
Erste serielle Lakritzherstellung in Deutschland
Prof. Dr. Julia Bornhorst / Lebensmittelchemie
Foto: Sebastian Jarych
1925 - Erste serielle Lakritzherstellung in Deutschland
Die Lebensmittelchemikerin Julia Bornhorst über die Verwendung der Süßholzwurzel
Woraus besteht Lakritze eigentlich?
Julia Bornhorst: Lakritz wird als Extrakt aus der Wurzel der Süßholzpflanze gewonnen. Sie wird geerntet, geraspelt, extrahiert und als Rohlakritzmasse je nach gewünschtem Produkt anschließend weiterverarbeitet. Häufig wird der eingedickte Wurzelextrakt mit Zucker, Glukosesirup, Mehl und Kartoffelstärke vermischt. Lakritz reicht geschmacklich von extrem süß bis intensiv salzig. Und um verschiedene Geschmacksrichtungen zu bedienen, werden häufig noch Aromen dazugegeben wie z. B. Anisöl, Fenchel oder Menthol. Bei den sehr salzigen Varianten fügt man dann noch teilweise Salmiak (Ammoniumchlorid) hinzu. Die schwarze Farbe, die Lakritzsüßigkeiten in der Regel haben, ist bisweilen mit dem Farbstoff E 153, also mit Aktivkohle künstlich verstärkt. Lakritz ist eine äußerst vielseitige Süßware, da es sich in Bonbons, Stangen, als Sirup oder auch als Pulver verarbeiten lässt.
In unseren Breitengraden ist die Redewendung "Süßholz raspeln" entstanden. Was meint man damit?
Julia Bornhorst: Man nutzt dieses Sprichwort gerne, um jemandem zu schmeicheln. Und diese Redensart kommt wirklich vom Süßholz, weil die Süßholzwurzel geraspelt und früher auch als Süßungsmittel, hervorgerufen durch den Süßungsstoff Glycyrrhizin, genutzt wurde. Weil Süßholz süß schmeckt, wurde das sinnbildlich auf ´süße Worte` übertragen. Schon im 17./18. Jahrhundert war die schmeichelnde Metapher des Süßholz raspelns den Menschen bekannt.
Alexander der Große gab seinen Truppen Lakritze, damit sie weniger Durst hatten. Was bewirkt Lakritze beim Kauen?
Julia Bornhorst: Lakritze hat sogar mehrere Funktionen beim Kauen. Einmal wird der Speichelfluss angeregt, kann eine reinigende Wirkung auf die Zähne haben und sogar zur Remineralisierung beitragen, was für die Zahngesundheit von Vorteil ist. Zudem wird der Speichelfluss bei Mundtrockenheit als hilfreich empfunden, da er die Mundschleimhaut feucht hält und uns das Gefühl gibt, weniger trinken zu müssen, obwohl der Wasserhaushalt ja eigentlich nicht aufgefüllt wird. Alexander der Große hat das seinen Truppen nicht nur wegen des Durstes gegeben, sondern auch gegen den Hunger. Da gibt es Studien und Expertenmeinungen, die nahelegen, dass Lakritz den Appetit sogar zügeln kann, denn es verbessert die Blutzirkulation und regt damit den Stoffwechsel an. Das führt dann dazu, dass man sich schneller satt fühlt. Allerdings sind die Studien dazu noch sehr am Anfang und wird brauchen noch mehr, um das alles besser zu verstehen. Ein weiterer Effekt beim Kauen ist der, dass Lakritz entzündungshemmend wirkt und daher Reizungen im Hals und auch Magenschleimhautentzündungen lindern kann.

Echtes Süßholz (Glycyrrhiza glabra)
Foto: CC BY-SA 4.0
Bis in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts konnte man in Schweden noch Lakritze als Medizin in den Apotheken bekommen. Was behandelte man denn alles damit?
Julia Bornhorst: Das war sehr vielschichtig, denn gesundheitliche Vorteile, die im Lakritz gesehen werden, sind die Förderung der Verdauung sowie die antioxidative Wirkung. Es lindert Magenbeschwerden, wirkt entzündungshemmend und antibakteriell, ist schleimlösend, wird zur Senkung der Leberwerte eingesetzt und stärkt die Abwehrkräfte. Daher hat man es früher bei den unterschiedlichsten Erkrankungen verordnet. Maßgeblich ist dabei der Hauptwirkstoff Glycyrrhizin. Heute wird Lakritz wegen seiner möglichen Nebenwirkungen kaum noch medizinisch genutzt, denn z. B. bei Dauergebrauch oder gar einer Überdosierung kann es zu Übelkeit und Erbrechen, zu Bluthochdruck, Kaliummangel und Herzrhythmusstörungen kommen.
Vor 100 Jahren begann HARIBO mit der Herstellung von Lakritzprodukten. Seitdem ist Lakritz bei uns eher als Süßigkeit bekannt. Wieviel Zucker ist denn darin enthalten?
Julia Bornhorst: Zusätzlich zu dem Zucker, der oft in Lakritze enthalten ist, wird auch Süßholzextrakt (Glycyrrhizin) verwendet, um die Süße zu verstärken. Dabei muss man sagen, dass Glycyrrhizin eine 50-fach stärkere Süßkraft besitzt als Zucker. Somit unterstützt der Zucker sozusagen nochmals die Süße des Süßholzextraktes. Viele unserer Lakritzprodukte haben ungefähr 40 bis 50 Gramm Zucker pro 100 Gramm Produkt, d.h. wir haben in Lakritz genau so viel Zucker wie in anderen Fruchtgummis auch, manchmal sogar mehr als in Cola. Gerade vor dem Hintergrund, dass wir einen hohen Zuckergehalt im Lakritz haben, sollte man ihn wirklich nur in Maßen essen.
Lakritz-Sorten aus Holland zählen zu den besten, in Kalabrien gibt es die besten Anbaugebiete. Aber auch als alkoholisches oder antialkoholisches Getränk ist es beliebt. Zuviel davon ist aber auch nicht gut. Was passiert dadurch im Körper?
Julia Bornhorst: Die kritische Substanz ist das Glycyrrhizin. Es beeinflusst den Hormonhaushalt, aber auch den Mineralstoff- und Wasserhaushalt. Essen wir also übermäßig viel Lakritz, kann das zu Natrium- und Wasseranreicherungen und zeitgleich zu Verlust von Kalium kommen. Die Folgen sind Muskelschwäche, erhöhter Blutdruck und Wassereinlagerungen. Auch Wechselwirkungen mit bestimmten Medikamenten wie Digoxin, Diuretika und blutdrucksenkenden Medikamenten, wie Antihypertensiva, sind möglich. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) empfiehlt daher einen maximalen Verzehr von 100 mg Glycyrrhizin am Tag, was ca. 50 – 70 Gramm normaler Lakritze entspricht. Empfindliche Menschen, die z. B. mit Bluthochdruck ein Problem haben, oder Herz-Kreislauferkrankungen oder Diabetes haben, sollten grundsätzlich eher Abstand von Lakritz nehmen.

Süße Lakritze
Foto: CC BY 2.5
Einigen Produkten wird auch Salmiak beigemischt. Das ist aber nichts für Kinder, oder?
Julia Bornhorst: Ganz richtig, Salmiak-Lakritz ist definitiv nichts für Kinder, und das aus gutem Grund. Salmiak oder besser gesagt Ammoniumchlorid ist nicht einfach ein harmloser Zusatzstoff, sondern eine chemisch aktive Substanz, die körperlich spürbare Effekte haben kann. Es handelt sich um ein weißes, salzig-scharf schmeckendes Salz, das in der Lebensmittelindustrie unter dem Zusatzstoff-Code E510 insbesondere in stark salziger Lakritze verwendet wird. Ammoniumchlorid führt in höheren Dosen zur Übersäuerung des Blutes sowie zu Beeinträchtigungen des normalen Ionenhaushalts, und das kann dann Übelkeit, Erbrechen und neurologische Störungen hervorrufen.
Deshalb gibt es auch eine Kennzeichnungspflicht in Deutschland. Ab einem Salmiak-Gehalt (Ammoniumchlorid) von mehr als 20 Gramm pro Kilogramm ist die Kennzeichnung ´Erwachsenenlakritz – kein Kinderlakritz` verpflichtend. Es gibt drei Typen von Lakritz: Kinderlakritz, Erwachsenenlakritz und Starklakritz. Die Hinweise sind nötig, da Ammoniumchlorid nach Einschätzung des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) in höheren Dosen schädlich ist.
Im dem Filmklassiker „Goldrausch“ konnte der Schauspieler Charles Chaplin seine Schuhe und Schnürsenkel verspeisen, weil diese Requisiten aus Lakritze gefertigt waren. Welche Lakritzsorte mögen Sie denn am liebsten?
Julia Bornhorst: Ich muss gestehen, dass ich nicht so gerne Lakritz esse. Mir ist das zu herb und zu bitter. Ich esse vielleicht mal so einen gesalzenen Lakritzhering, aber mehr auch nicht. Ich mag es gerne richtig süß.
Uwe Blass
Julia Bornhorst studierte und promovierte an der Westfälischen Wilhelms Universität Münster. Sie arbeitete fünf Jahre am Institut für Ernährungswissenschaft der Universität Potsdam. Seit Januar 2019 ist sie Professorin für Lebensmittelchemie an der Bergischen Universität.