Poetikdozentur 2025
Lesung und Gespräch mit Thea Dorn: „Mich packt es erst, wenn mich etwas irritiert“

Uni-Rektorin Birgitta Wolff (li.) und der Initiator der Poetikdozentur Christian Klein (re.) begrüßten Autorin Thea Dorn (Mitte) zum Auftakt ihrer dreiteiligen Veranstaltungsreihe in Wuppertal. // Foto Michael Mutzberg
In seiner Einführung betonte Prof. Christian Klein, Initiator der Poetikdozentur am Zentrum für Erzählforschung an der Bergischen Universität: „Es ist in der aktuellen Zeit gebotener denn je, sich mit den Möglichkeiten und Grenzen von Erzählformen, mit denen wir die Wirklichkeit beschreiben, auseinander zu setzen und uns ihre Relevanz zu vergegenwärtigen, da Fakten inzwischen, wie es scheint, zu einer Verhandlungsmasse geworden sind.“
Wie gut die deutschlandweit einzigartige Poetikdozentur für faktuales Erzählen (siehe Infokasten) an die Bergische Universität passt, verdeutlichte Uni-Rektorin Birgitta Wolff in ihrer Begrüßung: Das Anliegen der Wissenschaft sei es, mit fundierten Erkenntnissen und Lösungsbeiträgen für Herausforderungen Wirklichkeit konstruktiv mitzugestalten und so auch ein Stück weit zu verbessern. „Nicht alle erreichen wir, indem wir mit Statistiken und Fußnoten kommunizieren; welche Arten es noch gibt, über die Wirklichkeit zu berichten, das lernen wir jedes Jahr von der Poetikdozentur“, so Wolff.
Wer genau mit Thea Dorn die diesjährige Poetikdozentur innehat, stellte Christian Klein im Anschluss an die Begrüßung persönlich vor. Die Schriftstellerin stehe für lebhafte Diskussionen und produktiven Streit: „Wie ihre Tätigkeiten beweisen, ist es nicht der Wunsch nach Harmonie, der sie bei deren Auswahl leitet“, verwies Klein unter anderem auf die Funktionen der studierten Philosophin und Dramaturgin als TV-Moderatorin für „Das literarische Quartett“ sowie als Co-Sprecherin der Autor*innenvereinigung PEN Berlin.
Zu Dialog anregen
Dorn ginge es darum, ihren Leser*innen „auch mal etwas zuzumuten und den öffentlichen Diskurs nicht weichzuspülen“, so Klein. Das bestätigte die Autorin im gemeinsamen Gespräch: „Das Wichtigste ist, dass wir miteinander sprechen, und dazu soll Literatur anregen.“ So gebe sie in ihren Romanen als Autorin keinen moralischen Kompass vor. „Die Gefühle, die durch eine Geschichte aufkommen, in der es nicht immer einfach ist, sich einen Reim auf Dinge zu machen, muss man beim Lesen aushalten können und mit sich sowie in der Diskussion darüber ausmachen. Nicht ich als Autorin gebe ein Richtig oder Falsch vor.“ Das wiederum erwarte auch sie selbst von einem guten Buch: „Mich packt es erst, wenn mich etwas irritiert und wenn ich erstmal gegen etwas revoltiere und beginne nachzudenken.“
Genau solche Denkanstöße will auch sie mit ihrem Schreiben liefern, im besten Sinne einer demokratiefördernden Literatur, die der Gesellschaft einen Spiegel vorhält und zu Dialog und Reflexion der Wirklichkeit anregt. Das geschieht bei Thea Dorn nicht nur in Romanform. Bei Themen und Fragen, auf die sie für sich selbst klar Antworten findet, greift die Autorin gerne zum Essay und zu Sachtexten.
Auf dieses Genre und seine Funktion im Rahmen von Wirklichkeitserzählungen will die Poetikdozentin in zwei weiteren Veranstaltungen an der Universität genauer eingehen. An den Donnerstagabenden 3. und 10. Juli finden ihre Vorlesungen im Rahmen der Poetikdozentur an der Bergischen Universität Wuppertal auf dem Campus Grifflenberg in Hörsaal 14 (Gebäude M, Ebene 10) statt. Der Eintritt ist kostenfrei. Beginn ist um 18 Uhr.
Begegnung mit namhaften Autor*innen
Erzählen ist eine grundlegende Form unseres Zugriffs auf Wirklichkeit. In den verschiedensten Bereichen der alltäglichen Lebenswelt und nicht zuletzt auf den Gebieten wissenschaftlicher Erkenntnis orientieren und verständigen wir uns mit Hilfe von Erzählungen. Reportagen des investigativen Journalismus, Selbstdarstellungen von Politikern im Wahlkampf, Erlebnisberichte in Internetblogs, Anamnesen im medizinischen Patient*innengespräch, Plädoyers vor Gericht, ökonomische Prognosen von Kursverläufen – all diese Kommunikationen erfolgen wesentlich in erzählender Form. Die Wuppertaler Poetikdozentur verfolgt als erste Poetikdozentur im deutschsprachigen Raum das Ziel, die Besonderheiten des nicht-literarischen oder auch faktualen Erzählens in den Blick zu nehmen. Im Rahmen der Dozentur beschäftigen sich Studierende über ein Semester hinweg mit einzelnen Schriftsteller*innen, Besonderheiten und Herausforderungen von Wirklichkeitserzählungen. Höhepunkt ist der persönliche Austausch mit den jeweiligen Autor*innen.
Seine Premiere feierte das Veranstaltungsformat im Sommersemester 2022 mit Marcel Beyer als einem der bedeutendsten und produktivsten zeitgenössischen Autoren im deutschsprachigen Raum. In den darauffolgenden Jahren waren mit der Publizistin Carolin Emcke und dem Literatur- und Sozialwissenschaftler Jan Philipp Reemtsma nicht minder prominente Vertreter*innen zu Gast an der Bergischen Universität Wuppertal.
Weitere Informationen zu Inhalten und Terminen sind zu finden auf der Webseite der Poetikdozentur.