Kryptografie
Sicher surfen – trotz Quantencomputer

Um auch in Zukunft sicher im Internet zu surfen, müssen jetzt neue Verschlüsselungstechniken erprobt werden – wie die aussehen können, testet Prof. Tibor Jager in einem neuen ERC-Projekt. // Foto Colourbox
Heute schützt Kryptografie – die Wissenschaft der Verschlüsselung und Entschlüsselung von Informationen – unsere (digitale) Kommunikation, unsere Gesundheitsdaten, kritische Infrastrukturen und unsere Privatsphäre. Doch viele der derzeit eingesetzten kryptografischen Verfahren könnten durch Quantencomputer in Zukunft geknackt werden. „Kryptografie ist so sicher, weil sie mathematische Verfahren zur Verschlüsselung von Nachrichten nutzt, für deren Entschlüsselung heutige Computer Jahrhunderte bräuchten. Mit Quantencomputern ändert sich diese Ausgangslage, weil sie ganz andere Rechenwege nutzen können als normale Computer und so Kryptografie viel schneller knacken können, möglicherweise innerhalb von wenigen Minuten“, erklärt Tibor Jager, Professor für IT-Sicherheit and Kryptografie an der Bergischen Universität.
Mehr Hintergrund zum Thema Quantencomputer
Die Zukunft des Internets steht auf dem Prüfstand: Quantencomputer könnten heutige Verschlüsselungssysteme aushebeln. Prof. Tibor Jager forscht an der Bergischen Universität an kryptografischen Verfahren, die auch morgen noch sicher sind – und bildet Fachkräfte für diese Herausforderung aus. In der Bergischen Transfergeschichte „Game over“ für die Sicherheit im Internet? gibt er Einblicke in seine Arbeit und erklärt wo die Entwicklung von Quantencomputern aktuell steht.
Mit seinem Projekt REALCRYPT will er an Lösungen für diese Herausforderung arbeiten und sie anwendbar machen: „Wir müssen unsere Systeme auf sogenannte post-quanten-sichere Verfahren umstellen. Das klingt einfach, ist in der Praxis jedoch äußerst schwierig.“
Das steckt hinter REALCRYPT
Zum einen sind viele neue kryptografische Verfahren noch nicht ausreichend getestet und könnten sich als unsicher herausstellen. Zum anderen ist es technisch und organisatorisch extrem aufwendig, bewährte und weit verbreitete Sicherheitsprotokolle, die dazu dienen, die Sicherheit von Daten, Netzwerken und Systemen zu gewährleisten, komplett auszutauschen. Hier setzt das Projekt REALCRYPT an, für das der Wissenschaftler vom Europäischen Forschungsrat Förderung in Höhe von 150.000 Euro erhält.
„In der Kryptografie ist der Weg von der Grundlagenforschung in die Praxis sehr kurz, neue theoretische Erkenntnisse können oft sehr schnell zu konkreten Verbesserungen in der Praxis führen. REALCRYPT führt die Forschung aus meinem ERC-Projekt REWOCRYPT fort. Dort haben wir neue Techniken ,auf Papier und mit dem Bleistift‘ entwickelt. In REALCRYPT werden wir diese Techniken nun praktisch nutzbar machen“, erläutert Jager. Dabei geht es um sogenannte hybride Verfahren, die klassische und post-quanten-sichere Methoden kombinieren, um bestmögliche Sicherheit zu erreichen.
Besonders innovativ dabei ist der Ansatz, nicht nur einzelne Bausteine, also mathematische Verfahren wie digitale Signaturen oder andere Methoden zum Verbergen von Daten wie sogenannte Schlüsseltransportverfahren (KEM), sondern ganze Protokolle zu kombinieren. Dadurch kann die Sicherheit erhöht werden, ohne funktionierende Systeme von Grund auf neu gestalten zu müssen. Ein Beispiel, das auch im Projekt eine Rolle spielt, ist das bekannte VPN-Protokoll WireGuard, das mithilfe einer entsprechenden Erweiterung auch zukünftigen Anforderungen standhalten soll. Diese „Protocol Combiner“ werden im Projekt gemeinsam mit der Open-Source-Initiative Rosenpass e.V. untersucht. So lassen sich direkt reale Einsatzszenarien erproben, in denen Sicherheit, Performance und Benutzerfreundlichkeit zusammen gedacht werden.
Grundlagenforschung trifft Praxis
Auf die Zusammenarbeit freut sich Tibor Jager ganz besonders. Möglich wird sie durch ein spezielles Förderprogramm des Europäischen Forschungsrats. „Was ich an dem Proof of Concept Programm besonders schätze, ist die Chance, Forschungsergebnisse aus der Grundlagenforschung heraus direkt in die Praxis zu bringen. Der PoC erlaubt es, neue Ideen auszuprobieren, bevor sie in großen Systemen oder gar Standards übernommen werden“, so Jager. „Rosenpass ist ein starker Partner, um die Ergebnisse unserer Forschung direkt in kritische Internet-Infrastruktur zu integrieren. Der Verein und sein gleichnamiges Projekt setzen Standards in der Bereitstellung von post-quanten-sicheren Methoden zur Datenübertragung und arbeiten selbst auch mit modernsten kryptografischen Techniken. Fachlich ergänzen wir uns optimal.“
Das bestätigt auch Karolin Varner vom Rosenpass e.V.: „Das gemeinsame Projekt mit der Uni Wuppertal ist ein wahrer Glücksgriff! Unser gesetztes Ziel ist es, robuste und offene Infrastruktur made in Europe bereitzustellen. Die dafür benötigten Technologien sind zwar vorhanden, aber meist sind sie eben noch nicht für den regulären Einsatz in der Praxis geeignet. Durch die Zusammenarbeit mit Professor Jager können wir einen wichtigen Schritt gehen, um aus seinen wissenschaftlichen Leuchtturm-Projekten echte Innovationsmotoren für die europäische IT-Landschaft zu machen.“
Somit gehe es in REALCRYPT, betonen die Projektpartner*innen, insbesondere darum, den Übergang zu einer sichereren digitalen Zukunft machbar und zugänglich zu gestalten.
Mehr über den Europäischen Forschungsrat
Der Europäische Forschungsrat (ERC), der 2007 von der Europäischen Union gegründet wurde, ist die wichtigste europäische Förderorganisation für exzellente Pionierforschung. Er fördert kreative Forschende aller Nationalitäten und jeden Alters, die Projekte in ganz Europa durchführen. Der ERC bietet vier zentrale Förderprogramme an: Starting Grants, Consolidator Grants, Advanced Grants und Synergy Grants. Mit seinem zusätzlichen Programm für Proof of Concept Grants hilft der ERC den Geförderten, die Lücke zwischen ihrer bahnbrechenden Forschung und den frühen Phasen ihrer Kommerzialisierung zu schließen.
Für sein Vorgängerprojekt REWOCRYPT erhielt Prof. Jager bereits einen ERC Starting Grant, an das er nun mit REALCRYPT eine Förderung im ERC Proof of Concept Programm anschließen kann.
Für den Proof of Concept Grant gingen in der aktuellen Förderrunde 480 Bewerbungen ein. 150 Vorhaben in 21 EU-Mitgliedstaaten und assoziierten Ländern wurden zur Förderung ausgewählt.