Fragmentierung in der Lehrkräftebildung - Buchtipp und Veranstaltungshinweis
Die öffentliche Buchbesprechung zu „Fragmentierung in der Lehrkräftebildung“ am 27.05.2025 findet von 18:00 - 20:30 Uhr im FreiRaum (Bärenstraße 11-13, 42117 Wuppertal) statt, auf Anfrage kann aber auch ein Zoom-Link zur Online-Teilnahme verschickt werden (Kontakt: polcik[at]uni-wuppertal.de). Über die im Sammelband behandelten Fragestellungen, also u.a. worin eigentlich die „Fragmentierung der Lehrkräftebildung“ besteht, inwiefern sie problematisch ist und welche Ansätze existieren, ein kohärenteres Lehramtsstudium zu fördern, diskutieren mit den Herausgeber*innen (A. Gräf, S. Helling, D. Losch, Th. Polcik, P. Rojahn, S. Wendland) Prof. Dr. Susanne Lin-Klitzing (Deutscher Philologenverband), Prof. Dr. Marion Pollmanns (Europa-Universität Flensburg) sowie Dr. Dr. Kenneth Rösen (Ruhr-Universität Bochum). Prof. Dr. Rita Casale (Bergische Universität Wuppertal) wird die Diskussion moderieren.
Freilich lohnt sich nicht nur dieses Event, sondern auch die Lektüre des dort besprochene Buch, welches sowohl als Print wie auch als online open access-Publikation unter anderem über den Katalog Plus unserer Universitätsbibliothek oder direkt über die Download-Url https://doi.org/10.5771/9783748920106 rezipiert werden kann.
Der Band wartet mit 13 Beiträgen und rund 350 inhaltsstarken Seiten auf. Die Beiträge verteilen sich nach dem gut in die Thematik einführenden Vorwort der Herausgeber*innen auf die thematischen Abschnitte "Zur Kritik instrumenteller Vernunft in der Lehrkräftebildung", "Urteilskraft und Lehrkräftebildung", "Fachsystematik und didaktische Modelle" sowie "Fachliche Modelle: ästhetische, informatische und berufliche Bildung". Ein Autor*innen-Verzeichnis schließt den Band ab.
Im Vorwort heben die Herausgeber*innen hervor, dass die diagnostischen Betrachtungen der Fragmentierung in der Lehrkräftebildung üblicherweise vom subjektiven Erleben der Studierenden ausgehe. Und in der Tat werden die meisten Dozierenden in den Lehramts-bezogenen Fächern im Gespräch mit Studierenden deren Eindruck vermittelt bekommen haben, dass Fachwissenschaften, Bildungswissenschaften
und Fachdidaktik als eher heterogen empfundene Bestandteile im Studium schwierig zusammenzubringen seien. Eine Kohärenz der Studienanteile könne aber - so die Herausgeber*innen mit Bezug auf die übliche Betrachtungsweise - nicht durch objektive Vorgaben garantiert werden, sondern müsse durch die Studierenden selbst aktiv durch die Reflexion auf die allgemeine Bedeutung der einzelnen zu lernenden
Inhalte hergestellt werden. Gleichwohl - folgern die Herausgeber*innen weiter - hätten die oben genannten Bereiche erst dann eine Berechtigung als selbstständige Inhalte behandelt zu werden, wenn sie angeben könnten, wie sie zur Überwindung der durch ihre selbständige Präsentation angelegte Fragmentierung beizutragen in der Lage sind. Hierin sehen die Herausgeber*innen einen entscheidenden Punkt, denn die einzelnen universitären Fächer ermöglichten zwar üblicherweise eine umfassende und vertiefte Beschäftigung mit ihnen Gegenständen. Die allgemeine Reflexion sei aber je nach Fachkultur recht unterschiedlich ausgeprägt. Daher beschäftige sich der vorliegende Sammelband (der zugleich die Beiträge einer vorangegangenen Tag dokumentiert) vornehmlich mit einer frischen Analyse des Problems, worin die Fragmentierung in der Lehrer*innenbildung eigentlich besteht.
Die einzelnen Beiträge zu rezensieren würde an dieser Stelle zu weit führen (zumal dieser Blog-Post ja animieren möchte, das Buch selbst zu lesen). Es darf aber ausdrücklich verwiesen werden auf die Beiträge der Wuppertaler oder ehemaligen Wuppertaler Autor*innen in diesem Band:
- Anne Gräf: Zur Kritik instrumenteller Vernunft in der Lehrer*innenbildung am Modell des Wirksamkeitsansatzes
- Simon Helling: Die produktive ästhetische Einbildungskraft als bildender Gehalt des Musikunterrichts
- Daniel Losch (zusammen mit Bardo Herzig): Informatische Literalität und Medienbildung im Handeln von Lehrkräften
- Thassilo Polcik: Den „Strukturzusammenhang“ begreifen. Fragmentierung als philosophisches Problem und die Möglichkeit ihrer didaktischen Vermittlung
- Pia Rojahn: Urteilskraft als Kern einer pädagogisch und wissenschaftlich professionalisierenden Lehrkräftebildung
- Michael Städtler: Fachsystematik und Geschichte als Momente verstehensorientierter Lehrerbildung. Bildungsphilosophische Grundlagen und Modelle kohärenten Lernens
- Sebastian Wendland (zusammen mit Jeanne Lengersdorf): Kohärenz-stiftende Studienelemente im Master of Education der beruflichen Fachrichtung Mediendesign und Designtechnik an den Studienstandorten Wuppertal und Münster
Als ein wissenschaftlicher Sammelband handelt es sich bei den einzelnen Aufsätzen naturgemäß nicht um eine niederschwellige Wochenendlektüre und der Autor dieses Post gibt gerne zu, dass er sich einzelne Beiträge mit dem (virtuellen) Vermerk "mal in Ruhe lesen" zunächst zur Seite gelegt hat. Dennoch sei der Band nicht nur fachlich einschlägig vorbelasteten Lehrenden zu empfohlen. Zahlreiche Beiträge dürften sicherlich nicht nur für Dozierende resp. Forschende in der Lehrkräfte-Bildung anregend sein. Pars pro toto sei auf den Beitrag von Steffen Stolzenberger verwiesen, der die starke Gegenüberstellung von kompetenzorientierte Curricula und (der vielfach als autoritär denunzierten) klassischen Bildung hinterfragt und luzide aufzeigt, wie stark das gegenwärtige Kompetenzenmodell auf ökonomische (insbesondere neoliberale) Anforderungen reagiert. Trifft Stolzenbergs Analyse zu, so kann man daher durchaus kritisch hinterfragen, ob Bildung heute wirklich autonomer bzw. selbstbestimmter ist als in vorangegangenen bildungsgeschichtlichen Phasen.
Man darf gespannt sein, welche Aspekte dieses Sammelbandes und der ihm zugrundeliegenden Frage nach Fragmentierung und Kohärenz in der Lehrkräftebildung bei der Buchvorstellung besonders kontrovers (oder einmütig) zur Sprache kommen.