Fünf (bis sechs) Fragen an ... Ralf Wegener (FK 6, ema / Projekt Get it Digital)

05.11.2025|07:55 Uhr

Vor kurzer Zeit wies unser Blog auf zwei Veröffentlichung hin, die nicht nur aufzeigten, wie ungemein praktisch ein automatisierter Workflow zur Erstellung von Lehr-/Lernmaterialien mit LaTex sein kann, sondern auch das Best Practice Beispiel eines modularisierten OER-Kurses zu den Grundlagen der Elektrotechnik vorstellten.

Letzteres, das Projekt Get it Digital, hat den Redakteur des vorliegenden Blogs nachhaltig beeindruckt, und es darf auch an dieser Stelle sicherlich noch einmal auf die Projekthomepage verwiesen werden https://getitdigital.uni-wuppertal.de. Aber wie verhält es sich mit dem praktischen Einsatz dieses OER-Kurses in der Lehre? Unsere Redaktion hatte Gelegenheit, mit einem der verantwortlichen “Macher“ dieses Kurses zu sprechen, PD Dr. Ralf Wegener (AOR am Lehrstuhl für Elektrische Maschinen und Antriebe, FK 6).

 

Frage: Die Module machen – soweit ich das als Fachfremder sagen kann – einen inhaltlich wie auch in der dargebotenen äußeren Form sehr elaborierten Eindruck. Manch anderen Lehrpersonen mag da der Gedanke kommen: gräbt man sich durch das Angebot eines solchen OER-Kurs nicht die „Hörerschaft“ der Einführungsveranstaltungen ab? 

Antwort: Für mich als Lehrender ist es das primäre Ziel, den Studierenden das benötigte Wissen beizubringen. Dabei bin ich, meiner Meinung nach, doch nicht auf die herkömmliche universitäre Form der Vorlesung beschränkt. Jeder Studierende lernt individuell in seinem Tempo und mit den für sie oder ihn am besten geeigneten Medien. Ob das eine Vorlesung mit 150 anderen Studierenden in einem Hörsaal oder eben Skripte oder Videos sind, muss jeder selbst für sich entscheiden. Diese Freiheit möchte ich unterstützen, indem ich verschiedene Medien neben der Vorlesung selbst anbiete und dadurch die Qualität, Konsistenz und Vollständigkeit sicherstelle. Gleichzeitig ermögliche ich damit ein barrierearmes Lernen.

 

Frage: Ist das Projekt „Get it Digital“ curricular eingebunden, oder wird auf die Materialien anderweitig in den Veranstaltungen des Faches an der BUW (oder der anderen beteiligten Hochschulen) direkt zurückgegriffen?

Antwort: Das Projekt wird durch alle sechs beteiligten Hochschulen in teilweise mehreren Lehrveranstaltungen mit unterschiedlichen Zielgruppen (Uni/FH und verschiedene Fächer) eingesetzt. Dabei nimmt sich jeder Lehrende Teile des Projektes heraus, die in den speziellen Schwerpunkt des unterrichteten Fachs passen. Das können ganze Module oder auch nur einzelne Unterkapitel sein. An der BUW werden Teile aus 11 der 12 Module in einer Grundlagenveranstaltung für Informatiker verwendet.

 

Frage: Ich habe gelesen, dass die Module des Projektes regelmäßig evaluiert werden und das Feedback recht positiv ausfällt. Das ist natürlich schon mal erfreulich, aber der Lackmustest für digitale Lehr- und Lernmedien ist dann doch immer der reale Lernerfolg. Langer Rede kurzer Sinn: lassen sich in Veranstaltungen, in denen die OER-Materialien direkt zum Einsatz kommen oder als Lernhilfe empfohlen werden Auswirkungen auf die Prüfungsergebnisse feststellen?

Antwort: Bisher fanden im letzten Wintersemester Evaluationen an den 6 Hochschulen statt, die durchweg eine positive Resonanz zeigten. Das Projekt war aber zu dem Zeitpunkt noch in vollem Gang, daher sind die Ergebnisse noch nicht ausreichend fundiert um hierauf eine qualifizierte Aussage zu treffen.
Seit ich in der Vorlesung umfangreiche Materialien zusätzlich zur Vorlesung anbiete (anfangs nicht als OER), sind die Ergebnisse in Bezug auf gute und sehr gute Noten auf jeden Fall deutlich besser geworden. Die Durchfallquote, die vielfach als Qualitätsmerkmal angesehen wird, halte ich hierfür für ein ungeeignetes Kriterium, da auch Studierende berücksichtigt werden, die „einfach mal so“ ohne Vorbereitung mitschreiben und selber nicht mit einem Bestehen rechnen.

 

Frage: Im Bereich von Forschung ist das kollaborative Zusammenarbeiten mehrerer Hochschulen inzwischen Routine, bei der Erstellung von Lehr- und Lernmedien entwickelt sich zumindest der Trend dahin. Wie waren Ihre Erfahrungen in der Zusammenarbeit bei der Erstellung der Module des OER-Gesamtprojektes „Grundlagen der Elektrotechnik“?

Antwort: Die Zusammenarbeit im Projekt verlief von Anfang an sehr problemlos. Jede Hochschule hatte ihre eigenständigen Module deren Inhalte mit den anderen abgesprochen wurden. Gemeinsam haben wir die Layouts und Formvorgaben gemacht. Wir hatten den großen Vorteil, dass alle Projektbeteiligten ein inhärentes Interesse an dem Projekt haben, weil sie die Ergebnisse in den eigenen Lehrveranstaltungen einsetzen und sie damit verbessern konnten. Das hat sicherlich für eine konstruktive Atmosphäre und Zusammenarbeit gesorgt.

 

Frage: Hieran anschließend weitergefragt: Gab es für Sie so etwas wie „Lesson learned“? Oder vielleicht etwas offener: Gibt es irgendwelche Tipps, die Sie anderen Lehrenden der BUW mitgeben würden, wenn diese auch überlegen, ein derartiges Projekt zu starten?

Antwort: Wir haben viel über die barrierefreie Erstellung von Lehr- und Lernmaterialien gelernt, z.B. dass es zur Zeit quasi unmöglich ist, mit LaTeX ein barrierefreies pdf zu erzeugen. Dieses Problem haben wir über den HTML-Export in Form der Webseite gelöst, die von Screenreadern besser gelesen werden kann.
Weiterhin haben wir großen Wert auf die Wartbarkeit und Konsistenz der erstellten Unterlagen gelegt. Es werden aus einer Quelldatei alle Medien (Skript, Folien, Videos, Webseite) automatisiert auf einem Server erzeugt, so dass sie immer mit wenig Aufwand zueinander konsistent überarbeitet werden können.

 

Frage: Traditionell stelle ich am Ende ja immer eine Frage zur persönlichen Einschätzung. Also: Wo sehen Sie die Didaktik ihres Faches in 10 Jahren? Oder vielleicht in Teilfragen aufgesplittet: Welche Entwicklungen wird es geben? Was sollte oder muss unbedingt gemacht werden, um das Fach Elektrotechnik (insb. an der BUW) für Studierende attraktiv zu halten?

Antwort: Eine sehr große Herausforderung der nächsten Jahre wird sicherlich die Integration der KI in die Lehre. Es muss den Studierenden nahegebracht werden, wie sie KI gewinnbringend einsetzen um ihren Lernerfolg zu unterstützen und nicht um Aufgaben im Studium, die ja als Training oder sogar als Prüfungsleistung gedacht sind, von der KI lösen zu lassen. Wie sich das Studium dadurch in Zukunft verändert, ist zur Zeit noch nicht abzuschätzen.

 

 

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