die mitfühlend, aufmerksam und einfühlsam auf das Leid anderer Bürger reagieren und sich ihrer Verantwortung und Pflichten und nicht nur ihrer Rechte bewusst sind. Ich fürchte, dass Putin und Trump in einem moralischen Klima aufgestiegen sind, in dem wir den Blick für diese fundamentalen Ideen einer politischen Gemeinschaft verloren haben.

K: Wenn sich die Türken im 19. Jahrhundert schon von den Europäern bedrängt fühlten, warum wollen sie im 21. Jahrhundert immer noch der EU beitreten? Ist das nicht schizophren?

M: Nicht wirklich. Wissen Sie, die osmanische Türkei des 19. Jahrhunderts war ein Reich, dass sich mit dem europäischen Imperialismus konfrontiert sah. Die heutige Türkei ist ein Nationalstaat und die Europäische Union unterscheidet sich sehr vom europäischen Imperium der Vergangenheit. Daher betrachten wir zwei völlig unterschiedliche Voraussetzungen und Umstände. Natürlich möchten die Türken der Europäischen Union beitreten, da sie sehr bezüglich Visaverfahren, Freizügigkeit und ausländischer Investitionen profitieren würden.

K: Die meisten kriegerischen Handlungen gingen in der Geschichte immer von Männern aus. In diesem Zusammenhang habe ich einen Artikel von Ihnen im Guardian vom 17. März mit dem Titel „Die Krise der modernen Männlichkeit“ gelesen. Darin sagen Sie, dass „Männlichkeit eine Quelle großen Leids geworden ist, für Männer, wie für Frauen.“ Wie kommt das?

M: Natürlich, ich denke, das ist richtig. Die Idee der Männlichkeit stellt alle möglichen Ansprüche und Regeln auf, die für viele Männer einfach schwierig zu realisieren und durchzusetzen sind.

Durch Frustration werden sie immer wütender und oftmals, wie wir es bereits beobachten konnten, extrem gewalttätig.

Es gibt die Sichtweise von Trump, Putin, Duterte, Modi und anderen. Die Männer, die sich zurückgelassen fühlen, die sich von Frauen, die in die Weltpolitik gehen, an den Rand gedrängt fühlen. Ich denke, es resultiert daraus, dass sie sich selbst als so viel privilegierter, soviel mächtiger und so viel berechtigter ansehen als Frauen und andere Minderheiten. Aus diesem Grund scheitern sie, kämpfen sie. Daher denke ich, dass all diese Darstellung von Männlichkeit als etwas Erstrebenswertes für viele Männer in der Welt zutiefst zerstörerisch geworden ist. Ich denke also, dass es wichtig ist, dieser Falle zu entkommen, die Männlichkeit, Macht und den Drang nach Beherrschung propagiert und andere wichtigere Tugenden wie Mitgefühl, Kameradschaft und Solidarität zu entwickeln. Ich glaube wir sind in vielerlei Hinsicht in einer Falle gefangen, die durch die übermäßige Betonung männlicher Ideale entstanden ist.

K: Ist Modi Ihrer Meinung nach auch ein Auslöser dieses „Zeitalter des Zorns“ um es mit Ihrem neusten Buchtitel zu sagen?

M: Genau. Tatsächlich war dies meine ursprüngliche Motivation um zu verstehen, was in Indien passiert, dass einstmals als Demokratie bekannt war und plötzlich als Premierminister einen Mann wählt, der an Massenmorden, in jegliche Arten schrecklicher Verbrechen und Gräueltaten verwickelt ist. Ich dachte, dass ich, um diese Krise sowohl politisch als auch moralisch zu verstehen, den historischen Hintergrund Ereignisse in der Geschichte verstehen müsse und Ereignisse in der Geschichte zu finden, in denen Ähnliches passiert ist. Die Dämonisierung von Minderheiten, die Ausgrenzung bestimmter Bevölkerungsgruppen aus der politischen Gemeinschaft ist offensichtlich ab dem späten 19. Jahrhundert und unter dem Druck der Staatenbildung entstanden.

Im späten 19. Jahrhundert kamen Personen an die Macht, welche den Massen erzählten, welche Gruppen in der Bevölkerung für das Scheitern der Nation Größe zu erlangen, verantwortlich seien. Das Gleiche spielt sich aktuell in Indien ab. Diese Personen sollten identifiziert und strafrechtlich verfolgt werden.

Diese Art der Gefahr, die wir zuerst in Europa beobachten konnten, hat sich in andere Teile der Welt verbreitet. Wir beobachten dies in Indien, in Myanmar, wo wieder eine Gemeinschaft, die in keiner Weise verantwortlich für die heutigen Probleme vieler Menschen ist, als Ursprung der Probleme identifiziert und verfolgt wird.

Das wollte ich mit meiner Untersuchung über Indien herausstellen und je mehr ich die Beispiele aus Indien betrachtete, desto mehr wurde mir klar, dass wir in Indien gerade eine Wiederholung der traurigen und beängstigenden Ereignisse in Europa durchleben.

K: Sie beschreiben in Ihrem Buch den Zorn derer, die sich gesellschaftlich abgehängt fühlen und prophezeien den Untergang demokratischer Gesellschaften, wenn man diesem Zorn nur mit Rationalität begegnet. Wie sollte die Welt auf diese unsägliche Wut, auf diesen ungeheuren Zorn, Ihrer Meinung nach reagieren?

M: Ich denke, wir müssen Ideale wie Gleichheit und Gerechtigkeit in unsere jeweiligen Gesellschaften wieder einführen. In den letzten 2-3 Jahrzehnten haben wir zu viel in die Ideen von Wirtschaftswachstum, Wohlstand, Selbstexpansion und Aufklärung investiert. Wir haben vergessen, dass unsere Gesellschaft auf dem Streben nach Idealen wie Gleichheit und Gerechtigkeit aufgebaut worden ist. Nämlich auf der Tatsache, dass sich Menschen in einer Gesellschaft als gleichberechtigt betrachten sollten und dass es soziale Gerechtigkeit gibt und dass es keine großen Unterschiede im Einkommen und den Möglichkeiten geben sollte innerhalb der Klassen, innerhalb der Bevölkerungsgruppen. Diese fundamentalen Werte haben wir in den letzten Jahrzehnten aus den Augen verloren und ich fürchte als Ergebnis dessen werden sich viele Menschen, die sich von einer, in ihren Augen kleinen Minderheit, isoliert und zurückgelassen sehen, sehr wütend werden und sich extrem rechten Parteien und Demagogen anschließen. Solange ihre Erfahrung der radikalen Veränderungen, zerstörerischen Veränderungen, von Entwurzelung ohne jegliche Unterstützung, ohne eine wirkliche Unterstützung nicht angegangen wird, solange werden wir leider immer öfter dieser Art von Wut begegnen. Heute sehen wir es in diesem Land, morgen in jenem und diese Wut wird von einem ins andere Land übergreifen.

Stattdessen sagen wir: „Oh, wir müssen unsere individuellen Selbstinteressen in einem wettbewerbsfähigen Markt verfolgen.“ Ich denke, diese Art des Denkens ist heutzutage völlig unangebracht. Die politischen Parteien der Staaten müssen sich um das Wohlergehen ihrer Bürger kümmern. Sie können sich nicht einfach auf ihrer Verantwortung gegenüber dem Markt oder den Investoren ausruhen. Ich denke hier an die einfachen Bedingungen, die in Europa nach dem Krieg herrschten, als es stattliche Wohlfahrt gab. Auch in Asien und Afrika haben die Menschen versucht, staatliche Wohlfahrtssysteme aufzubauen und wir haben Spendensammlungen ins Leben gerufen. Ich denke wir müssen diesen Einsatz wieder aktivieren. Wenn wir die Welt dagegen als einen Markt betrachten, befürchte ich, dass der Wettbewerb immer heftiger wird und immer mehr Menschen werden sich zurückgelassen fühlen und radikaler werden.

K: Sie schreiben, „Milliarden von Menschen sind in einem sozialdarwinistischen Albtraum gefangen“ Was meinen Sie damit?

M: Betrachten wir die Welt als einen Markt und die Gesellschaft als am Rande dieses Marktes organisiert. Jeder ist ein individueller Unternehmer und entweder man schwimmt oder geht unter und kämpft ums Überleben. Dies bezeichne ich als sozialdarwinistischen Albtraum, wo nur die Stärksten überleben und jeder andere untergeht. Das ist eine unglaublich erschreckende, düstere Vision einer Gesellschaft und trotzdem ist diese Vision von zentraler Bedeutung in vielen Gesellschaften der Welt, vielleicht nicht so sehr in Deutschland, aber in Großbritannien, in Amerika und sogar in Ländern wie Indien. Diese Vorstellung des Individuums, das ums Überleben kämpft, hat sich tief verinnerlicht und ich denke, solange wir diese Vorstellung nicht loswerden, solange wir nicht an größere Solidarität oder Wohlfahrt denken, werden wir in diesem besonderen Albtraum gefangen bleiben.

K: Ich zitiere Sie noch einmal: „Es gibt weit mehr Sehnsüchte, als sie sich im Zeitalter der Freiheit und des Unternehmertums legitim verwirklichen lassen.“ Können wir Menschen mit unserer Freiheit nicht umgehen?

M: Wissen Sie, ich denke, die Welt hat Schwierigkeiten, mit der Freiheit umzugehen, nachdem wir aufgehört haben, an Gott zu glauben, in die Kirche zu gehen oder unseren Glauben in jegliche Art von transzendentaler Macht aufgegeben haben. Seit Beginn des modernen Zeitalters wurde die individuelle Freiheit als Belastung erlebt, die man auf die eine oder andere Art ertragen muss. Dies ist immer ein Problem geblieben und ich denke, wenn die Gesellschaft immer weiter auseinandergesprengt wird, werden sich die Menschen immer isolierter fühlen, wodurch diese Last untragbar wird. Wenn man sich nicht auf den Gemeinschaftssinn, auf die Solidarität seiner Mitbürger verlassen kann, dann fühlt man sich immer isolierter, beraubt und verlassen. Und ich denke, dass die politische Wut heutzutage durch das individuelle Gefühl getrieben wird, dass man zwar im theoretischen Sinne frei ist, aber nicht wirklich weiß, was man mit dieser Freiheit anfängt, weil die Möglichkeiten sehr begrenzt sind. Diese Möglichkeiten, und hier meine ich sowohl die sozial-wirtschaftlichen als auch die politischen Möglichkeiten, sind der Grund, weshalb es so viele unglaublich frustrierte Menschen da draußen gibt. Wir sind zwar befreit von traditionellen Fesseln, vom Kastensystem und strengen Traditionen, aber was machen wir in einer Welt, die uns keine Stabilität, keine Sicherheit oder das, was das Leben bedeutsam macht, bietet? Welcher Nutzen bietet Ihnen dann die Freiheit?

K: In einem Interview mit der Züricher Zeitung dieses Jahr haben Sie Hoffnung für Europa geäußert und zwar durch die junge Generation. Was bringt Sie zu dieser Einschätzung?

M: Also ich denke, dass die jüngere Generation, wie wir es schon in vielen Ländern beobachten konnten, politisch viel aufmerksamer ist, und es auch sein muss, weil sie eine Krise durchlebt. Sie sieht sich mit der Möglichkeit konfrontiert, dass ihr Leben schlechter ist, als das der Eltern oder Großeltern. Dies ist eine radikale Veränderung, aber es ist ermutigend, dass sich viele junge Menschen auf Grund dieser ziemlich düsteren Aussichten entscheiden, politisch aktiv zu werden. In diesem Sinne ist es also keine entpolitisierte Generation, wie wir sie in den letzten Jahrzehnten gesehen haben. Diese Generation, die jetzt im späten Teenageralter oder in den frühen Zwanzigern ist, erkennt, dass Kollektivmaßnahmen erforderlich sind, um den Problemen, mit denen wir heutzutage konfrontiert sind, politische Probleme, Umweltprobleme, für deren Lösung es keine Zauberformel gibt und die der Markt auch nicht für uns übernimmt, entgegenzutreten. Die Dogmen hier an dieser Stelle sind zu dysfunktional, um jetzt hier darüber nachzudenken. Es gibt also eine politische und intellektuelle Gärung innerhalb der jungen Generation und das ist für mich ein hoffnungsvolles Zeichen.

K: Man sagt, Kinder sind die Zukunft. Ich habe eine Tochter und ich weiß, auch Sie haben ein Kind. In welcher Welt werden Ihrer Meinung nach unsere Kinder in 30 Jahren leben und worauf müssen sie sich einstellen?

M: Nun, wir haben unseren Kindern keine wunderbare Welt hinterlassen. Also müssen sie härter arbeiten um, sagen wir mal, das Unheil abzuwenden. Es geht gerade nicht darum, die Welt zu verbessern, sondern wir müssen uns mit der Frage beschäftigen, „können wir großflächige Umweltkatastrophen und Gewalteskalation verhindern?“, und diese Fragen können nur von der Generation beantwortet werden, die sich jetzt im späten Teenageralter oder in den frühen Zwanzigern befindet. Es liegt an ihr, es ist tragisch, aber es liegt tatsächlich an ihr, weise Entscheidungen zu treffen um diesen Problemen entgegenzutreten.

Leider waren wir die Generation, die diese Probleme nicht vorausgesehen hat, wir waren zu selbstgefällig, zu überzeugt, dass dies für immer so weitergehen würde und wir unseren Kindern und Enkel eine sichere Welt hinterlassen könnten, in der wir selbst aufgewachsen waren und gelebt haben. Aber dies war nicht der Fall und wir sollten besser darauf vorbereitet sein.

K: Dies ist eine große Herausforderung für die junge Generation.

M: In der Tat.

K: Ich denke, worauf wir uns einigen können, ist, dass nur Kommunikation zu halbwegs positiven Kompromissen führen kann. Kommunikation… und Essen! Wir sind ja hier im Klingenmuseum, mit einer sehr großen Waffensammlung und der weltweit größten Sammlung von Bestecken. Was liegt da näher, als Sie, lieber Pankaj Mishra, herzlich zum Ausklang unseres Gespräches zum Essen einzuladen. Ich bedanke mich herzlich für das Gespräch und wünsche Ihnen noch eine schöne Zeit hier bei uns im Bergischen Land.

M: Vielen Dank!

(Transfergespräch vom 11.06.2018)

Übersetzung des Transfergesprächs von Sandra Hens M.A., Career Service, Bergische Universität Wuppertal

Pankaj Mishra wurde 1969 im nordindischen Bundesstaat Uttar Pradesh geboren. Er studierte Ökonomie mit Bacheloabschluss an der Allahabad Universität ebenda. Den Master of Arts in Englischer Literatur erwarb er an der Jawarharlal-Nehru-Universität in Neu-Dehli. Mishra hatte in den Jahren 2001, 2004 und 2006 eine Gastprofessur am Wellesley College und erhielt 2004/05 ein Stipendium von der New York Public Library. 2007/08 war er als Gastdozent für Englische Literatur am University College London tätig. 2014 erhielt er den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung für seinen Roman „Aus den Ruinen des Empires“. Der Essayist, Literaturkritiker und Schriftsteller lebt in London und Indien.

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