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Für ein faires und respektvolles Miteinander

„Antidiskriminierung ist eine zentrale Aufgabe jeder Universität“ – Nicole Potenza im Gespräch

09.07.2025|09:00 Uhr

Was tun, wenn man an der Universität Diskriminierung erlebt? Nicole Potenza ist seit mehr als einem Jahr Antidiskriminierungsbeauftragte an der Bergischen Universität Wuppertal. Mit ihrer Erfahrung als systemische Beraterin und Traumafachberaterin unterstützt sie Studierende und Beschäftigte in solchen Situationen – und treibt darüber hinaus wichtige strukturelle Veränderungen an. Im Interview erklärt sie, wie Betroffene unterstützt werden, welche Projekte sie bereits angestoßen hat und welche nächsten Schritte folgen.

Foto Sophie Charlott Ebert

Das Wichtigste zuerst: Was raten Sie Studierenden oder Beschäftigten, die Diskriminierung erfahren – oder sich unsicher sind, ob ihr Erlebnis überhaupt als solche einzuordnen ist?

Zunächst einmal, der eigenen Wahrnehmung zu vertrauen. Wer sich diskriminiert fühlt, sollte seine Gefühle ernst nehmen. Diskriminierung kann sehr belastend sein, Unsicherheit, Selbstzweifel, Ohnmacht, Wut oder Trauer auslösen. Wichtig ist, sich Zeit zu nehmen, zu spüren, was ich in dem Moment brauche: Ruhe, Rückzug, ein Gespräch mit anderen oder konkrete Handlungsmöglichkeiten.

Ein erster Schritt kann sein, die Vorfälle in einem Gedächtnisprotokoll festzuhalten. Eine echte Hilfe, die Situation für sich selbst greifbarer zu machen und später über mögliche nächste Schritte zu entscheiden. Außerdem kann es hilfreich sein, mit vertrauten Personen über die eigenen Erfahrungen zu sprechen. Wichtig hierbei: Vorgesetzte oder betreuende Personen haben laut Richtlinie eine Verpflichtung, aktiv zu werden, wenn sie von Diskriminierung erfahren. Wer unsicher ist oder vertraulich sprechen möchte, kann sich jederzeit an die Antidiskriminierungsstelle wenden.  Ein Beratungsgespräch kann darin unterstützen, die Situation einzuordnen und mögliche Handlungsstrategien zu entwickeln. Über weitere Ansprechpersonen informiert die Übersichtsseite der Beratungs- und Beschwerdestellen: https://www.uni-wuppertal.de/de/universitaet/organisation/beschwerdestellen-ombudsleute/.

Zu welchen Themen können sich Ratsuchende konkret an die Antidiskriminierungsstelle wenden?

Ich möchte alle Hochschulangehörigen, die an der Universität Diskriminierung erlebt oder beobachtet haben, ermutigen, sich bei der Antidiskriminierungsstelle zu melden. Hier erhalten sie Beratung zu einer Vielzahl von Themen rund um Diskriminierung und Gewalt. Dazu gehören Fälle sexualisierter Diskriminierung und Gewalt ebenso wie rassistische, antisemitische, queerfeindliche Diskriminierung oder aufgrund von Behinderung oder Beeinträchtigung – sei es im Hochschulalltag, im digitalen Raum oder im persönlichen Kontakt. Die Beratung ist vertraulich, parteilich für die betroffene Person und ergebnisoffen. Betroffene können sich auch anonym melden und beraten lassen. Ziel ist es immer, gemeinsam Handlungsoptionen zu entwickeln und die Betroffenen zu stärken. Zusätzlich biete ich eine kollegiale Beratung von Hochschulangehörigen an, die gegen Diskriminierung in ihrem Umfeld vorgehen wollen oder Austausch bei Unsicherheiten mit bestimmten Diversitätsaspekten wünschen. Außerdem bin ich für Sensibilisierung und Prävention sowie Öffentlichkeitsarbeit und Vernetzung innerhalb und außerhalb der Universität zuständig.

Werfen wir einen Blick zurück: Was hat Sie in Ihrem ersten Jahr an der Universität besonders bewegt – und welche Projekte konnten Sie schon auf den Weg bringen?

Ich freue mich sehr, dass ich von Anfang an intensiv am Auf- und Ausbau von Antidiskriminierungsstrukturen an der Bergischen Uni mitwirken konnte. Antidiskriminierung ist für mich eine wichtige Querschnittsaufgabe innerhalb der gesamten Hochschule. Besonders dankbar bin ich daher für das Vertrauen, das mir von verschiedenen Stellen entgegengebracht wird – und für die Offenheit vieler Universitätsmitglieder, sich mit oft sensiblen Themen auseinanderzusetzen.

Einige Meilensteine konnten wir bereits erreichen: etwa die Erarbeitung der Antidiskriminierungsrichtlinie der Universität, eine Veranstaltungsreihe zu Antisemitismus und Rassismus sowie Aktionen rund um den bundesweiten Diversity Day.

Sie haben schon viel bewegt – was steht als Nächstes an?

In nächster Zeit wollen wir vor allem die Antidiskriminierungsrichtlinie bekannter machen, ebenso wie die Formate und Maßnahmen der Antidiskriminierungsstelle. Mit anderen Worten: Ich würde mich freuen, wenn sich mehr Universitätsangehörige dazu weiterbilden und unsere Angebote wahrnehmen! Dazu wird es künftig weitere Informationsveranstaltungen und Workshops geben.

Auch die Zusammenarbeit mit engagierten Gruppen wie dem autonomen feministischen Referat wollen wir weiterführen – zum Beispiel mit weiteren Veranstaltungen wie dem Fightback-Training für FLINTA* und Queers (Anm. der Redaktion: FLINTA ist eine Abkürzung und steht für Frauen, Lesben, Intergeschlechtliche, Nicht-binäre, Trans und Agender Personen). Künftig sollen noch mehr Formate folgen, die sich mit unterschiedlichen Diskriminierungsdimensionen auseinandersetzen.

Langfristig ist mein Ziel, dass Diskriminierungsprävention selbstverständlich in alle Bereiche der Universität integriert wird – in Lehre, Verwaltung, Forschung und studentisches Leben. Dazu werde ich die Kooperation mit verschiedenen Stellen an der BUW intensivieren. Angebote sollen alle Uni-Angehörigen unterstützen, im Umgang mit Diversität sicherer zu werden und bei Diskriminierungen nicht wegzuschauen. Zusätzlich arbeiten wir an einem hochschulweiten „Code of Conduct“, der als Selbstverpflichtung ein diskriminierungssensibles und respektvolles Miteinander an der Universität festlegen soll. Und: Der neue Hochschulentwicklungsplan sieht die Einführung eines umfassenden Schutzkonzepts vor – mit präventiven Maßnahmen, Unterstützungsangeboten und klaren Aufarbeitungswegen. Auch hier arbeiten wir natürlich mit!

Wie wird Ihre Arbeit bislang von der Universitätsgemeinschaft aufgenommen?

Ich bin sehr beeindruckt von dem großen Engagement vieler Studierender – besonders der AStA-Referate – sowie von Lehrenden, die sich mit verschiedenen Aktionen und Veranstaltungsformaten klar gegen Diskriminierung positionieren. Viele Formate und Aktionen wären ohne ihren Einsatz nicht möglich gewesen. Aus diesem Engagement ist auch die Forderung nach einer Antidiskriminierungsstelle überhaupt erst entstanden.

Darüber hinaus merke ich, dass unsere Arbeit zunehmend wahrgenommen wird. Einige Ratsuchende haben sich bereits aktiv an mich gewandt. Das zeigt: Das Bewusstsein für die Themen wächst. Gleichzeitig ist mir klar, dass der Aufbau von Vertrauen und Sichtbarkeit Zeit braucht. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir mit gezielter Öffentlichkeitsarbeit und sichtbaren Angeboten Schritt für Schritt mehr Menschen erreichen – und gemeinsam eine Kultur des respektvollen Miteinanders weiterentwickeln können. Wir sind auf einem guten Weg!

Zur Person

Nicole Potenza studierte Philosophie mit den Nebenfächern Psychologie und Italienische Philologie an der Universität Bonn. An der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft in Alfter machte sie außerdem ihren Master in Kunsttherapie. 2015 kam sie erstmals beruflich nach Wuppertal und arbeitete mit unbegleiteten geflüchteten Jugendlichen in einer Clearinggruppe des SKJ (Sozialtherapeutische Kinder- und Jugendarbeit e. V.). Ab 2017 war Nicole Potenza als Fachberaterin und Kunsttherapeutin in der Frauenberatungsstelle Indigo, SkF e.V. Bergisch Land in Remscheid tätig, bis sie 2024 an die Bergische Universität kam.

Über die Antidiskriminierungsstelle

Die Antidiskriminierungsstelle ist angegliedert an die Stabsstelle für Gleichstellung und Vielfalt und bietet Einzelfallberatung für Studierende, Beschäftigte und andere Angehörige der Universität an, die Diskriminierung erleben, beobachten oder Fragen sowie Unterstützungsbedarf zum Thema (Anti-)Diskriminierung haben. Auch bei Unsicherheiten, ob es sich bei dem Erlebten um Diskriminierung, sexualisierte Belästigung, Konflikte, Stalking oder Gewalt handelt, kann die Antidiskriminierungsstelle zu einer klärenden Beratung in Anspruch genommen werden.

Ebenso steht die Antidiskriminierungsstelle für eine kollegiale Beratung und Unterstützung von Personen und Abteilungen zur Verfügung, die gegen Diskriminierung in ihrem Umfeld vorgehen wollen.

Die Beratung ist vertraulich und berücksichtigt alle Diskriminierungsformen (bspw. Rassismus, Trans*- und Homo­feindlichkeit, Antisemitismus, Klassismus, Ableismus, Sexismus) sowie alle Formen von Gewalt.

Weitere Infos sowie Kontaktmöglichkeiten finden Sie auf der Webseite der Antidiskriminierungsstelle.

Offene Sprechstunde der Antidiskriminierungsberatung

Sie haben Diskriminierung, sexualisierte Belästigung, Konflikte, Stalking oder Gewalt an der BUW erlebt oder beobachtet?

In der monatlichen offenen Sprechstunde der Antidiskriminierungsberatung können Sie sich jeden ersten Donnerstag im Monat von 15 bis 17 Uhr vertraulich beraten lassen. Auch bei Unsicherheiten steht Ihnen die Beratung offen. Die Sprechstunde findet im Vorsitzbüro auf der AStA-Ebene statt. Beratungstermine können auch außerhalb der offenen Sprechstunde telefonisch oder per Mail vereinbart werden. Ansprechpartnerin ist Nicole Potenza, die Referentin für Antidiskriminierung.

Mehr Infos finden Sie unter: www.antidiskriminierung.uni-wuppertal.de