Besprechung: zwei aktuelle Wuppertaler Beiträge

04.11.2025|11:48 Uhr

Gute Lehre ist nicht nur ein Markenzeichen der klassischen Lehramtsstudiengänge. Dass an der Bergischen Universität Wuppertal auch in den Ingenieurswissenschaften lebhaft und erfolgreich daran gearbeitet wird, den Studierenden die fachlichen Inhalte bestmöglich zu vermitteln, belegen unter anderem zwei neue Paper von Angehörigen des Lehrstuhls für Elektrische Maschinen und Antriebe. Die Arbeiten wurden im Sommer dieses Jahres auf der EDULEARN 2025 in Palma vorgestellt und in den Proceedings dieser Tagung veröffentlicht.

Der erste Beitrag ist ein reines Wuppertaler Produkt und wurde von PD Dr. Ralf Wegener, Dr. Sebastian Gruber und Prof. Stefan Soter verfasst. Dieses Paper sei allen Lehrenden empfohlen, die ohnehin keine Berührungsängste zur Auszeichnungssprache LaTeX haben oder die gute Chance nutzen wollen, sich dieses mächtige Textsatzsystem einmal genauer anzuschauen. Denn in einer technisch gut verständlichen Darstellungsweise zeigt „Automated Workflow for creating Lecture Videos from Latex Beamer Slides“ nicht nur den im Titel angekündigten (und in der Darstellung gut nachvollziehbaren) Workflow auf, mit dem Vorlesungsvideos auf Grundlage einer LaTeX-Datei erstellt und jederzeit leicht aktualisiert werden können. Die Autoren dokumentieren anhand des Workflows auch den Einsatz der von Ihnen zu diesem Zweck entwickelten LaTeX-Erweiterung „BeamerVideo“. Diese Erweiterung ermöglicht es unter anderem, unter Nutzung von Open-Source-Software und einem (in der Erweiterung integrierten) KI-basierten Text-to-Speech-Synthesizer, erklärenden Text zu Vorlesungsfolien in Audio umzuwandeln und die einzelnen Elemente zu einem Video zu bearbeiten.

Was in der obigen Zusammenfassung des Beitrages vielleicht zunächst vor allem technik-orientiert klingt, erweist sich bei näherer Betrachtung als Aufzeigen einer guten Möglichkeit zur nachhaltigen (und faktisch arbeitserleichternden) Veranstaltungsvorbereitung. Denn durch die aufgezeigte Automatisierung des Prozesses können nachträgliche Änderungen – wie sie bei der Aktualisierung der Veranstaltung in folgenden Semestern oder aber auch sporadisch im Verlauf eines laufenden Semesters schnell notwendig werden können – sehr einfach vorgenommen werden. Darüber hinaus ist innerhalb dieses aufgezeigten Workflows die automatische Generierung eines Video-Untertitels nicht nur möglich, sondern auch mit sehr wenig Aufwand verbunden, was ein deutliches Plus mit Blick auf die anzustrebende Barrierefreiheit von Lehr- und Lernmedien darstellt.

 

Das zweite Paper trägt den Titel „’GET it Digital’: A systematic approach to developing multimedia OER lecture material in electrical Engineering.” Als Autoren zeichnen sich verantwortlich Henrik Bode (Uni Paderborn), PD Dr. Ralf Wegener (Uni Wuppertal), Matthias Werle (FH Südwestfalen), Prof. Dr. Kerstin Siebert (Hochschule Ruhr West), Prof. Dr. Martin Kiel (FH Dortmund) und Prof. Dr. Katrin Temmen (Uni Paderborn). Vorgestellt wird in diesem Beitrag ein modularer Onlinekurs, der an den Hochschulen der Autor*innen sowie an der FH Aachen im Rahmen des Projektes „GET it Digital“ kollaborativ erarbeitet wurde und nun als OER unter der Lizenz CC BY 4.0 zur freien Verfügung steht (z.B. über das twillo Repositorium; die Module selbst sind auch erreichbar über die Modulübersicht auf der Projekt-Webseite). Ziel des Kurses ist die Vermittlung von Grundkenntnissen der Elektrotechnik, was sich dann auch im Wortspiel von get bzw. GET (=Grundlagen der Elektrotechnik) niedergeschlagen hat. Zu Beginn des Beitrages markieren die Autor*innen die Ausgangssituation des Projektes. So umfassen die Grundlagen der Elektrotechnik wichtige Bestandteile aus verschiedensten MINT-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) an Universitäten. Aufgrund der eigenen Fachkultur sind die jeweiligen Lehrmaterialien allerdings oft didaktisch uneinheitlich oder unvollständig; viele Materialien sind zudem nicht unmittelbar selbsterklärend. Die Nutzung derartiger (unzureichender) Lernressourcen kann leicht zu Frustrationen bei den Studierenden führen. Das Projekt „GET it digital” will diesem Problem durch die Bereitstellung des oben schon genannten Kurses begegnen. Im Kern besteht das Projekt – wie im Beitrag näher ausgeführt wird – aus 12 Modulen, die das gesamte Spektrum der Grundlagen der Elektrotechnik abdecken. Die Module selbst folgen dem Multi-Channel-Ansatz und bieten den Studierenden jeweils das identische Set an Grundlagenwissen bzw. Inhalten in verschiedenen Lernformaten. Daher finden sich in allen Modulen (die übrigens nach dem im oben besprochenen Paper dargestellten Prinzip erstellt wurden) jeweils ein umfassendes Skript, eine Reihe von Vorlesungsfolien und Lernvideos mit Animationen sowie mittels KI-Unterstützung generierten Sprachkommentaren. Dabei heben die Autor*innen in einem eigenen Abschnitt hervor, dass die verwendete Technologie gerade bei den Videos eine vergleichsweise unaufwendige Aktualisierung ermöglichen. Ebenfalls in einem eigenen Abschnitt skizziert findet sich der Themenbereich Aufgaben und Prüfungsmöglichkeiten. Hier bietet der Kurs zum einen die gewissermaßen klassischen Text- oder Bild-basierten Aufgaben, wie man sie aus bisherigen Lehr-/Lernmedien kennt. Daneben enthält der Kurs aber auch – wie etwas detaillierter dargestellt wird – webbasierte Aufgaben, die mithilfe des Assessmentsystems STACK erstellt wurden und vielfältige neue, interaktive Trainings- resp. Prüfungsfragen im mathematisch-technischen Anwendungsgebiet erlaubt. Hinweise zur Qualitätssicherung in der Erstellung des Kurses, die sowohl Peer Review der beteiligten Hochschulen untereinander als auch den Probeeinsatz neuer Materialien in realen Lehrsituationen und Evaluationen durch Studierende umfasst, runden den Beitrag ab.

Alles in allem bietet der hier vorgestellte Beitrag eine gute Übersicht über Aufbau und technisches Konzept des OER-Kurses. Sich diesen anzuschauen lohnt sich für Lehrende der Elektrotechnik oder verwandter Fächer allemal. Denn das modulare Konzept wie auch die CC-Lizenz ermöglichen es, die Module (oder auch nur Teile der Module) frei nach eigenen, spezifischen Lehrbedürfnissen zu kombinieren. Besonders beispielhaft: Um diesen Prozess zu unterstützen, bietet das Projekt Leitlinien für Dozenten sowie beispielhafte Anpassungen von Vorlesungen, die auf die unterschiedlichen taxonomischen Anforderungen verschiedener Studiengänge zugeschnitten sind.

Die Proceedings dieser Tagung sind leider nicht ohne Registrierung zugänglich. Wer sich für die Beiträge interessiert, darf sich aber gerne direkt an Herrn Dr. Wegener (Ralf.Wegener[beiunsander]uni-wuppertal.de) wenden.

 

Apropos Einsatz in Vorlesungen: zeitnah finden Sie in BULB ein kurzes Interview mit Ralf Wegener, das vor dem Hintergrund von „GET it digital“ entstanden ist!

 

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