
Die heimische Kellerassel und ihre Verwandten
Prof`in Dr. Gela Preisfeld / Biologie
Foto: Privat
Der nachhaltige Nützling mit den zwei Atmungsorganen
Die Biologin Gela Preisfeld über einen komplexen Organismus: die heimische Kellerassel und ihre Verwandten
10.000 Asselarten weltweit
Sie krabbeln in dunklen Räumen mit hoher Luftfeuchtigkeit und sind ideale Humusbildner in unseren Komposthaufen. Weltweit gibt es ungefähr 10.000 Arten von ihnen: Asseln. Die Biologin Gela Preisfeld kennt ihre Eigenschaften und Bedeutung für das Ökosystem und sagt: „Eigentlich leben Asseln überwiegend im Meer, aber auch im Süßwasser und an Land findet man sie versteckt im Boden. Sie sind sehr anpassungsfähig, und manche der Asseln kommen sogar in der Tiefsee vor, wo es ja nun sehr kalt, dunkel und einsam ist. Da sind sie dann auch nicht so klein, wie wir sie kennen, also ein bis zwei Zentimeter, sondern dort können sie bis zu einem halben Meter groß werden. Wir nennen das Phänomen Tiefseegigantismus, wenn vergleichbare Arten mit zunehmender Wassertiefe größer werden als die im flacheren Wasser.“ Asseln bilden eine eigene Ordnung, erklärt die Biologin, die sich Isopoda nenne, und dieser Name gebe bereits einen Hinweis auf ihr Aussehen. „´Iso` bedeutet ´gleich` und ´Fuß` kommt vom griechischen Pus, Genitiv Podos, also gleiche Füße. Und davon tragen sie gleich sieben als gleichförmige Laufbeinpaare, haben also vierzehn Beinchen.“
Asseln gehören zu den Krebsen
Was die meisten Menschen überrasche, sei die Tatsache, dass Asseln nicht zu den Insekten mit den typischen drei Beinpaaren, sondern zu den höher entwickelten Krebsen gehören. Ihr Körper ist abgeflacht und eher etwas breiter, Bauch- und Rückenseite sind daher platt, so dass die Asseln wenig Widerstand bieten, wenn sie sich im Boden bewegten. Auch ihr Kopf sei nicht so abgegrenzt, wie man das von Insekten kenne, sondern mit einem Teil der Brust verschmolzen. Wir nennen das einen Cephalothorax (Kopf-Brustteil). Es schließen sich Brust (Peraeon) und Hinterleib (Abdomen oder Pleon) an. Die Beine sitzen an den Brustsegmenten. „Schauen wir auf die Tiere, dann können wir deutlich ihre Segmente mit einer Panzerschicht darauf erkennen. Im Brustbereich sitzt an jedem Segment ein Beinpaar. Segmente sind bei allen bilateral-symmetrischen Tieren sich wiederholende Funktionseinheiten mit ursprünglich gleichen Organen. Wir kennen das auch von den Ringeln beim Regenwurm oder auch bei uns Menschen am Körper: Die sogenannten Sixpacks der Muskulatur oder das Nervensystem sind auch segmental angelegt. An ihrem Hinterleib tragen viele Krebse auch Beine, Pleopoden, die meist zu Schwimmbeinen umgewandelt sind. Bei den Asseln erfüllen sie aber eine andere wichtige Funktion.“
49 deutsche Landasselarten leben in unseren heimischen Gefilden
Landasseln gehören zur Unterordnung der Oniscidia. Sie sind vor ungefähr 160 Mio. Jahren aus dem Meer an Land gegangen, was bedeute, sie haben als Tiere des Wassers den Landgang erfolgreich gemeistert, was sonst nur einigen wenigen Flohkrebsarten gelungen ist, erklärt Preisfeld. „Weltweit gibt es 3640 Arten, das weiß man so genau, weil es ein Register für diese Tiere gibt. In Deutschland leben 49 etablierte Arten, und aktuell sind 10 invasive Arten bekannt, die hier eingeschleppt wurden.“ Sie leben in unterschiedlichen terrestrischen Lebensräumen, brauchen jedoch alle Wasser zum Überleben, denn ihre Panzerhaut (Cuticula) verfügt über keine Wachsschicht, die sie vor Austrocknung schützt. Neben sieben verschiedenen Rollasselarten, die sich bei Gefahr, ähnlich wie die Gürteltiere, zu einer Kugel zusammenrollen können, finden wir bei uns meist die sogenannte Kellerassel (Porcellio scaber) unter Steinen, Blumentöpfen und Kellerräumen sowie die Mauerassel (Oniscus asellus) in unseren Komposthaufen.
Die Aquariengebärstube – ein Relikt aus Meereszeiten
Asseln können sich auch an Land fortpflanzen. Dazu hat das Weibchen einen sogenannten Brutbeutel. „Daran kann man sehen, dass die Tiere als Krebse schon recht weit evolviert sind und sich schon gut an das Landleben angepasst haben“, erzählt Preisfeld. „Unser einheimischer Edelkrebs beispielsweise, trägt normalerweise seine Eier und die Jungtiere unter seinem Bauch und beschützt sie mit den Beinchen. Bei den Asseln haben wir es mit einer ganz speziellen Anpassung zu tun. Das Muttertier holt quasi das Wasser in ihre Gebärstube. Das ist eine Bauchtasche, die wir Marsupium nennen und zwischen den Laufbeinen liegt. Interessant daran ist, eine Bauchtasche kommt auch bei den Beutelsäugetieren, den Kängurus und den Koalas vor. Da schlüpfen ja die ein bis zwei Zentimeter großen Jungtiere aus dem Geburtskanal in die Bauchtasche des Muttertieres, saugen sich dann an einer Zitze fest und bleiben dort, bis sie groß genug sind. Da ist also die Entwicklung aus der Gebärmutter in das Marsupium verlagert.“ Bei den Asseln sei es so, dass diese Bauchtasche erst bei Geschlechtsreife, nach der zweiten Häutung, angelegt sei und auch nur eine funktionale Ähnlichkeit mit den Beuteltieren aufweise. Das Männchen kralle sich dann am Weibchen fest, befruchte die Eier, die sich dann in dieser Bauchtasche entwickelten. „Das Weibchen sondert ein wässriges Sekret ab und die Einer liegen darin wie in einem Aquarium. Die Larven entwickeln sich also in einem wässrigen Milieu, obwohl die Tiere an Land leben. Das kann dann ca. einen Monat dauern und ist eine ganz phantastische Anpassung an den Lebensraum Land.“

Kellerasseln am Kompost
Foto: UniService Third Mission
Lange Jugend, kurze Erwachsenenphase
„Die meisten Asseln leben so zwei bis drei Jahre, aber auch das ist artabhängig“, sagt die Biologin, „und sie werden auch erst nach ein bis zwei Jahren geschlechtsreif.“ Bis zu 14 Mal häutet sich eine Assel, bis sie ausgewachsen ist und den alten Panzer frisst sie auf, denn da stecken immer noch viele Nährstoffe drin. „Vor allem brauchen sie Kalzium, um ihren Panzer auch richtig fest zu machen, und da ist die Natur sehr ökonomisch.“
Wasserleitsystem ermöglicht Atmung an Land
Asseln kommen ja ursprünglich aus dem Meer und atmen in der Regel immer noch über Kiemen. Da das an Land ziemlich unmöglich erscheint, haben die Tiere etwas ganz Besonderes entwickelt. Dazu Preisfeld: „Sie haben Kiemen an einem ungewöhnlichen Ort, denn sie sitzen an den Hinterleibsbeinen, den Pleopoden. Kiemen funktionieren ja so, dass sie den Sauerstoff aus dem Wasser aufnehmen. Es findet ganz einfach aufgrund des unterschiedlichen Partialdrucks des Sauerstoffs im Körper und im Wasser ein Transport von Sauerstoff durch Diffusion in den Körper statt. Bei den Landasseln muss man sich aber fragen, woher kommt denn dann das Wasser, was die Kiemen benetzt? Und da haben sie etwas ganz Faszinierendes, nämlich ein ausgefuchstes Wasserleitsystem, entwickelt.“ An der Bauch- und Rückenseite liegen quasi kleine Rinnen, die so ausgestaltet sind, dass sie Wasser leiten können und damit befeuchten sie die Kiemen, die durch die umgeklappten Teile der Pleopoden geschützt werden. „Faszinierend ist aber, wie das funktioniert“, erklärt die Wissenschaftlerin begeistert. „Die Assel hat nämlich am Kopfbereich eine Drüse. Aus dieser Drüse heraus fließt ein Sekret in diese Rinnen des Leitsystems, das in etwa unserem Harn entspricht. Im Harn sind ja Stickstoffverbindungen gelöst, die in höherer Konzentration toxisch für uns wären, so dass der Körper immer versucht, diese Stickstoffverbindungen, Harnstoff, Harnsäure oder Ammoniak, loszuwerden. Wir machen das über die Niere, die Blase und den Urin, und die Asseln lassen dieses Sekret, das sie ausgeben, über diese Rinnen laufen. Der Ammoniak aus dem Sekret verdunstet, und das ammoniakfreie Wasser fließt dann weiter bis zu den Pleopoden, wo die Kiemen sitzen, so dass die benetzt werden. Übriges Wasser fließt weiter zum After und kann wieder aufgenommen werden. So können die Tiere auch in trockenen Umgebungen leben, weil durch das Sekret immer Wasser zur Verfügung steht. Natürlich können auch z.B. Tautropfen über diese Rinnen fließen.“
Zweites Atmungsorgan
Zwar nutzen Landasseln ihre Kiemen, aber in Anpassung ans Land, haben unsere heimischen Kellerasseln noch etwas entwickelt. „Sie besitzen sogenannte Tracheenlungen“, erklärt Preisfeld, „die sitzen auch an den Hinterbeinen, und damit können sie den Sauerstoff auch sogar aus der Luft aufnehmen. Die Luft kann eindringen, wenn die Kellerasseln ihren Hinterleib ein wenig anheben. Die Luft wird eingezogen und wenn sie ihn wieder absenken, kann die verbrauchte Luft entweichen. Sie haben also zwei Formen der Sauerstoffaufnahme.“
Tierische Schadstoffspeicherung
An Kellerasseln können Wissenschaftler*innen auch diverse Schadstoffe ermitteln, die im Boden lagern, weil die Tiere sie speichern. „Man nutzt Kellerasseln tatsächlich als Testorganismen für Bioakkumulationsstudien. Darin untersucht man die Anreicherung von Fremdstoffen im Körper, die über die Nahrung, die Luft oder das umgebende Medium Wasser oder Boden aufgenommen werden“, sagt die Wissenschaftlerin. Solche Studien führe man durch, um beispielsweise zu schauen, wie hoch die Belastung eines Areales mit Schadstoffen ist. Dann könne man das Umweltrisiko abschätzen. Warum die Tiere Stoffe speichern, wisse man noch nicht so genau. Jedenfalls lagerten sie ähnlich einer Vorratsspeicherung Stoffe im Körper ab, wie z. B. auch Kalzium, welches sie für den Panzeraufbau brauchten, die sie zu gegebener Zeit aber erst einbauten. „Die Tiere verdauen mehrmals, indem sie ihren eigenen Kot fressen. Dadurch kommt es auch zu einer sehr intensiven Speicherung der Schadstoffe. Sie haben diese effiziente Methode eigentlich entwickelt, um Mineralstoffe, wie Kalcium zu speichern, die ihnen an Land nicht so ohne weiteres zugänglich sind. Ungefähr 90% aller Metallionen, die in einer Assel vorkommen, werden dort tatsächlich gespeichert. Deshalb sind sie als Testorganismen so beliebt.“
Asseln, ein rundum nachhaltiger Organismus
Auch wenn sich viele Menschen mit den kleinen Krabbeltierchen nicht anfreunden könnten, hätten sie eine wichtige Funktion in unserem Ökosystem, betont die Biologin abschließend: „Ganz besonders die Landasseln sind Destruenten (bezeichnet in der Ökologie einen Organismus, der organische Substanzen abbaut, Anm. d. Red.), d. h., sie remineralisieren Stoffe im Ökosystem. Durch den Abbau von pflanzlichem Material und Pilzen, die sie teilweise mehrmals verdauen, machen sie diese Stoffe für höhere trophische Ebenen wieder verfügbar. Sie sind darüber hinaus auch selber Nahrung und Beute für Spinnen, Vögel und Igel. Man sollte sie im Garten lassen, denn es sind Nützlinge. Sie sind sozusagen rundum nachhaltig.“
Uwe Blass
Professorin Dr. Gela Preisfeld studierte, promovierte und habilitierte an der Universität in Bielefeld. Nach kurzen Forschungsaufenthalten in Australien und einer Vertretung an der Goethe-Universität Frankfurt/Main nahm sie 2006 den Ruf auf den Lehrstuhl Biologie und ihre Didaktik, Zoologie an der Bergischen Universität an.