Auszeichnung
Wie gelingt Werbung im digitalen Zeitalter? – Wuppertaler Wohnzimmerstudie gewinnt wichtigen Branchenpreis

Das Gewinner-Trio von der Bergischen Universität Wuppertal (vorne von links): Julian Felix Kopka, Lennart Borgmann und Tobias Langner überzeugten die Jury mit ihrer „Wuppertaler Wohnzimmerstudie“. // Foto Thomas Fedra
„Die Auszeichnung ist für uns eine besondere Anerkennung unserer Arbeit – besonders, weil sie aus den Reihen derer kommt, die tagtäglich mit den großen Herausforderungen der Realisation effektiver Marketingkommunikation konfrontiert sind“, betont Prof. Dr. Tobias Langner, der an der Uni Wuppertal den Lehrstuhl für Marketing leitet und die Studie gemeinsam mit seinen Mitarbeitern Lennart Borgmann und Julian Felix Kopka durchführte.
Die Wuppertaler Wohnzimmerstudie ist die bislang größte mobile Eye-Tracking-Feldstudie in Deutschland. Für sie wurden 144 Personen in ihrem häuslichen Umfeld beobachtet, um zu analysieren, wie sie Medien und Werbung konsumieren. Die Studie untersucht die Frage, wie Werbung in einem Umfeld, das geprägt ist von zahlreichen Medienangeboten, überhaupt noch Aufmerksamkeit bekommt. Die Forschenden wollten so herausfinden, welche Taktiken bei der Gestaltung von Werbung fürs Gewinnen und fürs Halten von Aufmerksamkeit besonders effektiv funktionieren.
Wohnzimmer wird zum Labor
„Aufmerksamkeit ist die Super-Variable des Konsumentenverhaltens und eine Kernkompetenz unseres Lehrstuhls. Seitdem das Smartphone unser ständiger Begleiter ist, sind wir permanent online, abgelenkt und filtern Inhalte in rasanter Geschwindigkeit – Werbung zieht dabei oft den Kürzeren. Die dahinterliegenden Mechanismen zu erforschen und so zu effektiverer und effizienterer Werbung beizutragen, hat uns von Anfang an fasziniert“, erklärt Julian Felix Kopka.
Dabei machten die Forscher aus der Not eine Tugend: Als die Corona-Pandemie klassische Laborexperimente unmöglich machte, besuchten sie die Proband*innen zu Hause und untersuchten ihr Werbeverhalten dort, wo es stattfindet – im Wohnzimmer. Sie schauten genau hin: Welche Werbeinhalte nehmen die Studien-Teilnehmenden überhaupt wahr und woran bleiben sie hängen? Ihre Proband*innen trugen dabei eine Brille, die die Augenbewegung dokumentiert.
„Unsere Studie zeigt, dass rund die Hälfte der Aufmerksamkeit durch reine Gestaltungselemente erklärt wird. Ein Appell an die Praxis lautet daher: Nutzt Aufmerksamkeitstaktiken“, so Lennart Borgmann. Besonders effektiv beim Gewinnen von Aufmerksamkeit seien demnach große Anzeigenformate, direkte Ansprache, animierte Szenen, fremdsprachige Elemente und unbekannte Personen. Eindeutig waren auch diese Ergebnisse: Medienkonsum kann heute immer und überall stattfinden, das Smartphone dominiert, klassische Medien wie TV verlieren an Bedeutung.
Um Aufmerksamkeit zu halten, wirken Prominente, Influencer*innen, positive Emotionen, Kontraste, schöne Hintergründe und Gewinnspiele. Gleichzeitig zeigt sich: Zu aufdringliche Gestaltung, etwa grelle Farben oder laute Musik, kann kontraproduktiv sein und zur Werbevermeidung führen.
„Raus aus dem Elfenbeinturm“
Das Interview mit den drei Gewinnern, aus dem auch in diesem Artikel zitiert wird, führte die Horizont-Redaktion. Der Artikel „Forschung muss raus aus dem Elfenbeinturm“ (pdf-Download) ist erschienen in HORIZONT 36-37 vom 4. September 2025, Seite 18-19. Weitere Infos zur Zeitschrift und Redaktion: horizont.net.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass das hier veröffentlichte pdf zur Ansicht dient. Die Rechte zur redaktionellen Nutzung sind beim Anbieter gesondert zu erwerben.
Nicht haltbar sei die These, dass in der digitalen Welt alles neu ist und die Wahrnehmung des Menschen völlig verändert. Die grundlegenden Mechanismen der Aufmerksamkeitsverteilung seien erstaunlich stabil – geprägt durch Jahrtausende der Evolution. Im Rahmen der automatisierten Kurzzeitbetrachtung bleiben Blicke beispielsweise immer zuerst an Stimuli hängen, die aus der Masse der Reize herausstechen. Beeindruckt habe die Forschenden allerdings das enorme Ausmaß der permanenten Ablenkung und der damit verbundene Rückgang der Aufmerksamkeitsspannen. „Auffallend ist auch, dass Konsument*innen heute noch aktiver auswählen als früher, welche Inhalte sie überhaupt zulassen“, so Langner.
„Werbeerfolg kein Zufallsprodukt“
Die Studie liefert neben praxisnahen Empfehlungen für die Gestaltung wirksamer Werbung auch belastbare Erkenntnisse zur Budgetplanung der Werbenden sowie theoretische Impulse für die Werbeforschung. „Werbeerfolg ist kein Zufallsprodukt kreativer Eingebung. Er basiert vielmehr auf der Kenntnis der grundlegenden psychologischen Mechanismen von Wahrnehmung, Verarbeitung und Lernen – Mechanismen, die man verstehen und gezielt einsetzen kann“, erklärt Langner.
Der Jury-Vorsitzende Dirk Engel resümiert: „Die Studie überzeugt durch ihre wissenschaftliche Tiefe, Praxisrelevanz und den innovativen Zugang zum Thema Werbeaufmerksamkeit im digitalisierten Alltag. Besonders hervorzuheben ist die Kombination aus verschiedenen Methoden. Die Nähe am Alltag der Rezipienten ist für die Werber ein guter Realitäts-Check. Dabei bleibt die Untersuchung nicht allein im Deskriptiven, sondern prüft verschiedene Taktiken, wie man Aufmerksamkeit erzeugt – für Werbepraktiker sehr instruktiv. Was ich besonders hervorheben möchte: Wir haben hier eine aufwendige Studie, die nicht von einer Agentur oder einem Werbevermarkter beauftragt wurde, sondern es handelt sich um rein akademisches Projekt, aus dem eine ganze Reihe wissenschaftlicher Publikationen hervorgegangen sind.“
Werbewissenschaftliches Symposium an der Bergischen Universität Wuppertal
Am 30. Oktober 2025 veranstaltet der Lehrstuhl für Marketing zusammen mit der Deutschen Werbewissenschaftlichen Gesellschaft (DWG) in Wuppertal das Symposium zur wirksamen Markenkommunikation mit vielen Expert*innen aus der Praxis. Informationen dazu gibt es auf der Webseite der DWG: https://dwg-online.net/events/markenkommunikation/