Studentisches Engagement im Kinderhaus Luise Winnacker e. V.
Nicolas Benedik / Lehramtsstudium
Foto: UniService Third Mission

An den Bedürfnissen der Kinder ansetzen

Der Student Nicolas Benedik engagiert sich im Kinderhaus Luise Winnacker e.V.

Das Lehramtsstudium in Deutschland besteht in der Regel aus zwei Phasen: einem universitären Studium und einem anschließenden Vorbereitungsdienst, dem sogenannten Referendariat. Durch studienbegleitende Praktika können Studierende ihr gelerntes Wissen bereits in der Praxis anwenden. Nicolas Benedik, Lehramtsstudent mit der Fächerkombination Germanistik und Sportwissenschaft, bewarb sich für ein Praktikum im Kinderhaus Luise Winnacker e.V.  und machte dort „nachhaltige“ Erfahrungen, die er als angehender Lehrer mit in sein zukünftiges Arbeitsleben integrieren möchte.

Das Kinderhaus Luise Winnacker e.V.

Das Kinderhaus Luise Winnacker e.V. ist ein mehrfach ausgezeichnetes, innovatives Bildungsprojekt. 1995 wurde das ´Unternehmen-Zündfunke` im Förderverein ´Kinderhaus Luise Winnacker` durch die Unterstützung des Geschäftsmannes Ernst-Otto Winnacker und das ehrenamtliche Engagement der Pädagogin Lieselotte Winnacker-Spitzl ins Leben gerufen. Es ist bis heute ein außerschulischer Lernort für Lebens- und Sozialkompetenz. Dem Konzept liegt als Grundhaltung die Wertschätzung aller Kinder und ihrer vielfältigen Potentiale zugrunde, für die der Verein diverse Angebote bereitstellt. Nicolas Benedik hörte erstmalig vom Kinderhaus durch zwei Dozentinnen der Bergischen Universität, die ein Wochenendblockseminar vor Ort durchführten, welches sich mit dem Sportunterricht auf Klassenfahrten auseinandersetzte.

Bewerbung für ein Praktikum

„Als ich für das Studium ein Praktikum machen musste, habe ich mich im Winnackerhaus beworben und dort einen Monat lang gearbeitet“, erzählt Benedik. Da die Geschäftsführerin, Kerstin Spitzl, mit seiner Arbeit zufrieden war, bot sie ihm an, für den Verein weiter tätig zu sein. „Ich bin dort geblieben, weil mir das Konzept gut gefällt.“ Einer der zentralen Konzeptpunkte des Vereins lautet: Handeln statt Beklagen. Und das setzt der Verein auch im Kleinen um. Dazu Benedik: „Wenn es Missstände in der Gesellschaft gibt, muss man nicht mit dem Finger darauf zeigen, sondern das Problem anpacken. Man merkt schnell, dass man nicht viel braucht, denn man kann auch klein anfangen. Man muss nicht immer das Bildungssystem verteufeln, sondern man kann einen Ort schaffen, an dem Lernen und Vertrauen gegeben sein können“.

Die Natur erleben und entdecken

Das Luise Winnackerhaus liegt in Sonnborn an der Wupper und grenzt direkt an einen Wald. Kinder, meist im Alter zwischen sechs und zehn Jahren, erhalten hier vielfältige Möglichkeiten, die Welt zu entdecken. „Wir erleben und entdecken vor allem die Natur“, erklärt Benedik, „es geht um motorische Förderungen, um Spiel und Sport, Fahrrad fahren, balancieren, klettern.“ Ein umgestürzter Baum dient dann auch mal als Balancierbarren, mit Pflanzen und Tieren machen Kinder immense Naturerfahrungen im heimischen Wald.
Meist wird gemeinsam gefrühstückt oder auch gekocht, denn der Verein fördert gesunde Ernährung. Für ein Kochprojekt gehen die Projektleiter mit den Kindern einkaufen und erklären vor Ort, was günstig, regional und gesund ist. „Die Kinder sollen bei uns auch Verantwortung übernehmen“, erklärt Benedik, „d.h., wenn sie spielen, wissen sie, dass danach aufgeräumt oder auf unserem Spielfeld für Bälle, gefegt werden muss. In unserem Hühnerstall helfen sie regelmäßig beim Saubermachen. Wir haben einen kleinen Garten mit eigenem Gemüse, bauen vieles selber an. Auch da sind die Kinder zum Gelingen mitverantwortlich und übernehmen Aufgaben.“ Sogar mit einem Pferd kommen sie in Kontakt, reiten und striegeln es und erleben seine Nähe.
Zusätzlich bietet der Verein in den Ferien Projekte an. Dazu Benedik: „Ich bin z.B. mit einem Kollegen für ein Fußball Projekt verantwortlich. Da arbeiten wir mit der Grundschule Distelbeck zusammen.“

Kinderhaus Luise Winnacker
Foto: Kerstin Spitzl

Erleben, mitmachen, ausprobieren

In der Regel werden die Kinder erst einmal abgeholt und man trifft sich zum gemeinsamen Frühstück, bevor die Aktionen starten. Meist gibt es eine gemeinsame Aktion für alle, das kann ein Waldgang sein oder ein gemeinsames Spiel, bevor man sich wieder aufteilt. Der Betreuungsschlüssel ist im Luise Winnacker Haus im Vergleich zur Schule außerordentlich hoch. „Wir haben zwei Mitarbeiter des Kinderhauses, eine Lehrkraft der Schule und noch sogenannte Integrationshelfer und betreuen eine Gruppe von sieben Kindern. Daher können wir uns auch aufteilen und verschiedene Angebote machen“, erklärt Benedik und fährt fort: „Das Winnackerhaus ist ja ein außerschulischer Lernort, bei dem kein Lern- und Notendruck da ist. Das Erleben, Mitmachen und Ausprobieren steht im Vordergrund. Es ist ein ganzheitliches, fächerübergreifendes und sinnstiftendes Lernen. Es ist mit der Praxis enger verzahnt, man lernt nicht nur theoretische Dinge.“ Wenn die Kinder in der Werkstatt etwas bauen, wenden Sie automatisch Mathematik mit an und im hauseigenen Garten lernen sie über Pflanzen und Insekten vieles aus der Biologie. „In der Schule ist oft das Scheitern schlecht“, sagt der angehende Lehrer, „wir dagegen sehen Fehler als Chance an! Man darf Fehler machen und soll sie auch machen, denn dadurch lernt man. Das Ausprobieren ist besonders wichtig, wir haben nicht diese Enge in Bezug auf die Fächer und das Lernpensum der Schule. Wenn Fehler passieren, ist das nicht schlimm.“

Das eigene Verhalten reflektieren – Bedürfnisse der Kinder beachten

Studierende, die im Verein arbeiten, lernen, das eigene Verhalten zu reflektieren. Dazu verfassen sie in jedem Quartal einen Bericht, den die Leitung zu Reflexionsgesprächen nutzt. Wenn es irgendwo klemmt, können die Studierenden sich jederzeit an die Leitung wenden. „Aufgrund unseres Betreuungsschlüssels ist es natürlich einfacher, auf die Kinder einzugehen, als das in der Schule möglich ist“, weiß der angehende Pädagoge und sagt, „wir setzen an den Bedürfnissen der Kinder an und stellen Fragen: Was interessiert Dich? Was willst Du lernen? An welcher Stelle bist du neugierig? Wir gestalten dann eine individuelle Förderung.“  Auf eine starke Beziehungsarbeit wird im Kinderhaus sehr großer Wert gelegt. Es gehe um Vertrauen und Wertschätzung. Viele Kinder kommen direkt aus Brennpunktschulen und/oder aus schwierigen Familiensituationen. „Wir zeigen ihnen, dass sie gehört werden und sind für sie da.“

Beziehungsarbeit und Praxisbezug

Das Winnackerhaus befürwortet eine Reform des Bildungssystems und fordert u.a. die Überarbeitung von Lehrplänen und deren Anpassung an neue gesellschaftliche Erfordernisse, also weg vom Fächerdenken. Es möchte die Schule stärker in gesellschaftliche Aufgaben einbetten und Lernorte erweitern. Für Nicolas Benedik ist nach seiner Tätigkeit im Kinderhaus Luise Winnacker jedenfalls klar, Beziehungsarbeit und Praxisbezug sind das A und O für gutes Lernen. „Wenn ich die Kinder erreiche und sie mich auch respektieren, wenn sie wissen, dass ich für sie da bin und sie ernst nehme, dann kann Bildung sehr viel erreichen. Das kann ich auch auf die Schule übertragen. Dann gelingt Bildung. Zudem braucht Lernen einen Praxisbezug, das kann ich hier ganz klar erfahren und das fehlt mir manchmal auch im theoretischen Unialltag. Durch den Praxisbezug kann ich hier fächerverbindend lernen.“

Studierende, die sich für einen Job im Winnackerhaus interessieren, können sich unter dieser EMAIL info[at]unternehmen-zündfunke.de  bewerben.

Uwe Blass

Nicolas Benedik studiert Germanistik und Sportwissenschaft auf Lehramt an der Bergischen Universität.