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Klimavorhersagen verbessern

ERC Consolidator Grant für Wuppertaler Experimentalphysikerin

09.12.2025|14:30 Uhr

Mit dem international renommierten ERC Consolidator Grant zeichnet der Europäischen Forschungsrat (ERC) vielversprechende Wissenschaftler*innen für ihre visionäre Forschung aus. Als erste Frau an der Bergischen Universität wurde nun Dr. Emma Järvinen, Professorin für Experimentalphysik mit dem Schwerpunkt globale Atmosphärenforschung, für diese prestigeträchtige Auszeichnung ausgewählt. Für ihr Projekt „CRYSTAL“ (Cloud Research for Yielding Sophisticated Treatment of Atmospheric Light-scattering) erhält sie in den kommenden fünf Jahren eine Förderung von rund zwei Millionen Euro.

Wurde mit dem ERC Consolidator Grant ausgezeichnet: Prof. Dr. Emma Järvinen // Foto Friederike von Heyden

„Die Auszeichnung von Emma Järvinen ist ein starkes Zeichen für die internationale Sichtbarkeit und die wissenschaftliche Exzellenz der Bergischen Universität“, sagt Prof. Dr. Stefan Kirsch, Prorektor für Forschung und Digitales. Und Rektorin Prof. Dr. Birgitta Wolff ergänzt: „Die nun bereits fünfte ERC-Erfolgsmeldung innerhalb von einem Jahr für unsere Universität ist ein wunderbares Weihnachtsgeschenk. So darf es weitergehen.“

Im Zentrum von Järvinens Projekt steht eine der größten Herausforderungen der Klimaforschung: die präzise Bestimmung der Wirkung von Eiswolken auf das Erdklima. Diese so genannten Cirruswolken bestehen aus winzigen Eiskristallen und beeinflussen die Erdtemperatur auf komplexe Weise – sie können die Erde sowohl kühlen, indem sie Sonnenlicht zurück ins All streuen, als auch erwärmen, indem sie Wärmestrahlung zurückhalten. Welche Wirkung überwiegt, hängt von zahlreichen Faktoren ab, unter anderem von der Mikrostruktur der Eiskristalle selbst.

Innovativer Ansatz: Nano-Strukturen der Eiskristalle rücken in den Fokus

Erst jüngste Beobachtungen aus Labor, Flugzeugmessungen und Satelliten zeigen, dass nano- und mikroskopische Strukturen auf den Kristalloberflächen – etwa Rauigkeiten oder winzige Lufttaschen – einen entscheidenden Einfluss darauf haben, wie Eiskristalle Licht streuen. Diese Strukturen werden in heutigen numerischen Klimamodellen jedoch kaum berücksichtigt. Das führt zu deutlichen Diskrepanzen zwischen Modellrechnungen und realen Messungen.

Hier setzt CRYSTAL an: Zum ersten Mal wird ein in der technischen Optik etabliertes Verfahren zur Beschreibung von Oberflächenrauigkeit auf atmosphärische Eiskristalle übertragen. Järvinen kombiniert dazu modernste 3D-Nanodruckverfahren, mit denen realistische Eisoberflächen künstlich nachgebaut werden können, mit Messungen eines neu entwickelten Polarimeters (Anm. d. Red.: Ein Polarimeter ist ein Messgerät, das Polarisation von Licht misst. Das bedeutet: Es erkennt, in welche Richtung die Lichtwellen schwingen.), das an Bord von Forschungsflugzeugen direkt in Eiswolken misst. So entsteht ein physikalisch realistisches optisches Modell, das die Lichtstreuung von rauen Eiskristallen wesentlich genauer beschreibt als bisherige Ansätze.

Große Bedeutung für Klimaprognosen

Die Ergebnisse sind entscheidend für die nächste Generation von Erdbeobachtungssatelliten wie NASA PACE und EUMETSAT Metop-SG. Deren hochpräzise Instrumente benötigen zuverlässige optische Modelle der Eiskristalle, um wichtige Klima-Parameter – etwa Eiswassergehalt oder Partikelgröße – korrekt abzuleiten. CRYSTAL schließt hier eine bislang zentrale Wissenslücke.

Durch die neuen Modelle sollen Klimavorhersagen künftig zuverlässiger werden – ein wichtiger Schritt, um politische Entscheidungen und Anpassungsstrategien besser wissenschaftlich zu untermauern. Järvinens Forschung könnte darüber hinaus auch für mögliche Geoengineering-Ansätze relevant werden, die Eiswolken gezielt beeinflussen wollen.

„Dies ist das erste Mal, dass wir reale Eispartikel-Oberflächen mithilfe von 3D-Nanodruck replizieren. Die Kombination dieser Laborarbeit mit gezielten Messungen unter Einsatz innovativer Technologien auf einem Forschungsflugzeug bildet eine einzigartige Labor‑Feld‑Modell-Validierungskette“, erklärt Emma Järvinen. „Das Ziel ist, dass wir nach fünf Jahren mit hoher Zuversicht die optischen Eigenschaften von Eiskristallen in Klimamodelle einbringen und Satellitendaten zuverlässig interpretieren können.“

Exzellente Wissenschaftlerin mit internationalem Profil

Emma Järvinen studierte Physik an der Universität Helsinki und promovierte 2016 am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Nach Forschungsaufenthalten am National Center for Atmospheric Research (NCAR) in den USA leitete sie am KIT eine Nachwuchsgruppe, bevor sie den Ruf nach Wuppertal annahm. Seit ihrer Berufung forscht sie an der BUW an den Schnittstellen von Atmosphärenphysik, Klimamodellierung und Experimentalmessungen.

Mehr Hintergrund: ERC Consolidator Grant

In der letzten Förderrunde wurden 3.121 Projektvorschläge eingereicht, von denen nur etwas mehr als 11 Prozent (349) eine Förderung erhalten. Für den Consolidator Grant erhalten die Forschenden jeweils eine Fördersumme von in der Regel bis zu 2 Millionen Euro. Das Geld wird über einen Zeitraum von fünf Jahren zur Verfügung gestellt.

Zielgruppe des Consolidator Grants sind exzellente Forschende in der Phase der Festigung ihrer wissenschaftlichen Unabhängigkeit und Etablierung einer dauerhaften eigenen Forschungsgruppe. Den Grant beantragen konnten Forschende jeder Nationalität, die sich zeitlich 7 bis 12 Jahre nach ihrer Promotion befinden.

Weitere Infos gibt es in der ERC-Pressemitteilung.