
Unterstützung für Unternehmensgründerinnen
Hannah Jensen / Hochschulnetzwerk ´Women Entrepreneurs in Science` (WES)
Foto: Privat
Unterstützung für Unternehmensgründerinnen im Bergischen Land
Hannah Jensen über das bundesweite Hochschul-Netzwerk ´Women Entrepreneurs in Science`
Frau Jensen, unter https://www.wes.uni-wuppertal.de/ findet man das Netzwerk ´Women Entrepreneurs in Science`. Was bedeutet das, und wer verbirgt sich hinter diesem Netzwerk?
Hannah Jensen: ´Women Entrepreneurs in Science`, kurz WES genannt, ist ein bundesweites Hochschul-Netzwerk, das Studentinnen, Mitarbeiterinnen und Absolventinnen auf dem Gründungsweg begleitet. Es bietet Workshops, Austauschformate, ein Mentorinnenprogramm mit KI-basiertem Matchmaking (Matchmaking ist die gezielte Zusammenführung von Menschen oder Organisationen anhand gemeinsamer Kriterien, um passende Partner*innen zu finden, Anm. d. Red.), einen Online-Learning-Track sowie Schulungen für Gründungsberater*innen, welches bspw. auch eine gendersensible Gründungsberatung beinhaltet. Das Netzwerk richtet sich auch an Unternehmensnachfolgerinnen.
WES leitet die Initiatorin und strategische Leiterin auf Bundes- und Landesebene, Prof. Dr. Christine Volkmann mit einem interdisziplinären Team von mittlerweile sechs Mitarbeitenden. Es wurde von Juli 2020 bis Februar 2025 im Rahmen der Initiative „Exzellenz Start-up Center. NRW“ durch das Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert. Seit März 2025 wird es als Modellprojekt für drei Jahre vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, sowie vom Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert. Somit können wir unsere Angebote nun bundesweit ausrollen und das Projekt tritt weiterhin unter der Marke WES auf.
Welche Aufgabe hat das Netzwerk?
Hannah Jensen: In der ersten Förderlaufzeit lag der Fokus auf der Entwicklung eines bedarfsgerechten Portfolios, das angehenden Gründerinnen gerecht wird: Dazu gehören z. B. die Umsetzung der Image-Kampagne „Nahbare Gründerinnen“ zur Erhöhung der Sichtbarkeit von Gründerinnen und Schaffung von nahbaren Vorbildern, der Aufbau eines Mentorinnenprogrammes zur Förderung des Austausches und Netzwerkbildung, die Entwicklung verschiedener Veranstaltungsangebote zur Gründungssensibilisierung, Workshops für angehende Gründerinnen sowie Austauschformate und Netzwerkveranstaltungen, der Aufbau eines Hochschul-Netzwerkes in NRW mit über 30 Hochschulen zur Sensibilisierung und kooperativen Durchführung der entwickelten Angebote, sowie die Entwicklung einer gendersensiblen Gründungsberatung.
In der zweiten Förderlaufzeit wächst unter der etablierten Marke WES das bundesweite Hochschulnetzwerk weiter und begleitet Studentinnen, Mitarbeiterinnen, Absolventinnen sowie Unternehmensnachfolgerinnen auf dem Gründungsweg. Dabei wird der Begriff der Gründerin inzwischen weiter gefasst: Das Team von WES richtet sich nicht nur an Start-up- und Existenzgründerinnen, sondern öffnet das Netzwerk auch für Unternehmensnachfolgerinnen.
Das weiterentwickelte Portfolio von WES basiert auf den gewonnenen Erkenntnissen des ersten Förderzeitraums: Das Mentorinnenprogramm wird z. B. um ein KI-basiertes Matchmaking ergänzt, um die Bedürfnisse und Erwartungen von Mentees (angehende Gründerinnen) und Mentorinnen (erfahrende Gründerinnen) berücksichtigen zu können. Im Rahmen eines Online Learning Tracks (ein Online Learning Track ist ein strukturierter und kuratierter Pfad durch Lerninhalte, der Lernenden hilft, ein bestimmtes Thema oder eine Fähigkeit schrittweise und logisch zu erlernen, Anm. d. Red.) können Gründerinnen zukünftig zeit- und ortsunabhängig ein auf ihre Bedarfe abgestimmtes Programm absolvieren. In den individuellen Modulen erlernen die Teilnehmerinnen die für sie relevanten Inhalte in ihrem eigenen Tempo. So können sie ihr Gründungsvorhaben mit ihren Lebensumständen – egal ob Studium, Beruf, Familie oder anderen Interessen – in Einklang bringen. Um das Gründungsökosystem auf allen Ebenen gleichgestellter zu gestalten, erweitert WES seine Angebote um eine weitere Zielgruppe. So sollen die Berater*innen, Coaches und Marketingmanager*innen in Gründungszentren von Hochschulen gezielt adressiert und durch ein Schulungsangebot von WES für die Durchführung von gendersensibler Ansprache, Gründungsberatung und Workshops qualifiziert werden. Dazu werden die Angebote auf der WES-eigenen Plattform gebündelt, die schrittweise über die WES-Webseite zugänglich ist. Zudem gibt es auch die Zielgruppe der Investorinnen, denn wir möchten das Netzwerk ausweiten, weil auch diese Gruppe noch unterrepräsentiert ist.
Ihre Mission heißt: Mehr Frauen für die Gründungsszene. Warum gibt es denn bislang so wenige Frauen, die gründen?
Hannah Jensen: Frauen stoßen im Gründungsökosystem auf verschiedene strukturelle Barrieren. Deshalb liegt der Anteil von Start-ups mit Gründerinnen in Deutschland nur bei 18,8 Prozent. Im Bereich der Nachfolge in einem ähnlich niedrigen Bereich bei 21,2 Prozent. Das Start-up Ökosystem ist nach wie vor stark männlich, sowie von Geschlechterstereotypen und unternehmerischen Rollenbildern geprägt. Während es eine Vielzahl an männlichen Vorbildern gibt, mangelt es an sichtbaren weiblichen Rollenvorbildern für potentielle Gründerinnen. Auch die Investor*innenlandschaft ist sehr männlich geprägt. In Verbindung mit dem Same-Gender Effect (die Priorisierung von männlichen Gründern durch Investoren, Anm. d. Red.) wird dadurch der Gender-Gap in der Gründungsszene verstärkt. Die Zuständigkeiten für Familie und Haushalt liegen noch immer im Wesentlichen bei Frauen. Entsprechend ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein entscheidendes Kriterium für die zukünftige Berufswahl. Für den Bereich der Nachfolge zeigt sich, dass Alteigentümer immer noch häufiger Familienmitglieder des gleichen Geschlechts für ihre Nachfolge bevorzugen.
Obwohl Frauen in der Nachfolge vergleichbare Erfolgsquoten aufweisen, hindern stereotype Bevorzugungen sie daran, ähnliche Chancen wahrzunehmen. Daher ziehen viele Studentinnen diese Option nicht in Betracht.
In ihrem Netzwerk gibt es ein Mentorinnenprogramm. Welche Hilfe kann man denn da bekommen?
Hannah Jensen: Unser Mentorinnenprogramm bietet angehenden Gründerinnen die Möglichkeit, sich durch erfahrene Gründerinnen begleiten zu lassen, um so ihr volles Potenzial zu entfalten. Das Mentoring erfolgt über eine Laufzeit von max. sechs Monaten und dient als 1:1 Sparring, um Austausch, Feedback und echte Erfahrungen zu erhalten. Das Matching erfolgt dabei individuell auf Basis der bestimmten Erwartungen der Mentees und der Erfahrungen der Mentorin.
Neben dem Mentoring erwarten die Teilnehmerinnen Möglichkeiten zur Nutzung von digitalen Workshops und Inputs.
Besonders das Matching einer angehenden Gründerin mit einer erfahrenen Gründerin wirkt zwei wesentlichen strukturellen Barrieren entgegen. Auf der einen Seite dienen die Mentorinnen als nahbares weibliches Vorbild, auf der anderen Seite erweitern die Mentees ihr Netzwerk, in dem sie durch ihre Mentorin bereits einen Zugang dazu bekommen. Die Frauen lernen sich persönlich kennen und überlegen, wie sie in den kommenden sechs Monaten gerne zusammenarbeiten möchten. Dann treffen sie sich meist digital und tauschen sich aus. Dadurch wird dann klar, wo Hilfe benötigt wird. Am Ende gibt es auch wieder ein persönliches Abschlusstreffen.

Gründerinnen SUMMIT
Foto: Andrea Bowinkelmann
Sie bauen ein Netzwerk in NRW auf mit über 30 Hochschulen. Seit März 2025 wird das Netzwerk als Modellprojekt durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE) sowie das Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie (MWIKE) gefördert. Brauchen Frauen eigentlich andere Unterstützungshilfen als Männer?
Hannah Jensen: Frauen brauchen nicht grundsätzlich ‘andere’ Unterstützung, sondern Unterstützung, die ihre bisher noch anderen Startbedingungen berücksichtigen. Es gibt strukturelle Barrieren und Gender Bias (geschlechtsbezogene Voreingenommenheit, Anm. d. Red.), die den Zugang zu Kapital, Netzwerken, Vorbildern und Ressourcen beeinflussen. Deshalb darf man auch in der Gründungsunterstützung noch nicht annehmen, dass die Ausgangslagen gleich sind. Der Gender Bias der Geschlechterinsensibilität zeigt bspw., dass es wichtig ist, diese unterschiedlichen Ausgangslagen zu berücksichtigen und auch in der Beratung auf diese einzugehen. Daher ist es wichtig, die Beratung gendersensibel zu gestalten, um vorherrschende Bias zu erkennen und bestmöglich auszugleichen. Dies kann bspw. erfolgen, indem nahbare Vorbilder für Frauen sichtbar gemacht werden oder Zugänge zu Investor*innen, anderen Gründer*innen und Netzwerken explizit geschaffen werden. Allein die Tatsache, dass Frauen derzeit noch durch Kindererziehung oder Elternbetreuung andere Zeitressourcen haben, bedeutet eine andere Herangehensweise. Auch kommt es noch immer häufig vor, dass Frauen bei der Vorstellung ihrer Gründungsidee (Pitch) andere Fragen gestellt werden als den männlichen Kandidaten. Männer bekommen oft sehr zukunftsorientiere Fragen gestellt, Frauen werden eher zur Überlebenschance der Gründungsidee befragt. Das muss in der Beratung berücksichtigt werden, denn da sind die Voraussetzungen nicht gleich.
Sie gehören zu einem Team junger Projektmitarbeitender unter der Leitung von Prof. Dr. Christine Volkmann. Welche Expertisen bringen sie denn alle in dieses Netzwerk mit ein?
Hannah Jensen: Wir sind insgesamt sechs Mitarbeitende im Team. Neben unseren Studienabschlüssen u.a. in Entrepreneurship und Innovation, Management Studies, Management und Marketing sowie in Kommunikations- und Medienwissenschaften, greifen wir auf Erfahrungen in Veranstaltungskonzepten, Marketingaktivitäten und online Kampagnen zurück und bieten unsere Hilfe im Netzwerkmanagement, bei Projektleitungen, IT-Beratung und der Bearbeitung von Lehrinhalten an. Wir alle sind mit dem Thema Gründung vertraut und kommen sozusagen aus der Zielgruppe, die wir unterstützen möchten.

Messebereich
Foto: Josephine Behr
Am 29. Oktober startet um 11.00 Uhr der mittlerweile 5. Gründerinnen SUMMIT hier an der Bergischen Universität. Was erwartet die Besucher*innen auf diesem Gipfel?
Hannah Jensen: Das Ziel des Gründerinnen SUMMITs an der Bergischen Universität ist es, Gründerinnen, Nachfolgerinnen, Gründungsinteressierte, Investor*innen, Mentor*innen und Gründungsberater*innen aus ganz Deutschland zusammenzubringen. Getreu dem Motto “Dein Tag. Deine Bühne. Deine Community.” rücken wir unterschiedliche Frauen in den Vordergrund und machen sie sichtbar.
Dazu gibt es u.a. einen Messebereich. Darin stellen Gründerinnen ihre Produkte/ Angebote aus. Dies soll zum einen mehr Sichtbarkeit geben und zum anderen interessierte Studentinnen für das Thema Gründung sensibilisieren. In einem Workshop lernt man ohne spezifische Vorkenntnisse, wie man ein Start-up digital schnell und effektiv schützt. Der Bereich Capital Connect ist dann eine zweiteilige Veranstaltung, die sich mit der Frage beschäftigt: Wie kommen mehr Frauen an Kapital und ins Kapital? Die Veranstaltung bietet Raum für Austausch, Inspiration und erste Schritte in die Investmentwelt. Ein weiteres Angebot nennt sich ´Female Role Models` und ist eine interaktive Session mit Frauen aus Führung, Gründung und Nachfolge. In rotierenden Gruppen durch vier Thementische erhält man kurze Impulse von Expertinnen. Gerade auch die Nachfolge ist ein großes Thema der Zukunft. Viele Firmen werden Nachfolger*innen suchen müssen und wir möchten diese Idee als eine mögliche Option anbieten. Man kann also auch bestehende Unternehmen mit der eigenen Vision übernehmen, statt ganz neu zu gründen. Gleichzeitig bieten wir ein Hochschul-Netzwerktreffen an, eine Plattform für den direkten Austausch mit WES und anderen Gründungsberater*innen anderer Hochschulen. Es werden Best Practices geteilt und konkrete Impulse für die gezielte Ansprache von Gründerinnen mitgenommen. Und abschließend findet noch eine Pitch Night statt. Hier werden sich Frau Staatssekretärin Gitta Connemann (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie) und Ministerin Mona Neubaur (Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen) in einem Talk mit Prof. Dr. Christine Volkmann über die Bedeutung weiblichen Unternehmer*innentums austauschen. Am Abend des Gründerinnen SUMMIT 2025 treten sechs weibliche und gemischte Gründungsteams bei der Pitch Night an. In vier Minuten präsentieren sie ihre Ideen live vor einer Jury und stellen sich anschließend den Fragen. Es geht um den WES Award und insgesamt 4.000 Euro Preisgeld.
Interessierte Gründerinnen können sich gerne anmelden unter https://www.eventbrite.com/cc/grunderinnen-summit-2025-4439653?utm-campaign=social&utm-content=creatorshare&utm-medium=discovery&utm-term=odclsxcollection&utm-source=cp&aff=escb .
Weitere Informationen zum 5. Gründerinnen SUMMIT sind unter Gründerinnen SUMMIT 2025 – Women Entrepreneurs in Science zu finden.
Uwe Blass
Hannah Jensen studierte Management & Marketing und gründete parallel im Bereich der Mobilität. Nach einer dreijährigen Gründungsreise, war sie einige Zeit bei einem mittelständischen Unternehmen für den Aufbau eines Car-Sharings aktiv und arbeitet heute im Team des Hochschulnetzwerkes ´Women Entrepreneurs in Science` an der Bergischen Universität.