„Studenten stellen Ideen für Gedenkort dar“ – 4 Fragen zum WZ-Artikel an Dr. Ulrike Schrader

23.06.2023|15:00 Uhr

In der Westdeutschen Zeitung vom 16. Juni 2023 erschien ein Bericht über ein studentisches Projekt, das sich mit den gedenkstättenpädagogischen Herausforderungen zur Neugestaltung eines möglichen Gedenkortes ‚KZ Kemna‘ beschäftigt hat. Diese Übung fand unter der Leitung von Dr. Ulrike Schrader, Leiterin der Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal und Lehrbeauftragte an der Bergischen Universität Wuppertal statt. Angesichts von Formulierungen, die Irritation und Unverständnis auslösten, hat die Universitätskommunikation Dr. Schrader um Erläuterung gebeten.

Frau Dr. Schrader, wie war die Ausgangssituation?

Dr. Schrader: Im Rahmen eines Lehrauftrags im Fach Geschichte haben Studierende im Wintersemester 2022/23 und in einem Blockseminar im Sommersemester 2023 Ideen entwickelt, wie eine Gedenkstätte im Gebäude und auf dem Gelände des ehemaligen ‚KZ Kemna‘ aussehen könnte. Da die konkrete Gestaltung eines Grobkonzeptes zu diesem Zeitpunkt bereits vom Evangelischen Kirchenkreis an ein Geschichtsbüro vergeben worden war, hatte die Veranstaltung reinen Übungswert. Die Ergebnisse unserer Arbeit haben wir öffentlich anhand eines Modells präsentiert und zur Diskussion gestellt. Eine Vertreterin der Westdeutschen Zeitung hat später um einen eigenen Termin gebeten. Aus heutiger Sicht war diese Aufgabe, die ich mir und den Studierenden gestellt hatte, interessant, aber auch sehr fordernd. Die Präsentation vor der Presse hingegen stellte rückblickend eine Überforderung dar.

Worin genau bestand das Problem bei dieser Präsentation vor der Presse?

Die Erläuterung des Modells, der Ideen dahinter und der Herausforderungen bei der Herangehensweise war sehr ausführlich. Dabei wurde deutlich, dass die Geschehnisse der Jahre 1932 und 1933 in ihrer Komplexität und Vielschichtigkeit nicht angemessen dargestellt werden konnten. Bei der Präsentation ging es uns daher eher um Fragen der Vermittlung. Es hätte in meiner Verantwortung gelegen, das Pressegespräch zu strukturieren, zu steuern und sicherzustellen, dass wir adäquate und druckreife Formulierungen anbieten.

Ich halte es aus heutiger Sicht für eine Fehlentscheidung, die Presse in einen solchen offenen Werkstattprozess einzuladen. Dafür übernehme ich die volle Verantwortung und bitte die Studierenden, die dadurch in der Öffentlichkeit in die Schusslinie geraten sind, um Entschuldigung.

Welches Missverständnis ist aus Ihrer Sicht daraus entstanden?

Zuerst möchte ich klarstellen: Wer im ‚KZ-Kemna‘ Täter und wer Opfer war, steht außer Frage! Dass ich den eindeutigen Unterschied zwischen Opfern und Tätern im Lager einerseits und dem breiten Verhaltensspektrum von Ablehnenden, Mitlaufenden und Zustimmenden in der Bevölkerung andererseits bei der Präsentation und gegenüber der Presse nicht deutlich genug gemacht habe, werfe ich mir vor. 

Ich bedauere insbesondere, dass der Eindruck entstehen konnte, dass ich die Häftlinge des ‚KZ Kemna‘ aufgrund ihrer Parteizugehörigkeit bewertet hätte. Selbstverständlich waren alle Häftlinge des ‚KZ Kemna‘ gleichermaßen den Misshandlungen und Grausamkeiten der Wachmannschaften ausgesetzt, unabhängig von Parteizugehörigkeiten.

Was ist Ihnen im Hinblick auf Ihre Aussagen besonders wichtig und welche Erfahrung nehmen Sie mit?

In dieser Situation ist mir vor allem wichtig, dass das Ansehen der Studierenden, der Fachgruppe Geschichte und der Bergischen Universität insgesamt, der evangelischen Kirche und der Begegnungsstätte Alte Synagoge nicht beschädigt wird. Inhalt der Lehrveranstaltung war eine Übung, ein Experiment, eine kreative Denkaufgabe. Dies öffentlich zu machen, war ein Fehler, weil in einem so vorläufigen Ergebnis notwendigerweise Unschärfen liegen. Die Gesamtintention konnte so nicht deutlich werden. Das räume ich als Verantwortliche für diese Lehrveranstaltung ein und übernehme auch dafür die volle Verantwortung.

Die Fragen stellte Corinna Dönges.

Das Statement vom 21.06.2023 ist hier abrufbar.

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