Farben schaffen Wohlbefinden
Prof. Dr. Axel Buether / Didaktik der visuellen Kommunikation
Foto: Martin Jepp
Farben fördern Wohlbefinden, Verhaltensmotivation und Gesundheit
Axel Buether, Deutschlands führender Farbexperte über die Farben in öffentlichen Einrichtungen
Farben spielen unbewusst eine große Rolle in unserem Leben. Axel Buether, Professor für „Didaktik der visuellen Kommunikation“ in der Fakultät Design und Kunst an der Bergischen Universität und Deutschlands führender Farbexperte forscht mit seinen Studierenden an der Wirkung von Farben auf uns Menschen bei der Arbeit in öffentlichen Einrichtungen und im Alltag.
Klinische Umgebung oder Wohlfühlumgebung
„Wir haben am Helios Universitätsklinikum Wuppertal im Jahr 2016 mit einer Studie begonnen“, berichtet Buether. „Damals war das Jahr des Delirs ausgerufen worden – ein häufiges postoperatives Symptom. Ein Delir wird in der klinischen Praxis häufig medikamentös mit Psychopharmaka behandelt. Patienten werden damit beruhigt, insbesondere, wenn sie unter Halluzinationen leiden oder starke Angstzustände entwickeln. Das Problem: Diese Medikamente haben teils erhebliche Nebenwirkungen und erhöhen bei frisch operierten Patientinnen und Patienten das Risiko für Komplikationen – bis hin zu einer gesteigerten Sterblichkeit. Vor diesem Hintergrund stellte die Chefärztin die Frage, ob auch Umweltfaktoren – konkret die Atmosphäre eines Raumes – dazu beitragen könnten, die Belastung für die Patienten zu reduzieren und damit den Einsatz von Psychopharmaka zu verringern.
„Im Rahmen anstehender Renovierungsarbeiten haben wir daraufhin lediglich Wände und Decken neu streichen lassen und die Leuchtmittel ausgetauscht“, erklärt Buether. „Zum Einsatz kamen moderne, energiesparende LED-Leuchten mit einem hohen Farbwiedergabeindex von 90, die eine nahezu natürliche Lichtatmosphäre schaffen. Die Farben im Raum bleiben authentisch, weil das volle Farbspektrum erhalten bleibt – ein entscheidender Faktor für die visuelle Wahrnehmung von Vitalität und zwischenmenschlicher Resonanz.“ Diese Maßnahme war nahezu kostenneutral und führte zu einer spürbaren Verbesserung der Atmosphäre. „Der Patient wirkt plötzlich nicht mehr so blass und kränklich. Auch bei den Pflegekräften ist emotionale Anteilnahme wieder sichtbar – etwa über die natürliche Gesichtsrötung. Genau diese visuellen Indikatoren von Gesundheit und Empathie werden durch das unnatürliche Licht von Neon- und Energiesparlampen sowie durch ungünstige Raumfarben weitgehend eliminiert. Diese Lichtquellen reduzieren das warme Spektrum, Gesichter erscheinen fahl, Räume wirken kalt und distanziert.“
Der Effekt war messbar: Die einfache, kostengünstige farbliche und lichttechnische Intervention führte auf allen Intensivstationen zu einem Rückgang des Psychopharmaka-Einsatzes um durchschnittlich 30 Prozent. Auch beim Personal zeigte sich ein deutlicher Nebeneffekt: In den neu gestalteten Fluren und Pausenräumen sank der Krankenstand im darauffolgenden Jahr im Schnitt um ein Drittel. Buethers Appell an Entscheidungsträger ist eindeutig: „Achten Sie bei der Planung von Gesundheits-, Bildungs-, Büro- und Wohngebäuden konsequent auf atmosphärische Faktoren wie Licht und Farbe. Sie haben einen signifikanten Einfluss auf Wohlbefinden, Gesundheit und Motivation der Nutzer.“ Ein veränderter Raum fördert nicht nur die Genesung, sondern auch das soziale Miteinander. „Im Pausenraum reden die Mitarbeitenden plötzlich nicht mehr nur über ihre Arbeit. Sie schalten wirklich ab, widmen sich dem Essen, der Regeneration – und sprechen mehr über private Themen. Das reduziert Stress und stärkt die sozialen Bindungen am Arbeitsplatz.“
Besonders bemerkenswert: Die Umsetzung dieser Maßnahmen ist mit keinen oder nur minimalen Mehrkosten verbunden. „Alles, was ich vorschlage, ist entweder kostenneutral oder spart sogar langfristig Geld. Es braucht lediglich eine bewusste Entscheidung im Vorfeld. Ob eine Wand weiß oder in einem Ockerton gestrichen wird, macht für den Handwerker keinen Unterschied. Auch bei Böden oder Möbeln ist die Farbwahl in der Regel preislich unerheblich.“ Buether betont: „Ich bin nicht der Innenarchitekt, der ein Projekt teurer macht. Ich zeige, wie man mit dem gleichen Budget eine deutlich positivere Wirkung für alle Beteiligten erzielen kann.“ „Man kann Bauherren und Planer durchaus zu einem Kulturwandel inspirieren“, sagt der Fachmann. „Was wir in Wuppertal begonnen haben, hat inzwischen eine enorme Strahlkraft entfaltet: Die Konzernführung von Helios hat beschlossen, diese Erkenntnisse in Zukunft zu berücksichtigen, was bei den etwa 100 Kliniken des Konzerns einen Kulturwandel mit sich bringt.“
Für Buether steht dabei vor allem eines im Zentrum: „Diese Form der empirisch fundierten, angewandten Forschung verschafft uns als Gestaltenden eine gesellschaftliche Wirksamkeit, die weit über das hinausgeht, was ein einzelnes Designprojekt leisten kann. Die Aufklärung und der Wissenschaftstransfer sind mir wichtiger als eine einzelne lokale Intervention – denn genau darin liegt unsere Verantwortung im Rahmen universitärer Forschung: notwendige gesellschaftliche Transformationsprozesse aktiv mitzugestalten.“
Ein klassisches Krankenzimmer
Foto: gemeinfrei
Farben können Angst messbar senken
In Zusammenarbeit mit dem Lehrstuhl für Klinische Psychologie hat Buether einen aktuellen Antrag auf Forschungsförderung gestellt. Ziel ist es, die Angst brustkrebserkrankter Patientinnen vor einer Strahlentherapie wissenschaftlich zu erfassen und gezielt zu senken. „Gemeinsam mit medizinischen Forschungspartnerinnen und -partnern wollen wir durch gezielte Interventionen in der Farb- und Lichtgestaltung die Angst vor der Strahlentherapie reduzieren – und zugleich ein übertragbares Modellprojekt für diesen Bereich schaffen“, erklärt Buether. Bereits vor drei Jahren gründete er das Institut für evidenzbasierte Farbpsychologie, das diesen Ansatz verfolgt. „Wir arbeiten partizipativ – mit einer repräsentativen Auswahl der tatsächlichen Nutzerinnen und Nutzer. Bei uns sitzt nicht der Klinikleiter am Tisch, sondern die Pflegekraft oder die Person, die in den bisher klinisch weißen Räumen verängstigten Frauen erklären muss, wie die Strahlentherapie abläuft.“
Ein zentrales Element der Intervention ist die gezielte Gestaltung der Blickrichtung: Die Patientin sitzt mit dem Rücken zum Gerät und schaut auf eine farblich gestaltete Wand, die positive Assoziationen weckt, während die Fachkraft ihr in ruhiger Atmosphäre die Abläufe erklärt. „Wenn wir mit unserer Intervention erfolgreich sind, entsteht eine neue Raumatmosphäre, die zur Entspannung beiträgt und die Ängste der Patientinnen spürbar reduziert.“ Buether betont: „Farben haben keine rein ästhetische Funktion – sie sind eine Sprache, die auf biologisch erklärbaren Prinzipien beruht. Sie prägt das Erleben des Menschen und kann zu messbaren Verhaltensänderungen führen.“ Was sich wissenschaftlich belegen lässt, ist also nicht die „Schönheit“ von Farbe – sondern ihr Effekt. „Was ich messen kann, ist der psychologische Einfluss von Farben auf Angst, Stress und Orientierung. Was ich dagegen nicht messen will, ist die Frage, ob jemand eine bestimmte Farbe persönlich schön findet. Das ist subjektiv – und soll es auch bleiben.“
Therapiefähigkeit wieder herstellen
Axel Buether betreut an seinem Lehrstuhl für Mediendesign und Designtechnik an der Bergischen Universität Doktorandinnen und Doktoranden und Masterstudierende, die sich zunehmend mit der Wirkung von Farbe befassen. „Ich nehme sie beispielsweise mit in eine forensische Psychiatrie“, erzählt er, „wo sie erforschen, wie sich durch einen gezielten Atmosphärenwechsel selbst bei Patientinnen und Patienten, die laut ärztlicher Einschätzung als nicht therapiefähig gelten, Zugänge für eine therapeutische Arbeit eröffnen lassen.“ Buether berichtet von einem besonders eindrücklichen Fall: Ein als therapieunfähig eingestufter Patient wurde von einer seiner Doktorandinnen mit zwölf großformatigen Bildern archetypischer Landschaften konfrontiert – darunter Gebirge, Küsten, Steppen. Während der Patient auf einige dieser Bilder apathisch reagierte, zeigten sich bei bestimmten Motiven starke emotionale Reaktionen, begleitet von eindeutigen Veränderungen im Verhalten. „Diese Reaktionen lassen erkennen, welche Bildinhalte Resonanz auslösen – und geben uns Hinweise, wie Räume gestaltet sein müssen, um überhaupt erst einen Zugang zur Person zu ermöglichen“, so Buether.
Philipp Otto Runges Farbkugel um 1810, Foto:gemeinfrei
Die Farbkugel ist eine von vielen Möglichkeiten, die Farbtöne in einem dreidimensionalen Farbsystem anzuordnen.
Farben in unserem Alltag - zwischen Wirkung und Wahrnehmung
Farben sind allgegenwärtig – und dennoch nehmen wir sie meist unbewusst wahr. „Das liegt daran“, erklärt Buether, „dass in unserem Gehirn unterschiedliche Bereiche für Sprache und Farbempfinden zuständig sind. Während wir sprachlich fast immer bewusst kommunizieren, ist unser Erfahrungswissen über Farben intuitiv und entzieht sich in den meisten Alltagssituationen daher der direkten bewussten Kontrolle.“ Das führt dazu, dass wir täglich Entscheidungen aufgrund von Farben treffen – beim Einkaufen, bei der Auswahl von Produkten, bei der Einschätzung von Menschen oder Räumen – ohne genau zu wissen, nach welchen Kriterien wir urteilen. „Gerade deshalb sind wir in diesem Bereich manipulierbar – und treffen nicht selten falsche Entscheidungen“, warnt Buether. Als gefragter Farbexperte wird er oft um Rat gebeten – insbesondere, wenn gut gemeinte Gestaltung zu unerwünschten Effekten führt. Ein typisches Beispiel: „Man hört oft, Kinder bräuchten eine bunte Umgebung. Das ist zum Teil auch richtig, denn monochromatische Umgebungen wie reinweiße Umgebungen haben negative Effekte wie sensorische Deprivation. Aber wenn man es zu bunt gestaltet, fördert man übermäßige Aktivität, ausgelassenes Verhalten – was in vielen Situationen gerade nicht erwünscht ist. Überstimulation kann sogar Symptome wie ADHS begünstigen, weil Kinder permanent aktiviert werden – anstatt zur Ruhe zu kommen oder sich zu konzentrieren.“ Besonders eindrücklich war für Buether der Fall einer Kinderintensivstation, die ein Künstler in bestem Glauben mit knallbunten Farben gestaltet hatte – als vermeintlich angstfreie Umgebung. „Das Ergebnis war das Gegenteil: Das Personal, das sich dort den ganzen Tag aufhalten musste, litt unter massiven Konzentrationsproblemen – es gab keine Möglichkeit zur mentalen Erholung.“ Bei der Neugestaltung orientierte sich Buether an den altersbedingten Bedürfnissen der Kinder – und des Personals. „Kleine Kinder benötigen eine altersgerechte Umgebung, je nach Nutzung aktivierende und beruhigende Atmosphären. Kräftige Signalfarben wie Blutrot, Giftgrün oder Neonorange sowie Farbkombinationen wie Gelb-Schwarz oder Rot-Schwarz fördern Unruhe – das sind biologisch verankerte Warnfarben.“ Düstere Farben sind für viele Kinder ein Problem, denn sie können Ängste auslösen und führen dazu, dass Räume gemieden werden.
Buether bringt es auf den Punkt: „Es ist wie beim Kochen: Wenn Sie keine Gewürze verwenden, schmeckt das Essen fad. Wenn Sie zu viele hinzufügen, verderben Sie das beste Gericht. Wer mit Farben arbeitet, muss ihre komplexen Wirkungen auf die menschliche Natur verstehen und dosiert einsetzen.“
Meine ganz persönlichen Farben
In seinem ersten Buch Die geheimnisvolle Macht der Farben wollte Buether über die biologischen und kulturellen Ursachen der Wirkungen von Farben aufklären - und wissenschaftliche Erkenntnisse für die Zivilgesellschaft nutzbar machen. In seinem neuen Werk geht der Wissenschaftler nun einen Schritt weiter: Er arbeitet mit einem Spektrum von über 2.000 Farbtönen und stellt den Menschen in den Mittelpunkt. „Jeder Mensch besitzt einen Kleiderschrank“, sagt Buether. „Laut Nachhaltigkeitsforschung besitzt die durchschnittliche Frau in Deutschland rund hundert verschiedene Oberteile, ein Mann etwa siebzig. Wenn davon nur die Hälfte farblich – auch in Nuancen – voneinander abweicht, ergeben sich Millionen möglicher Kombinationen. Doch die meisten greifen jeden Morgen zu denselben bewährten Stücken – aus Unsicherheit oder Angst, dass andere Kombinationen nicht funktionieren.“ Wer jedoch versteht, welche Wirkung Farben auf das eigene Wohlbefinden und auf die Außenwirkung haben, kann bewusster und nachhaltiger entscheiden – beim Kleiderkauf, bei der Wohnraumgestaltung oder der Auswahl von Alltagsgegenständen. „Ich kann meine Wohnung so einrichten, dass sie mir guttut. Farben liefern meinem Nervensystem innerhalb von Sekundenbruchteilen eine emotionale Information – lange bevor ich bewusst wahrnehme, was ich sehe. Ich betrete einen Raum, die Farbe stimmt mich ein – und sofort beginne ich unbewusst nach Gründen zu suchen, warum ich mich dort wohlfühle.“ Buether ist überzeugt: Wer mehr über Farben weiß, kann fundierte, stimmige Entscheidungen für sich selbst treffen – in Kleidung, Einrichtung oder Produktwahl. Genau diese alltagspraktischen Fragen möchte er im neuen Buch beantworten – auf Basis evidenzbasierter Forschung. Herzstück ist dabei ein Persönlichkeitstest, der im Buch enthalten ist und Leserinnen und Lesern hilft, ihre persönlichen Farbvorlieben und deren Bedeutung zu entdecken.
Die meistgenannte Lieblingsfarbe ist blau
„Wenn man in Deutschland Leute nach ihrer Lieblingsfarbe fragt, dann kommt Blau meist auf den ersten Platz“, erklärt Buether. „Auch weltweit steht Blau ganz vorne – während Braun meist das Schlusslicht bildet.“ Interessanterweise spiegelt sich das aber nicht in unserem Alltag wider: „In vielen Wohnungen finden sich Holzmöbel, Textilien aus Leinen, und unzählige Alltagsgegenstände in natürlichen Braun- und Erdtönen. Fast alle Naturtextilien sind braun, ebenso viele Gewürze und Möbel – und dennoch wird diese Farbe kaum als Lieblingsfarbe genannt.“ Der Grund liegt für Buether in der sozialen Wahrnehmung: „Wenn wir gefragt werden, nennen wir etwas, das uns positiv repräsentiert. Blau steht für Offenheit, Weite, Vertrauen – das kommt gut an. Braun hingegen wirkt auf viele spießig, altmodisch oder schwer einzuordnen – also wird es vermieden. Die Antworten sind also oft sozial gefiltert und nicht authentisch.“
Ein eindrucksvolles Beispiel liefert ein Experiment, das Buether für eine ZDF-Fernsehserie mit Schulkindern durchführte: „Alle Kinder haben ihre Kleiderschränke ausgeräumt und die Kleidungsstücke in einer Turnhalle im Kreis ausgelegt. Dann haben wir gefragt: Könnt ihr anhand der Farben erraten, wem welcher Kreis gehört?“ Erstaunlicherweise ordneten alle 30 Kinder ihre Mitschülerinnen und Mitschüler korrekt zu – und konnten ihre Zuordnungen begründen. Doch auf die zuvor gestellte Frage nach der Lieblingsfarbe stimmte keine einzige Angabe mit den tatsächlichen Farben der Kleidung überein. „Jungs, die eigentlich Rosa oder Lila mochten, erklärten, dass diese Farben für Jungen nicht cool seien. Sie wollten nicht riskieren, dass Mitschüler darüber lästern“, berichtet Buether. Die soziale Umgebung – das Milieu – beeinflusst also stark, welche Farben Menschen sich selbst zugestehen. „Ein Junge, der als Sechsjähriger noch Apricot mochte, sagt als Siebenjähriger: Das zieh ich nicht mehr an. Die Farben verschwinden dann aus dem Kleiderschrank – nicht, weil sie nicht mehr gemocht werden, sondern weil sie sozial nicht akzeptiert sind.“
Das sei die eigentliche „Macht der Farben“, sagt Buether. Wer die falsche Farbe wählt, verliert Resonanz – Produkte werden nicht gekauft, Wohnungen nicht vermietet, Hotels und Restaurants nicht gebucht. „Krankenhäuser müssen belegt werden – doch bei falscher Farbgestaltung fühlen sich Menschen dort kränker. Schulen müssen gefüllt sein – aber Kinder lernen schlechter und Lehrkräfte fühlen sich schneller erschöpft, wenn die Atmosphäre nicht stimmt.“ Sein Fazit ist deutlich: „Wir müssen aufhören, in so einfachen Kategorien wie der ‚Lieblingsfarbe‘ zu denken. Sie führt in die völlig falsche Richtung.“.
Farben motivieren zum Lernen
Wichtig sei, so Buether, sich bewusst mit dem Gebrauch von Farben auseinanderzusetzen – und immer wieder Fragen zu stellen: „Wo kommen bestimmte Farben in der Natur vor? Welche Charaktereigenschaften und Bedürfnisse sprechen sie an? Und wie wirken sie konkret auf unser Verhalten?“ Gerade im schulischen Kontext können Farben das Lernverhalten maßgeblich beeinflussen. „In Klassenräumen, in denen konzentriert gearbeitet werden soll, wirkt eine helle, kühle Atmosphäre unterstützend“, erklärt Buether. Ideal seien leicht abgetönte weiße Wände und Decken, kombiniert mit einer farbigen Akzentwand in gedämpften Blau- oder Grüntönen wie Taubenblau oder Salbeigrün. Ein warmer Boden – etwa in Holzoptik – sorge für den nötigen Ausgleich und verleihe dem Raum eine freundliche, einladende Grundstimmung. Ergänzt werde das Ganze durch Leuchten, die kaltweißes, tageslichtähnliches Licht abstrahlen – ähnlich dem Sonnenlicht zur Mittagszeit.
Für Axel Buether ist klar: Ein guter Schulbau braucht nicht eine Atmosphäre, sondern viele. Denn Lernen, Kreativität, Erholung, Bewegung und soziale Interaktion stellen jeweils ganz unterschiedliche Anforderungen an die räumliche Umgebung – und damit auch an Licht, Farbe, Materialität und Raumstruktur. „Für konzentriertes Arbeiten braucht es eine kühle, helle und zurückhaltende Atmosphäre – klar, strukturiert und ohne visuelle Reize, die ablenken.“ Ganz anders sieht es in Kreativräumen aus: „Hier darf es inspirierend sein, fantasieanregend, mit lebendigeren Farbakzenten und offener Raumgestaltung, die gestalterisches Denken fördert.“ Erholungsbereiche und Orte der sozialen Kommunikation hingegen profitieren von wohlig warmen, beruhigenden Farben, die Sicherheit und Geborgenheit vermitteln. In Mensa- und Essensbereichen sei eine sinnlich aktivierende Gestaltung gefragt – appetitanregend, gesellig und offen. Und für Sport- und Freizeitbereiche brauche es mobilisierende Atmosphären, die Bewegung fördern, Energie freisetzen und Gruppendynamik unterstützen. „Jede dieser Atmosphären wirkt über Licht, Farbe und Raum unmittelbar auf unser Verhalten – und kann, richtig eingesetzt, das Lernen, das Wohlbefinden und die soziale Qualität im Schulalltag erheblich verbessern“, fasst Buether zusammen.
Uwe Blass
Axel Buether ist Professor für Didaktik der visuellen Kommunikation an der Bergischen Universität Wuppertal mit den Forschungsschwerpunkten Medienwissenschaft, Wahrnehmungspsychologie, Farbpsychologie und visuelle Kommunikation im Raum.