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Astroteilchenphysik: Nature Veröffentlichung

KATRIN zieht das Netz um das schwer fassbare sterile Neutrino enger

03.12.2025|15:48 Uhr

Das KATRIN-Experiment hat mit bislang unerreichter Präzision nach Hinweisen auf ein viertes, sogenanntes steriles Neutrino gesucht – ein möglicher Schlüssel zu neuer Physik jenseits des Standardmodells der Teilchenphysik. Die nun in Nature veröffentlichte Studie setzt die bislang strengsten Grenzen für direkte Beobachtungen.

Mitarbeiter im Eingang des Hauptspektrometers // Foto KATRIN Collaboration

Neutrinos gehören zu den rätselhaftesten Teilchen des Universums. Sie entziehen sich nahezu vollständig der direkten Beobachtung und nehmen aufgrund ihrer winzigen Masse eine wichtige Sonderstellung ein – sie geben Anlass zur Annahme, dass physikalische Prozesse jenseits der bisher bekannten Theorien existieren. Das Standardmodell kennt bisher drei Arten von Neutrinos. Das internationale KATRIN-Experiment, an dem rund 20 Institutionen aus sieben Ländern beteiligt sind – darunter die Bergische Universität Wuppertal (BUW) – hat nun mit beispielloser Präzision nach einer möglichen vierten Art von Neutrino gesucht, dem sterilen Neutrino. Seine Entdeckung würde das bisherige Verständnis der Teilchenphysik revolutionieren. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Forschenden nun in der aktuellen Ausgabe der renommierten Fachzeitschrift Nature.

Das am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) angesiedelte KATRIN-Experiment untersucht seit 2019 den Beta-Zerfall von Tritium, um fundamentale Eigenschaften von Neutrinos zu bestimmen – unter anderem ihre Masse. Das Energiespektrum der bei diesem Zerfall entstehenden Elektronen könnte verraten, ob dieses zusätzliche sterile Neutrino existiert. Dieses würde eine charakteristische Verzerrung, eine kleine „Knickstelle“, im Spektrum erzeugen.

In ihrer aktuellen Analyse hat die KATRIN-Kollaboration 36 Millionen Elektronen aus 259 Messtagen ausgewertet und dabei eine Messgenauigkeit im Sub-Prozent-Bereich erreicht. Ein solcher Knick wurde nicht beobachtet. Die Existenz steriler Neutrinos kann somit zu diesem Zeitpunkt nicht bestätigt werden.

Wuppertaler Hightech-Komponenten sichern Präzision

Die Bergische Universität Wuppertal trägt entscheidende Elemente zur außergewöhnlichen Messgenauigkeit von KATRIN bei. In den 70 Meter langen Hightech-Aufbau ist ein von Wuppertaler Forschenden entwickeltes Spezialinstrument integriert, das die Zerfallsrate von Tritium mit einer Genauigkeit von einem Promille im Sekundentakt bestimmt. „Unsere Technik arbeitet in einem nahezu perfekten Vakuum, muss bewegliche Komponenten submillimetergenau steuern und gleichzeitig einem starken supraleitenden Magnetfeld sowie Temperaturen knapp über dem absoluten Nullpunkt standhalten“, erläutert Dr. Enrico Ellinger aus der Fachgruppe Physik der Bergischen Universität.

Aktuell arbeitet das Wuppertaler Team außerdem daran, störende Signale im Datensatz zu beseitigen. Diese stammen von hoch angeregten Atomen im System. Dafür beschreiten die Forschenden neue Wege: Sie testen den Einsatz von Terahertz-Strahlung, um diese Störquellen gezielt zu unterdrücken. „Das ist eine völlig neuartige Technik“, erklärt Prof. Dr. Klaus Helbing, Leiter der Arbeitsgruppe Experimentelle Neutrinophysik an der BUW.

Ausblick: Wuppertal entwickelt Schlüsselkomponenten für das nächste Upgrade

Der wissenschaftliche Blick geht weiter nach vorn: Bis Ende 2025 wird KATRIN insgesamt mehr als 220 Millionen Elektronen registriert haben – eine Versechsfachung der bisherigen Datensätze. 2026 folgt ein umfassendes Upgrade des Experiments mit dem neuen TRISTAN-Detektor, der das gesamte Elektronenspektrum mit enormer Statistik erfassen soll.

Für dieses Upgrade entwickelt Dr. Ellinger eine hochpräzise Röntgenquelle zur Kalibrierung der Energiemessung – ein zentraler Baustein, um die Suche nach sterilen Neutrinos weiter zu verfeinern und damit ein möglicher Schlüssel zur Erweiterung unseres Verständnisses der Teilchenphysik.

Weiterführende Informationen

KATRIN Webseite: www.katrin.kit.edu
Nature Veröffentlichung: DOI: 10.1038/s41586-025-09739-9

Die KATRIN-Kollaboration, bei einem Treffen im Oktober 2024 // Foto J. Wolf/KATRIN Collaboration