Hochleistungsrechnen
Erster ERC Consolidator Grant an der BUW: Auszeichnung für Wuppertaler Teilchenphysiker
 
            
        
    
    
        Dr. Jacob Finkenrath und sein vom Europäischen Forschungsrat (ERC) gefördertes Projekt LEEX starteten im Oktober an der Bergischen Universität Wuppertal. // Foto Friederike von Heyden
Jacob Finkenraths Projekt LEEX (Lattice QCD simulations at the dawn of European EXascale computing) ist in der theoretischen Teilchenphysik angesiedelt. Der Wissenschaftler, der seit dem 1. Oktober an der Bergischen Universität Wuppertal ist, entwickelt darin neuartige Algorithmen, also Verfahren, um bestimmte Simulationen auf den neuesten Supercomputern durchführen zu können. Diese Simulationen liefern wichtige Grundlagen, um etwa die Eigenschaften von Protonen und Neutronen, den Bausteinen der Atomkerne, aus der Theorie heraus besser zu verstehen.
Ihre Kenntnisse über die fundamentalen Bausteine des Universums und deren Wechselwirkungen fassen Physiker*innen im Standardmodell der Teilchenphysik zusammen. Ein zentraler Bestandteil davon ist die Quantenchromodynamik. Sie beschreibt die Kraft, durch die sich die kleinsten uns bekannten Teilchen, die Quarks, mithilfe von Gluonen zum Beispiel zu Protonen und Neutronen, den sogenannten Hadronen, verbinden können. Das Problem: Weil sie durch die starke Kraft fest miteinander verbunden sind, konnten Quarks und Gluonen in Experimenten noch nie isoliert beobachtet werden. So besteht eine zentrale Herausforderung darin, die Eigenschaften dieser gebundenen Teilchen aus der Theorie möglichst genau vorherzusagen.
Ziel: Möglichst präzise rechnen
„Um den Quarks und Gluonen auf die Spur zu kommen, simulieren wir in der theoretischen Teilchenphysik ihr Verhalten untereinander mithilfe von Supercomputern. Dafür bilden wir das Modell der Quantenchromodynamik auf einem Raum-Zeit-Gitter ab, womit wir in meinem Arbeitsgebiet der Gitter-Quantenchromodynamik sind. Auf dem Gitter kann dann simuliert werden, wie sich Teilchen und Kräfte verhalten. Für gute Vorhersagen wollen wir natürlich immer so präzise rechnen, wie es der Stand der Technik zulässt“, so Finkenrath. Hier setzt er mit seinem Projekt LEEX an. Denn: Um dies mit Hilfe der neuesten Generation der Supercomputer zu erreichen, müssen die Rechenmethoden in der Gitter-Quantenchromodynamik optimiert und weiterentwickelt werden.
Der in Europa momentan leistungsstärkste Rechner „Jupiter“ steht im Forschungszentrum in Jülich. Er ist der erste europäische Supercomputer der Exascale-Klasse, der eine Rechenleistung von mehr als einer Trillion Operationen pro Sekunde erreicht. „Um unsere Aufgaben mit diesem Computer berechnen zu können, müssen die Algorithmen und Softwarelösungen so angelegt sein, dass sie die vorhandenen Rechenressourcen möglichst effizient nutzen“, erklärt Finkenrath. Außerdem gehe es im Projekt LEEX darum, diese Lösungen für das Hochleistungsrechnen flexibel und skalierbar zu gestalten, damit sie nicht nur auf Jupiter anwendbar sind.
Zwei zentrale Herausforderungen
Bei der Entwicklung dieser neuen Verfahren steht die Arbeitsgruppe vor zwei zentralen Herausforderungen. Die erste: „Für das zugrunde liegende Raum-Zeit-Gitter gilt: Je kleiner die Kästchen, desto genauer wird das Ergebnis, aber desto aufwendiger auch die Rechnung. Bisherige Rechenverfahren stoßen an ihre Grenzen, wenn es darum geht, die starke Wechselwirkung der Teilchen bei immer feineren Gitterabständen zu simulieren. Die Simulation friert ein und das Programm kann nicht mehr genügend Daten für eine präzisere Vorhersage erzeugen“, erklärt Finkenrath.
Die zweite Herausforderung beschreibt er so: „In manchen Simulationen möchte man messen, wie stark Teilchen über verschiedene Entfernungen miteinander wechselwirken. Aber: Je größer man diese Entfernung wählt, desto schwächer wird das Signal, und desto stärker wird das Rauschen, also der Zufall. Das ist, als würde man versuchen, ein leises Flüstern zu verstehen, während im Hintergrund immer lautere Störgeräusche sind. Man kann die wichtigen Informationen dann kaum noch erkennen.“
Die in LEEX neu entwickelten Methoden sollen beide Probleme besser lösen und somit auch helfen, theoretische Vorhersagen über das Verhalten der Elementarteilchen zu präzisieren. „Die Ergebnisse könnten langfristig dazu beitragen, die starke Kernkraft besser zu verstehen und Simulationen in der Teilchenphysik grundlegend zu beschleunigen“, resümiert Finkenrath.
Mehr Hintergrund: ERC Cosolidator Grant
In der letzten Förderrunde wurden 2313 Projektvorschläge eingereicht, von denen nur etwas mehr als 14 Prozent (328) eine Förderung erhalten. Für den Consolidator Grant erhalten die Forschenden zunächst jeweils eine Fördersumme von 2 Millionen Euro. Das Geld wird über einen Zeitraum von fünf Jahren zur Verfügung gestellt.
Zielgruppe des Consolidator Grants sind exzellente Forschende in der Phase der Festigung ihrer wissenschaftlichen Unabhängigkeit und Etablierung einer dauerhaften eigenen Forschungsgruppe. Den Grant beantragen können Forschende jeder Nationalität, die sich zeitlich 7 bis 12 Jahre nach ihrer Promotion befinden.
Weitere Zahlen, Fakten und Hintergründe: https://erc.europa.eu/news-events/news/erc-2024-consolidator-grants-results (Pressemitteilung ERC)
