Newsportal

 

 

Gleichstellung

Frauen in der Wissenschaft: Ein Tag im Zeichen des Potenzials

07.10.2025|14:00 Uhr

Frauen studieren, machen ihren Abschluss, promovieren – und dann? Dann verschwinden sie häufig aus dem System Wissenschaft. Im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen, die die Karriereleiter hin zur Professur weiter hochklettern. Doch Diversität in der Forschung ist wichtig – sie liefert verschiedene Perspektiven auf Fragestellungen und somit auch verschiedene Lösungsansätze. Wie hält man weibliche Talente also im System? Mit „Unlock your Potential“ hat das Gleichstellungsteam der Fakultät für Mathematik und Naturwissenschaften ein neues Format entwickelt, das einen Beitrag zur Bewältigung dieser Herausforderung leisten will. Zur erfolgreichen Premiere Ende September kamen 50 Nachwuchswissenschaftlerinnen der Bergischen Universität Wuppertal.

Kontakte knüpfen, ein Netzwerk aufbauen und von weiblichen Vorbildern lernen – dabei Frauen in der Wissenschaft zu untersützen, waren einige der Ziele bei der Premiere von „Unlock your Potential“. // Foto Marie Moosburger

Von Masterstudentin bis Postdoktorandin – „Unlock your Potential“ lud Frauen ein, die eine Karriere in der Wissenschaft anstreben. Die Organisatorinnen aus der Fakultät für Mathematik und Naturwissenschaften – ein Team aus dezentralen Gleichstellungsbeauftragten und Vertreterinnen des Dekanatsbüros – schufen ein Tagesprogramm mit inspirierender Keynote, Raum zum Netzwerken, Workshops und Infoblöcken unter anderem zu verschiedenen Förderprogrammen und Wegen der Drittmitteleinwerbung für die eigene Forschung. Das Ziel: Frauen, wo es nur geht, zu unterstützen, damit sie ihren Weg in der Wissenschaft erfolgreich gestalten können.

„Das große Interesse und das sehr ermutigende erste Feedback zeigen uns, dass wir mit dem Format einen echten Bedarf treffen. Deshalb planen wir auf jeden Fall eine Fortsetzung. Die Rückmeldungen der Teilnehmerinnen während der Tagung geben uns bereits wertvolle Hinweise darauf, welche Themen sie besonders beschäftigen. Nun überlegen wir, wie wir diese künftig noch gezielter aufgreifen und vermitteln können. Man darf also gespannt sein“, resümiert Dekanatsreferentin und Mitorganisatorin Dr. Isabella Kappner.

Zum Einstieg in den Tag war es Juniorprofessorin Kira Tiedge, die die Teilnehmerinnen am Beispiel ihres eigenen Lebenslaufs motivierte, dass dieser Weg nach der Promotion nicht zu Ende sein muss. Sie hat selbst in Wuppertal Biologie studiert und ist über Stationen in Österreich und den USA inzwischen im niederländischen Groningen angekommen, wo sie als Juniorprofessorin ihre eigene Forschungsgruppe leitet.

Ihr Vortrag ging weit über eine persönliche Vorstellung hinaus. Sie verband die Studienlage zur aktuellen Situation von Frauen in der Wissenschaft mit einem Plädoyer für die systematische Unterstützung von Wissenschaftlerinnen. „Ich habe lange gedacht, wir brauchen nur mehr Zeit, dann werden es schon mehr Frauen schaffen. Aber es hat sich wenig geändert und wir können nicht mehr warten“, so Tiedge.

Kira Tiedge zu Gast an ihrem einstigen Studienort: Die ehemalige Studentin der Bergischen Universität Wuppertal ist heute Junior-Professorin in den Niederlanden. // Foto Marylen Reschop

Den eigenen Mix finden

Bis zur Promotion sind Frauen in der Wissenschaft in der Mehrzahl, bevor sie in der Phase danach, als sogenannte Postdocs, von ihren männlichen Kollegen knapp überholt werden. Danach öffnet sich die Schere noch viel weiter. In Deutschland lag der Frauenanteil an hauptberuflichen Professuren Ende 2023 bei 29 Prozent. Die Gründe dafür, dass deutlich weniger Frauen als Männer in der Wissenschaft arbeiten, sind vielfältig: Schlechte Vereinbarkeit von Beruf und Familie, wenige Vorbilder, Vorurteile, veraltete Rollenbilder und Mobbing stellen Frauen vor besondere Herausforderungen.

In ihrer Rolle als Vorbild ließ Tiedge tief blicken: „Vergegenwärtigt euch, dass ein Lebenslauf nicht nur aus Erfolgen besteht. Ich habe erst Medizin studiert, dann Biologie mit dem Ziel Lehrerin zu werden, habe mich um Auszeichnungen und auf Stellen beworben, die ich nicht bekommen habe und Publikationen eingereicht, in die ich alles reingesteckt habe, um dann abgelehnt zu werden. Das was schwierig, aber man muss trotzdem weitermachen.“ Auch Kompromisse gehörten dazu, wie kurze Nächte oder auch eine Veranstaltung eher zu verlassen, um sich abends noch einmal an den Computer zu setzen. Für sich selbst habe sie mittlerweile festgestellt, dass sie Arbeit und Privates nicht strikt trennen wolle.

So mache sie zum Beispiel Videomeetings von unterwegs zwischen zwei Terminen ihrer Kinder. „Aber jede muss ihren eigenen Mix finden und schauen, was sich für sie selbst gesund anfühlt.“ Generell sprach sie ihren Zuhörerinnen Mut zu, sich von weiblichen Vorbildern das abzuschauen, was am besten zu einem selbst passe. „Jede hat was, wovon man lernen kann. Es gibt verschiedene Wege, die erfolgreich sein können“, so Tiedge.

Gruppenarbeit im Workshop // Foto Corinna Stärk

Tipps und Tricks für den Alltag

Zum Abschluss formulierte sie weitere praktische Ratschläge, die die Teilnehmerinnen direkt umsetzen können, wie zum Beispiel anderen von den eigenen Karriereplänen zu erzählen: „Nur so kann euch euer Umfeld auch Tipps geben, wenn es von Förderprogrammen oder spannenden Stellen hört.“ Und auch diesen Tipp wollte sie verstanden wissen: „Seid nicht immer die im Team, die die Organisation für Weihnachtsfeiern und Geburtstagsgeschenke übernimmt. Diese Aufgabe wird gerne Frauen übertragen. Hier lohnt es sich, nein zu sagen und die Kapazitäten anders zu nutzen.“

Wie wichtig Formate wie „Unlock your Potential“ für junge Wissenschaftlerinnen sind, wurde auch in diesen Ratschlägen deutlich: „Habt Spaß und vernetzt euch!“ Dazu hatten die Frauen den Tag über zahlreiche Gelegenheiten, wie zum Beispiel in der Kaffeepause beim „Wissenschaftlerinnen Bingo“. Das Spiel schuf eine lockere Atmosphäre, um sich kennenzulernen und auch über Kurioses ins Gespräch zu kommen.

Hilfe bei Anfeindungen und Reflexion der eigenen Fähigkeiten

In den zwei angebotenen Workshops „Future Skills“ und „Scicomm-Support“ ging es um hilfreiche Werkzeuge, die die Frauen auf ihrem Karriereweg in der Wissenschaft gut gebrauchen können.

Die deutsche Beratung Scicomm-Support zum Beispiel unterstützt Forschende, die von Anfeindungen und Hassrede betroffen sind. In den vergangenen Jahren hat sich der Ton und die Feindlichkeit gegenüber Wissenschaftler*innen und wissenschaftlichen Institutionen – nicht nur, aber vor allem in den Sozialen Medien – zunehmend verschärft. Frauen geraten laut Statistik häufiger ins Visier als Männer – und sie berichten von Diskriminierungsformen bis hin zu Belästigung und Stalking. In gemeinsamer Gruppenarbeit diskutierten die Teilnehmerinnen über ein Fallbeispiel und entwickelten Strategien für den Umgang mit einer solchen Situation. Denn, so auch eine zentrale Botschaft des Workshops, bestehe die Lösung nicht darin, zukünftig zu schweigen. Wissenschaftskommunikation wird zunehmend auch von Fördermittelgebern verlangt und trägt im besten Fall dazu bei, die Öffentlichkeit mit fundierten Fakten zu versorgen.

Future Skills sind die Kompetenzen – das Wissen, die Fähigkeiten und Haltungen – die notwendig sind, um erfolgreich in einer sich schnell wandelnden und zunehmend digitalisierten Welt zu agieren und sie aktiv mitzugestalten. Die Teilnehmerinnen bekamen nicht nur eine theoretische Einführung, sondern durften sich aktiv mit den Kompetenzen auseinandersetzen, um zu entdecken, wie sie hierbei aufgestellt sind.

Feedback der Teilnehmerinnen

„Die Veranstaltung stärkt das Selbstbewusstsein von Frauen in MINT-Fächern.“

„Ich finde das Konzept wichtig und sinnvoll, es bietet eine gute Grundlage für einen fachübergreifenden Austausch.“

„Die Erkenntnis, dass ich in der Arbeit in der Wissenschaft nicht nur fachliche, sondern auch persönliche Fähigkeiten entwickelt habe, war für mich besonders informativ und inspirierend.“